In meinen Volieren in Baselland wohnen zwei Uhus, ein Sakerfalke und zwei Wüstenbussarde. Ich liebe sie alle, aber mein Liebling ist Dragonfly. Das ist der ältere der beiden Bussarde. Bei manchen Trainingsflügen lässt er sich mit der Thermik derart weit in den Himmel hinauftragen, dass ich ihn mit blossem Auge kaum mehr erkenne.

Dort dreht er seine Kreise, alles überblickend. Wüstenbussarde sehen ungefähr viermal so gut wie Menschen.

Wenn ich unten auf dem Feld das Federspiel schwinge – das ist ein Stock mit der Attrappe eines Kleinvogels –, stürzt sich Dragonfly wie ein Blitz auf die vermeintliche Beute. Das Tempo dieser geballten Energie begeistert mich. Weil er so schnell ist, habe ich ihn Dragonfly genannt. Das ist englisch für «Libelle».

Elvis hört dreidimensional

Ich bin in England aufgewachsen, unweit von Manchester. Schon als Kind faszinierten mich Tiere, deren Organismus auf eine Sache abgestimmt ist. Sperber etwa haben einen rasenden Stoffwechsel. Sie müssen dreimal täglich eine Beute erlegen, um zu überleben. Daher haben sie hervorragende Augen. Oder nehmen wir Elvis, meinen Kanadischen Uhu. Seine Ohren sitzen an unterschiedlichen Punkten am Kopf, damit er Geräusche im Dunkeln besser lokalisieren kann. Er hört also dreidimensional.

Viele Städte setzen Greifvögel ein, um unerwünschten Tieren das Leben möglichst ungemütlich zu machen – so dass sie sich einen anderen Platz suchen. In England ist das Alltag. Der Trafalgar Square in London hat einen Falkner zur Vergrämung von Tauben oder Krähen. Landesweit sind zirka 20'000 Falkner im Einsatz, in der Schweiz sind es nur ungefähr 20.


Das hat mich erstaunt, als ich vor zehn Jahren nach Basel zog. Die Falknerei war damals mein Hobby, ich war hauptberuflich Cellist. Heute arbeite ich Teilzeit beim Basler Sinfonieorchester, die Falknerei ist mein zweites Standbein geworden. Die Nachfrage ist gross; in Städten und auf dem Land gibt es Konflikte zwischen Menschen, Krähen und Tauben. Meine Hauptkunden sind Firmen mit grossen Arealen, vor allem solche aus der Pharma- oder Logistikbranche. Oder Bauern mit weitläufigem, teils schwer zugänglichem Gelände. Die primären Beschwerden: Taubenkot, Lärm und Verlust des Saatguts.

«Das Tempo der geballten Energie meines Bussards begeistert mich.»

Benjamin Gregor-Smith

Doch nicht nur meine Greifvögel sind intelligent. Krähen etwa verlassen einen Acker manchmal zum Schein und lassen eine von ihnen als Späherin zurück. Kaum bin ich mit meinen Vögeln weg, kehrt der Schwarm zurück. Deshalb arbeite ich absichtlich unregelmässig. Einmal komme ich am Morgen, ein andermal am Abend. Ich lasse mal die Bussarde, mal den Falken oder die Uhus fliegen. Auch das gehört zum Repertoire: nicht nur eine Vogelart einsetzen, sondern verschiedene.

Die Arbeit braucht Ausdauer. Es kann Wochen dauern, bis der Vergrämungseffekt eintritt. Die Vertreibung der Tiere ist der Versuch, der Situation mit einer natürlichen, nachhaltigen Methode zu begegnen. Ohne Pestizide und Netze. Wie in freier Wildbahn sozusagen. Negative Reaktionen auf meine Arbeit hatte ich bislang nicht.

Mit dem Uhu gehts auch zum Altar

Als professioneller Cellist verbringe ich oft Stunden in einem engen, dunklen Orchestergraben. Ich liebe die Musik, keine Frage. Aber ich freue mich ebenso sehr, wenn ich danach mit Elvis oder Dragonfly oder einem der anderen Vögel aufs offene Feld hinaustreten kann. Es braucht Zeit, bis es so weit ist. Mit der Ausbildung der Jungvögel verbringe ich viele Stunden. Wenn ich die Hand mit dem Handschuh leicht hebe, heisst das: Flieg.

Ich habe nun viel über die Vergrämung gesprochen, aber oft werden wir auch für schöne Anlässe angefragt. Für Hochzeiten zum Beispiel. Dann bringt Elvis die Eheringe zum Altar.

Aufgezeichnet von Daniel Faulhaber