Bündner Bergdorf Brienz muss evakuiert werden
Brienz/Brinzauls im Albulatal rutscht schon seit Jahren. Laut den Gemeindebehörden droht ein Felssturz in den nächsten Wochen. Deshalb muss nun evakuiert werden.
Veröffentlicht am 5. April 2023 - 16:49 Uhr,
aktualisiert am 9. Mai 2023 - 11:00 Uhr
Bergsturz in Brienz GR: Weil demnächst Teile des Hangs abstürzen könnten, wird das Dorf nun evakuiert.
Die Ereignisse überschlagen sich: Das Bündner Bergdorf Brienz muss evakuiert werden. Dies hat der Gemeindeführungsstab Albula/Alvra heute Mittag, 9. Mai, entschieden. Die Einwohnerinnen und Einwohner müssen das Dorf bis Freitagabend um 18 Uhr verlassen.
Ein Felsvolumen von zwei Millionen Kubikmetern bewege sich so stark, dass in den kommenden ein bis drei Wochen damit zu rechnen sei, dass es abbricht, teilte die Behörde mit. Der Gemeindeführungsstab hat deshalb die Phase Orange und damit die Evakuierung von Brienz verfügt.
Ab Freitagabend darf bis auf weiteres niemand mehr im Dorf übernachten. Ab Samstag wird der Dorfbevölkerung tagsüber erlaubt, das Dorf zu betreten, sofern die Gefährdungslage es zulässt. Das Grossvieh von zwei Bauernbetrieben bleibt vorerst in den Ställen, wie die Gemeinde schreibt.
Sämtliche Zufahrtsstrassen nach Brienz/Brinzauls sind ab sofort nur noch für die Einwohnerinnen und Einwohner sowie die Besitzerinnen und Besitzer von Liegenschaften im Dorf geöffnet. Am Dienstag um 19 Uhr informieren die Behörden in Tiefencastel an einer öffentlichen Infoveranstaltung über die Details der Evakuierung.
Bedrohung wird real
Der Brienzer Rutsch befindet sich hoch über dem Dorf. Sobald ein Abbrechen der Felsmassen noch drei bis zehn Tage bevorsteht, wird der Gemeindeführungsstab die Phase Rot verfügen. Das Betreten von Brienz ist dann auch tagsüber nicht mehr möglich, und das Grossvieh wird weggebracht. Die Kantonsstrasse Tiefencastel–Filisur, die Albula-Linie der Rhätischen Bahn und die Passstrasse Tiefencastel–Lenzerheide bleiben vorerst geöffnet.
Unmittelbar vor einem Abbrechen verfügt die Behörde die Phase Blau und evakuiert die beiden westlichsten Häuser von Surava. Mehrere Strassen und die Albula-Bahnlinie werden dann gesperrt. Wann der Bergsturz stattfindet, kann laut Gemeinde präziser vorausgesagt werden, je näher das Ereignis kommt.
Die Gemeinde hatte am Karfreitag mitgeteilt, dass sich ein Teil des rutschenden Berges über dem Dorf Brienz/Brinzauls immer schneller bewege. Die Kantonsstrasse blieb deshalb gesperrt, für das Dorf bestand aber keine Gefahr.
«Der Gemeindeführungsstab hat beschlossen, die Pläne für eine allfällige Evakuierung wieder aufzunehmen und an die aktuellen Verhältnisse anzupassen», sagte der Mediensprecher der Gemeinde zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Gemeinde informierte die Bevölkerung am 13. April über die angepassten Pläne.
Zwischen Frühsommer und Ende Jahr
Eine Evakuierung würde während mehrerer Tage durchgeführt. Sie sollte vorübergehend sein und nach Möglichkeit aufgehoben werden, sobald die Gefahr entschärft ist.
Im 100-Seelen-Dorf weiss man schon seit Jahren, dass der Boden langsam zu Tal rutscht. Zudem bewegt sich ein Teil des Berghangs mit bis zu 32 Metern im Jahr. Tempo zunehmend.
«Falls diese Entwicklung so weitergeht, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Teile des Hangs zwischen Frühsommer und Ende des Jahres abgleiten oder abstürzen», so die Gemeinde in der Mitteilung. Wann und wie ein solches Ereignis stattfindet, könne zurzeit noch nicht vorausgesagt werden.
Die Behörden betonen, dass im Moment keine unmittelbare Gefahr für das Dorf Brienz/Brinzauls besteht.
Umfang der möglichen Schäden bleibt offen
Unklar ist die Dimension des möglichen Bergsturzes. Das Szenario reicht von kleineren Felsstürzen über einen grossen Rutsch bis hin zu einem ausgewachsenen Bergsturz, so der Mediensprecher. Ersteres sei das wahrscheinlichste Szenario, Letzteres das am wenigsten wahrscheinliche.
Entsprechend gross ist die Bandbreite der möglichen Schäden. Es könnten gar keine oder nur einzelne Häuser beschädigt werden. Im Extremfall würde der Bergsturz jedoch das ganze Dorf unter sich begraben.
