Ärztinnen und Ärzte reden nicht gern über die Gelder, die sie sich von Pharmafirmen auszahlen lassen: Gebühren für Kongressteilnahmen, Übernachtungsspesen, Referenten- und Beratungshonorare. Genauso ungern kommunizieren Spitäler, Ärztenetzwerke, Gemeinschaftspraxen, Fachgesellschaften und Patientengruppen die teils hohen Sponsoringbeträge der Pharmaindustrie.

2021 erreichten diese Zahlungen mit 196 Millionen Franken den höchsten Wert seit Beginn der Offenlegung 2015 (siehe Grafik). Inzwischen publizieren 66 Firmen diese Gelder aufgrund der brancheninternen Selbstregulierung namens Pharma-Kooperations-Kodex. Doch: Etliche setzen die Transparenzinitiative auch sieben Jahre nach dem Start nur halbherzig um, einige offensichtlich sogar nur widerwillig.

Der gravierendste Missstand: Die Firmen veröffentlichen ihre Zahlen bis heute auf ihren eigenen Websites. Wer also herausfinden möchte, ob der eigene Arzt Gelder der Industrie kassiert, müsste theoretisch über 60 verschiedene Websites absuchen. Die Angaben sind aber nicht immer ganz einfach zu finden. Deshalb wertet der Beobachter gemeinsam mit anderen Medien diese Publikationen der Pharma aus und veröffentlicht die Daten auf der Plattform Pharmagelder.ch (siehe Box).

Verdächtig gut verborgene Daten

Der Schweizer Ableger von Italiens grösstem Pharmaunternehmen Menarini bietet Anschauungsunterricht, wie man zwar die Transparenzpflicht erfüllt, also ein Datenblatt veröffentlicht, es aber auf der Firmenwebsite geradezu versteckt. Nach einer Kaskade von Klicks erscheint ein Fenster mit der Überschrift «Menarini Switzerland Report». Doch der Inhalt fehlt, es entsteht der Eindruck, es seien gar keine Zahlungen erfolgt. Erst wer zusätzlich den Titel «Last year» auswählt, erhält eine Übersicht der Zahlungen an Ärzte und Spitäler.

Doch wer in diesem Verzeichnis nach einer Ärztin oder einem Arzt suchen will, steht vor dem nächsten Problem: Die Tabelle wurde in einzelne Bilder umgewandelt, eine Browsersuche funktioniert nicht. Die Tabelle lässt sich auch nicht abspeichern. Die Vermutung drängt sich auf: Legt Menarini Patientinnen und Patienten absichtlich Steine in den Weg? Eine Nachfrage des Beobachters blieb unbeantwortet.

Ein generelles Problem in der Umsetzung der Transparenzinitiative sieht der Branchenverband Scienceindustries nicht.

Auch beim Pharmakonzern Biotest funktioniert die Suchfunktion nicht. Ein Sprecher dazu: «Das ist rein organisatorisch bedingt und nicht zum Zweck einer Erschwerung der Transparenz.» Immerhin wolle man nun prüfen, ob künftig eine Suche möglich sein könnte.

Der Generikahersteller Mepha, der bisher durchsuchbare PDF-Dateien veröffentlichte, drehte dieses Jahr das Rad plötzlich zurück. Mepha spricht von einem «Abspeicherfehler». Inzwischen wurde das Dokument ersetzt, die Suche funktioniert wieder.

Doch es gibt auch Firmen, die mit dem Versteckspiel aufhören. Die Schweizer Niederlassung von Celgene etwa hat bisher das Zusatzprogramm PDF Embedder Secure verwendet, das die Suche erschwert. Seit Celgene von Bristol-Myers Squibb (BMS) übernommen wurde, ist das kein Thema mehr. BMS publizierte bereits in den letzten Jahren durchsuchbare Daten.

Schlampig gerechnet

Bei mehreren Firmen tauchen Unstimmigkeiten auf. Sanofi etwa legte beim Unispital Basel ein Beratungshonorar von 3700 Franken offen, im Total wurden daraus 59 000 Franken – das Total war falsch, wie sich bei den Recherchen herausstellte. Bei Gilead dagegen waren die Teilbeträge pro Spital falsch, die Totalbeträge stimmten. Beide Pharmafirmen korrigierten die Fehler, nachdem der Beobachter sie darauf aufmerksam gemacht hatte.

Der Branchenverband Scienceindustries musste acht Pharmaunternehmen «abmahnen», weil sie ihre Angaben nicht termingerecht veröffentlichten. Ein generelles Problem in der Umsetzung der Transparenzinitiative sieht man aber nicht.

Allerdings gibt es europaweit offenbar unterschiedliche Vorstellungen, wie Transparenz gewährleistet werden soll. Jürg Granwehr, Bereichsleiter Pharma und Recht bei Scienceindustries, sagt: «Die nationalen Unterschiede im Umgang mit der Transparenzinitiative können mitunter Auswirkungen auf die Schweiz haben.» Anders gesagt: Wie weit Transparenz bei Pharmafirmen geht, hängt von Konzernzentralen ab, die meist im Ausland liegen.

  • Mitarbeit: Michael Heim und Simon Huwiler

 

Jedes Jahr ein bisschen mehr

Pharma-Gelder, die in die Gesundheitsbranche fliessen
Quelle: Pharmagelder Schweiz / Scienceindustries / Angaben der Firmen – Infografik: Andrea Klaiber

Diese Firmen zahlen am meisten

Diese Pharma-Firmen zahlen am meisten
Quelle: Pharmagelder Schweiz / Scienceindustries / Angaben der Firmen – Infografik: Andrea Klaiber

Wo das Geld hinfliesst

Wo das Pharma-Geld hinfliesst
Quelle: Pharmagelder Schweiz / Scienceindustries / Angaben der Firmen – Infografik: Andrea Klaiber
Prüfen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt

Die Website www.pharmagelder.ch zeigt, an welche Ärzte, Ärztinnen, Spitäler und anderen Institutionen der Gesundheitsbranche die Pharmaindustrie Geld zahlt. Die Daten stammen von 66 Pharmafirmen, sie legen sie gemäss Verbandskodex offen. An der Auswertung des Ringier Axel Springer Research Network beteiligt waren Beobachter, «Handelszeitung» und «Blick».

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