Veröffentlicht am 28. Oktober 2025 - 06:00 Uhr

Im Alter will sich kaum jemand von seinem Garten trennen – beim Umbau zum Zweifamilienhaus ist das auch nicht nötig.
Auf den ersten Blick ist die Liegenschaft oberhalb von Horgen am Zürichsee ein klassisches Einfamilienhaus: vier gegeneinander versetzte Halbgeschosse, Garten, Terrasse. Tatsächlich diente das Gebäude von 1975 bis 2020 auch als Einfamilienhaus. Heute hingegen beherbergt es zwei Wohnungen.
Erbaut wurde das Haus von den Eltern von Helen und Marianne Haegi. Die Schwestern liessen das geerbte Gebäude vor drei Jahren in zwei Wohnungen unterteilen. Seither wohnt Helen mit ihrem Mann in der oberen Haushälfte, Marianne in der unteren. «Wir fanden, das Haus sei zu gross für eine Partei und die Aufteilung in zwei Wohnungen die optimale Lösung», sagt Marianne Haegi.
Den Umbau nutzten die beiden auch, um die Liegenschaft zu sanieren, eine Fotovoltaikanlage zu installieren und die Öl- durch eine Wärmepumpenheizung zu ersetzen. «Eine energetische Sanierung lässt sich im Rahmen des Umbaus gut realisieren und senkt die Betriebskosten», sagt Stefan Müller, Inhaber des Architekturbüros Raumtakt in Zürich. Er hat das Haus der Geschwister Haegi umgebaut.

Helen und Marianne Haegi erbten das Haus ihrer Eltern – und wagten den gemeinsamen Umbau.
Das Beispiel zeigt, welches Potenzial in unternutzten Einfamilienhäusern stecken kann – und von denen gibt es viele. Fachleute schätzen, dass schweizweit rund eine halbe Million Einfamilienhäuser nur von ein bis zwei Personen bewohnt werden.
Quartiere voller Einfamilienhäuser
Die Unterbelegung hat raumplanerische, demografische und oft auch persönliche Gründe. So entstanden in den Nachkriegsjahrzehnten vielerorts Quartiere, in denen nur Einfamilienhäuser zulässig waren. Zielgruppe waren vor allem Familien. Mit der Folge, dass nach gut 20 Jahren Nutzung – wenn die Kinder ausgeflogen waren – der ursprüngliche Zweck entfiel. Im grossen Haus blieben meist nur noch die Eltern.
Ein Muster, das sich bis heute durchzieht – weil sich die Eltern in ihrem langjährigen Zuhause wohlfühlen und oft keine Alternative haben. «Da es rundherum nur Einfamilienhäuser gibt, fehlt ein Angebot mit kleineren Wohnungen», sagt Mariette Beyeler vom Verein Metamorphouse aus Lausanne. Beyeler ist Architektin und forscht seit vielen Jahren zur Weiterentwicklung von Einfamilienhäusern. Sie hat festgestellt, dass sich deren Besitzerinnen und Besitzer mit einem Umbau oft schwertun.
Auch Christoph Giger, Mitinhaber des Architekturbüros Raumpioniere in St. Gallen, sagt: «Viele haben das Gefühl, dass sich ein Haus nicht mehr gross verändern lässt.» Sein Büro hat sich auf die Weiterentwicklung von Liegenschaften spezialisiert und berät auch Besitzerinnen und Besitzer von Einfamilienhäusern. Giger beobachtet zudem, dass der Druck für Veränderungen häufig klein ist: «Man lebt im gewohnten Umfeld, und die Kosten kann man meist tragen.» Dabei hätte die Weiterentwicklung, etwa die Unterteilung des Gebäudes in zwei oder drei Wohneinheiten, insbesondere mit Blick aufs Wohnen im Alter einige Vorteile:
- Man kann im vertrauten Umfeld wohnen bleiben.
- Teile des Gebäudes – zum Beispiel eine Wohnung im Erdgeschoss – können altersgerecht angepasst werden.
- Der soziale Kontakt ist besser, weil man nicht allein in einem Gebäude wohnt.
- Beim Umbau kann das Haus auch energetisch saniert werden.
- Der eigene Raumbedarf sinkt, da man nur noch einen Teil des Hauses bewohnt, und gleichzeitig stellt man zusätzlichen Wohnraum bereit.
- Mit dem Aus- und Umbau können mehrere Generationen im Haus wohnen.
Der Aufwand für die Transformation kann variieren: Manchmal braucht es komplexe Umbauten oder Aufstockungen, manchmal genügen schon kleinere Eingriffe. Am einfachsten ist meist die Unterteilung in zwei übereinanderliegende Wohnungen – wie im Haus der Geschwister Haegi.
Gute Voraussetzungen für eine Weiterentwicklung bieten laut Mariette Beyeler freistehende oder einseitig angebaute Einfamilienhäuser, die vor 1995 erstellt wurden. «Damals waren die Grundstücke so gross, dass sie heute Ausnutzungsreserven bieten, um das Gebäude zu erweitern.» Oft genügen wenige zusätzliche Quadratmeter Wohnfläche, damit ein Haus sinnvoll neu organisiert werden kann.
So oder so empfiehlt sie, den Altbau stehen zu lassen und ihn mit einem Ausbau des Dachgeschosses, einer Aufstockung oder einem kleinen Anbau an die neuen Wünsche anzupassen. Die massvolle Entwicklung innerhalb des bestehenden Gebäudevolumens hat mehrere Vorteile: Die Gartenfläche ums Haus bleibt erhalten, durch die Weiterverwendung des Gebäudes kann graue Energie gespart werden, und die Nachbarn sind einem solch massvollen Projekt gegenüber meist auch wohlwollender eingestellt. «Ein Abbruch und der Ersatz durch ein viel grösseres Volumen stört die Struktur des Quartiers und führt rasch zu Widerstand aus der Nachbarschaft», sagt Mariette Beyeler.

Aus dem ehemaligen Einfamilienhaus ist ein Wohnraum für zwei Paare geworden.
Wie aber soll man die Weiterentwicklung konkret anpacken? Der erste Schritt ist eine Potenzialanalyse durch eine Fachperson. Dabei eruiert man die Wünsche der Besitzerschaft, schätzt mögliche Wohnflächenreserven ab, klärt baurechtliche Fragen und prüft die Finanzierung. «In dieser frühen Phase sollte man noch keine konkreten Ideen im Kopf haben, sondern völlig offen sein», rät Architekt Giger. Nach seiner Erfahrung kostet eine Analyse um die 2000 Franken. Machen sollte man diesen ersten Schritt frühzeitig – im Fall älterer Hauseigentümer spätestens mit der Pensionierung. Direkt losbauen muss man anschliessend aber nicht. «Wenn man auf der Basis der Analyse eine konkrete Idee entwickelt hat, kann man sie auch gut ein paar Jahre später umsetzen», so Christoph Giger.
Zu reden gibt auch die Finanzierung. «Viele sehen nur eine grosse Investition auf sich zukommen, was Angst macht», sagt Mariette Beyeler. Ihre Erfahrung zeigt, dass die Finanzierung – benötigt wird schnell einmal eine halbe Million Franken – meist gut möglich ist. Oft sind die Liegenschaften schon weit abgezahlt, gleichzeitig hat das Grundstück an Wert zugelegt. Dann kann man die Hypothek aufstocken. Und wenn künftig Wohnungen vermietet werden, kommt auch regelmässig Geld in die Kasse. «So paradox es tönt: Manchmal bessert sich die finanzielle Situation sogar, obwohl investiert werden muss», sagt Beyeler.
Auch wenn die Finanzierung klappt, braucht ein solches Projekt schliesslich ein bisschen Mut: «Man muss Gewohntes loslassen können, offen für unkonventionellere architektonische Lösungen und natürlich bereit sein, künftig mit ein oder zwei Parteien im Gebäude zu wohnen», sagt Mariette Beyeler. Ein Punkt, der für die Geschwister Haegi beim Umbau ihres Elternhauses nicht schwierig war: Sie wussten, auf wen sie sich als Mitbewohner einlassen.
Quellen:
Verein Metamorphouse: Website
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