Feigenbäume, Palmen und Kiwipflanzen gedeihen seit jeher im Dörfchen Quinten SG auf der Sonnenseite des Walensees. Das spezielle Mikroklima machts möglich, denn am Fuss der Churfirsten hat es viel Sonne, Wärme und milde Winter. Quinten weist ein südländisches Klima auf, mit einer Jahresmitteltemperatur von rund 12 Grad. Zum Vergleich: In Buchs AG beträgt diese nur 9,6 Grad. 

Was Quinten heute noch speziell macht, könnte im Schweizer Mittelland künftig vielleicht zur Normalität werden. Dann nämlich, wenn der Klimawandel in den heimischen Gärten ankommt.

Invasive Arten breiten sich aus

«Der Klimawandel ist schon angekommen», sagt Hanspeter Schumacher, Landschaftsarchitekt und Leiter des Botanischen Gartens in St.Gallen. Seit einiger Zeit würden sich Arten ausbreiten, die es im Mittelland früher kaum gegeben habe – die Hanfpalme etwa, auch Tessinerpalme genannt, der Kirschlorbeer oder der Sommerflieder.

Das Problem: Sie alle zählen zu den invasiven Neophyten – also zu den gebietsfremden Pflanzen, welche die lokale Flora verdrängen und der heimischen Tierwelt, insbesondere den Insekten, kaum Lebensraum bieten.

Wie wird das Klima in der Schweiz?

Wie sich das Klima in der Schweiz verändern könnte, zeigen die «Klimaszenarien CH 2018» auf. Diese wurden im Auftrag des Bundes von Meteo Schweiz sowie der ETH Zürich erstellt und bieten einen Überblick, wie sich Temperatur, Niederschlag und andere Klimaindikatoren in der Schweiz bis Ende des 21. Jahrhunderts verändern könnten.

Zwei Szenarien wurden berechnet: einmal ohne Klimaschutzmassnahmen, also mit ungebremst steigenden Treibhausgasemissionen, und einmal mit konsequentem Klimaschutz (umgehend eingeleitete Senkung der Emissionen auf praktisch null/Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens von 2015).

Ohne Massnahmen könnte gemäss Studie die Jahresmitteltemperatur schweizweit bis Mitte des Jahrhunderts um bis zu 3,3 Grad und bis Ende des Jahrhunderts gar um bis zu 5,4 Grad ansteigen. Mit Klimamassnahmen könnte der Temperaturanstieg auf maximal 1,9 Grad begrenzt werden.

Es wird also wärmer. So, wie auch die Sommertage und Tropennächte deutlich zu-, die Frosttage jedoch abnehmen werden.

Und auch beim Niederschlag macht sich gemäss Studie der Klimawandel bemerkbar: weniger im Sommer, mehr im Winter – in tiefer gelegenen Regionen häufiger als Regen statt als Schnee.

Die Klimaerwärmung Nach neuem Weltklimabericht «Wir müssen alles tun, was wir tun können» wird gemäss «Klimaszenarien CH 2018» ausserdem zu ausgeprägteren Klimaextremen führen: Hitzetage, Hitze- und Kältewellen sowie Starkniederschläge.

Hälfte aller Pflanzen in Gefahr

Dass der Klimawandel einen grossen Einfluss auf die Pflanzen- und Insektenwelt haben wird, zeigte eine Studie der University of East Anglia in Norwich, Grossbritannien, aus dem Jahr 2018. Bei einer Erderwärmung um 3,2 Grad bis Ende dieses Jahrhunderts würden gemäss den Wissenschaftlern nicht nur rund 50 Prozent aller Pflanzen ihr derzeitiges Verbreitungsgebiet einbüssen, sondern in gleichem Mass auch die Insekten Schweizer Insekten «Sie sind die wahren Helden der Natur» – die wiederum für die Bestäubung der Pflanzen enorm wichtig sind.

Und was bedeutet das jetzt für die Hobbygärtnerinnen und -gärtner? 

«Sie müssen sich darauf einstellen, die Pflanzen noch überlegter an einem geeigneten Ort mit dem richtigen Boden zu etablieren», sagt Inge Forster, Leiterin Umweltschutz beim Verband Jardin Suisse.

Grundsätzlich werden jene Pflanzen künftig gedeihen, die auch längere, trockene Zeiten mit meist höheren Temperaturen vertragen. «Um auch den Stürmen Wetter Wer gibt Stürmen ihren Namen? Widerstand leisten zu können, sind Pflanzen mit tiefen Wurzeln besser geeignet», sagt Forster. 

Für eine gute Verwurzelung brauchen Pflanzen ausserdem genügend Platz. «Problematisch werden wahrscheinlich warme Frühlingstage mit plötzlichen Nachtfrösten», sagt die Expertin von Jardin Suisse. Die frisch gewachsenen Triebe würden dann erfrieren. 

Exotische Pflanzen sind Gewinnerpflanzen

Trotz Nachtfrösten – die Klimaprognosen sagen steigende Jahresmitteltemperaturen voraus. Werden deshalb die Gärten auch mediterraner? «Nicht von allein. Aber wenn man will, dann schon», sagt Landschaftsarchitekt Schumacher. Es gebe immer mehr Arten, die dem Winter im Mittelland trotzen würden. Ein Blick in viele private Gärten Garten Was gefällt, ist nicht immer erlaubt zeige das: Eukalyptus, Mönchspfeffer, Tessinerpalme, Lorbeer, Olivenbaum. «Vor 40 Jahren hätten diese Pflanzen die kalte Jahreszeit noch nicht überstanden.»

Im Zusammenhang mit dem Klimawandel wird häufig von Gewinner- und Verliererpflanzen gesprochen. Zu jenen, die mit den veränderten Bedingungen eher Probleme haben werden, gehören viele Moorpflanzen (Heidekraut, Andromeda-Heide, Sonnentau), zahlreiche Erika-Arten, die Zwergbirke, die es gern kühl und feucht hat, aber auch alpine Pflanzen wie Silberwurz oder diverse Steinbrech-Arten. Diesen fehlen die kühlen Nächte. 

Gewinner der Klimaerwärmung sind in unseren Breitengraden wenig überraschend exotische Pflanzen. Aber wie Beobachtungen bereits zeigen, werden auch Legföhren, Wiesensalbei, Skabiosen oder die Wegwarte von den Veränderungen profitieren.

Mehr Blumenwiesen statt Rasen

Bei der Pflanzenwahl müsse die schwarze Liste bezüglich Neophyten unbedingt noch ernster genommen werden, sagt Schumacher vom Botanischen Garten. Und er plädiert für mehr Blumenwiesen statt des gepflegten englischen Rasens Garten anlegen Welcher Gartentyp sind Sie? . Erstere benötigen weniger Wasser und bieten Insekten einen vielfältigen Lebensraum.

Ausserdem fordert er grundsätzlich «mehr Grün» und will keine sterilen Steingärten, die leider in Mode gekommen seien: Weil sich diese tagsüber aufheizen, würde das einem ausgeglichenen Klima im Garten entgegenwirken. Mehr Grün heisse eben auch mehr Verdunstung und trage damit zur Abkühlung bei.

Auch Dachflächen sollen begrünt werden Aufgeheizte Städte Das enorme Potenzial der Flachdächer – oder Betonelemente und Stützmauern in den Gärten, zum Beispiel mit Kletterpflanzen.

Wasser versickern lassen

Zu einer dem Klimawandel angepassten Gartenplanung gehört für Inge Forster von Jardin Suisse auch, die nötigen Vorkehrungen zu treffen. «Durch Starkregenereignisse kann es zu Abschwemmungen kommen.» Um Unwettern standhalten zu können, seien deshalb allenfalls Verbauungen oder Terrassierungen nötig. Dabei geht es unter anderem darum, ebene Flächen zu schaffen. So hat das Wasser Zeit, zu versickern, und steht den Pflanzen als Nährstoff wieder zur Verfügung.

Zu guter Letzt möchte Experte Schumacher noch eins klarstellen: Die angepasste Gartenplanung und Pflanzenwahl sei das eine. «Das Grundproblem der Klimaerwärmung ist damit aber natürlich nicht im Geringsten gelöst.»

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