Die Bau- und Wohngenossenschaft Kraftwerk 1 versteht sich als «Entwicklungslabor für neue Wohnformen». Der alternative Anstrich passt zum Ort, an dem zurzeit 350 gemeinnützige Wohnungen für etwa 1000 Personen entstehen: dem Koch-Areal im Zürcher Stadtquartier Albisrieden, das während zehn Jahren besetzt war, ehe die Bagger kamen.

Dass die Koch-Siedlung das Label «komplett autofrei» trägt, erstaunt daher kaum. «Komplett katzenfrei» schon eher.

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Keine Chance auf eine Wohnung 

«Katzen sind nicht zugelassen», steht trocken in den Vermietungsbedingungen für den Wohnblock Kraftwerk 1, der Ende 2026 bezugsbereit sein soll. Das gilt nicht nur für den Freigang der Tiere, sondern auch für die Haltung in der Wohnung.

Damit sind Katzenbesitzerinnen von vornherein vom Bewerbungsprozedere ausgeschlossen – es sei denn, sie trennen sich von ihrem felligen Freund. Auch für Hundehalter ist die Luft dünn. Nur acht Hunde werden in der Siedlung zugelassen. 

«Eine artgerechte Katzenhaltung wäre hier schwierig umzusetzen.»

Anna-Katharina Ris, Kommunikationsverantwortliche Genossenschaft Kraftwerk 1

Anna-Katharina Ris, Kommunikationsverantwortliche der Genossenschaft, erklärt das strenge Regime mit der hohen Wohn- und Nutzungsdichte im neuen Koch-Quartier. Im Gebäude von Kraftwerk 1 würden viele Menschen auf kleinem Raum leben; die durchschnittliche Wohnfläche pro Person liegt bei 31 Quadratmetern. Private Aussenflächen wie Balkone gebe es kaum. Diese Dichte sei mit dem Tierwohl kaum zu vereinbaren. «Eine artgerechte Haltung wäre unter diesen Umständen schwierig umzusetzen.»  

Gesetzliche Bestimmungen fehlen

Im Mietrecht ist das Halten von Haustieren nicht ausdrücklich geregelt. Ein Grundsatz ist aber klar: Vermieter dürfen Verbote aussprechen. Geregelt wird das in den meisten Fällen individuell durch den Mietvertrag. Wichtig dabei ist die Art und die Grösse der Tiere (siehe hier).

Haustiere: Was nicht verboten ist, ist erlaubt

Was aber, wenn ein Katzenverbot so generell und schon im Voraus verfügt wird, wie im Fall der Zürcher Koch-Siedlung? Wenn also eine Einzelfallentscheidung gar nicht möglich ist?

In Deutschland wäre eine solch absolute Klausel nicht zulässig. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs von 2013 darf ein Vermieter die Tierhaltung nicht ohne Abwägung des Einzelfalls untersagen.

Katzen sind ein Grenzfall

In der Schweiz ist das Stoff für kontroverse Diskussionen. «Katzen sind ein Grenzfall», sagt Fabian Gloor, Jurist und Leiter der Beratungshotline beim Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverband. 

«Die Haltung von reinen Stubenkatzen kann mietvertraglich nicht verboten werden.»

Fabian Gloor, Schweizerischer Mieterinnen- und Mieterverband

Der Verband vertritt eine grosszügige Haltung und unterscheidet zwischen Freigang und Wohnungshaltung. «Reine Stubenkatzen sehen wir in der Regel als unproblematisches Kleintier an», so Gloor. «Entsprechend kann ihre Haltung mietvertraglich nicht verboten werden.» Ob man von artgerechter Tierhaltung sprechen könne, wenn eine Katze die Wohnung nicht verlassen dürfe, sei jedoch eine andere Frage.

Wegen der Katze vor den Kadi?

«Ist eine Hauskatze eher ein Hamster oder eher ein Hund?» Das ist die juristische Frage, die sich stelle, sagt Nicole Müller, Juristin beim Beobachter. Hunde dürfe die Vermieterschaft verbieten, weil sie andere Mieter stören und Schäden verursachen können. Solche Probleme gebe es bei Kleintieren nicht, solange sie nicht in grossen Rudeln gehalten werden. 

«Mieterinnen und Mieter können sich wehren, wenn der Mietvertrag Stubenkatzen verbietet.»

Nicole Müller, Beobachter-Juristin

Bei Hauskatzen gebe es gute Argumente, sie ebenfalls zu den Kleintieren zu zählen, sagt Müller. «Sie brauchen kein Katzentörli, machen keinen Lärm und können kaum die Wohnung beschädigen. Darum können sich Mieter wehren, wenn der Mietvertrag Stubenkatzen verbietet.» Ob sie damit durchkommen vor Gericht, sei aber nicht klar: «Weil das Bundesgericht noch nie einen solchen Fall entscheiden musste.»

Sie stehen am Pranger als Maus-, Vogel- und Amphibienkiller. Und sind deshalb Gegenstand von erbitterten Debatten um Moratorien und Hausarrest. Und nun auch noch Juristenfutter? Es sind gerade etwas harte Zeiten für Katzen. Und für ihre wohnungssuchenden Halterinnen und Halter.  

Quellen