Ist es fair, dass Frauen den Löwenanteil an unbezahlten Tätigkeiten im Haushalt oder bei der Betreuung von Angehörigen übernehmen? Diese Frage stellte der Beobachter in seinem Gerechtigkeitsbarometer, das Ende 2024 erstmals erhoben wurde.

In der Umfrage waren die Unterschiede bei der Bewertung augenfällig: Während 63 Prozent der Frauen den Sachverhalt als ungerecht empfanden, störten sich bei den Männern gerade einmal 24 Prozent daran. «Männer versetzen sich offensichtlich nicht in die Situation der Frauen», kommentierte Politikwissenschaftlerin Cloé Jans die Diskrepanz. «Ihrer Ansicht nach handelt es sich nicht um ein Gesellschaftsproblem, sondern um ein Frauenproblem.»

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Frauen arbeiten mehr für weniger Geld

Aktuelle statistische Zahlen zu unbezahlter Arbeit müssten die Männer jedoch zum Nachdenken bringen. Denn die Verteilung der Arbeitsleistung zwischen den Geschlechtern in der Altersgruppe zwischen 15 und 64 Jahren könnte ungleicher kaum sein. 

Die Frauen arbeiteten demnach im Jahr 2024 durchschnittlich 57,1 Stunden pro Woche – den überwiegenden Teil davon unbezahlt, nämlich fast 35 Stunden. Genau umgekehrt ist die Situation bei den Männern: Ihre wöchentliche Gesamtarbeitszeit lag mit 54,3 Stunden leicht tiefer, sie wurden dafür aber mehrheitlich (31,5 Stunden) entschädigt.

Mehr als 12 Milliarden Gratisstunden

Übers ganze Jahr 2024 gesehen betrug das Zeitvolumen für unbezahlte Tätigkeiten bei den Frauen 7,3 Milliarden Stunden, während die Männer 4,9 Milliarden Stunden umsonst arbeiteten. Bei beiden Geschlechtern fielen dabei die Verrichtungen im Haushalt am stärksten ins Gewicht. Kochen, Abwaschen, Einkaufen, Putzen und Waschen machten rund 80 Prozent der Arbeit ohne Lohn aus. 

Die total 12,2 Milliarden Stunden, die im vergangenen Jahr in der Schweiz ohne Entschädigung geleistet wurden, lagen um mehr als 4 Milliarden über dem Gesamtvolumen der ordentlichen Erwerbsarbeit (8,1 Milliarden). Es wird also in der Schweiz 50 Prozent mehr unbezahlte Arbeit geleistet als bezahlte.

Vor vier Jahren hatte das Bundesamt für Statistik (BFS) das Total an unbezahlter Arbeit noch mit 9,8 Milliarden Stunden beziffert, also deutlich weniger als 2024. Aufgrund einer Änderung der Ermittlungsmethode könnten die beiden Werte nicht miteinander verglichen werden, heisst es beim BFS.

Wenn Zeit Geld wäre

Die Erhebung von 2020 ist dennoch relevant, weil sie die Grundlage für eine Umrechnung von Gratisarbeit in einen Geldwert beinhaltete. Die damals ermittelte Menge an unbezahlter Arbeit entsprach gemäss den Statistikern einem Wert von gesamthaft 434 Milliarden Franken. Für die Bemessung des monetären Werts wurde berücksichtigt, wie viel die privaten Haushalte für die Ausführung der entsprechenden Arbeiten bezahlen müssten, wenn sie dafür eine Fachperson anstellen würden.

Rechnet man den damaligen Wert nun auf die aktuellen Zahlen von 2024 hoch, ergibt sich ein Total von 540 Milliarden Franken als Gegenwert von unentgeltlicher Tätigkeit in der Schweiz. Allein auf die Arbeitsleistungen der Frauen bezogen heisst das: Ihre jährliche Gratisarbeit ist 322 Milliarden Franken wert.

Das Bundesamt für Statistik bezeichnet diese Berechnung des Beobachters «für eine sehr grobe Schätzung als legitim». Genauere Zahlen will das BFS Ende Jahr nachliefern.

Quellen