Wie werden Schulwege in der Schweiz sicherer? Was können Eltern tun, was die Schulen? Der Beobachter fragte nach bei Corinne Strebel, Leiterin des Beobachter-Beratungszentrums, und Pascal Regli, Geschäftsleiter des Vereins Fussverkehr Schweiz.

Beobachter: Corinne Strebel, stimmt es, dass die Eltern für den Schulweg verantwortlich sind?
Corinne Strebel:
Jein. Die Verantwortung teilen sich Eltern und Schule: 

Partnerinhalte
 
 
 
 
  • Die Schule muss sicherstellen, dass alle Kinder einen zumutbaren, selbständig bewältigbaren Schulweg haben. 
  • Die Eltern üben mit dem Kind, den Weg allein zu gehen, und entscheiden, ob es die Strecke zu Fuss, mit dem Kickboard oder mit dem Velo bewältigt.
  • Achtung: Es gibt keinen rechtlichen Anspruch auf das nächstgelegene Schulhaus. 


Die Schulleitung sagt, der Schulweg sei zumutbar. Was heisst das?
Corinne Strebel:
Ein Schulweg gilt als zumutbar, wenn er

  • sicher ist (Gibt es ein Trottoir? Gibt es auf stark befahrenen Strassen Querungshilfen wie Fussgängerstreifen?);
  • nicht zu lang ist: Das Alter des Kindes und die Steilheit des Wegs müssen berücksichtigt werden; das Bundesgericht hielt 40 Minuten (1,4 Kilometer, 70 Höhenmeter) für eine Erstklässlerin für zumutbar;
  • für das betreffende Kind bewältigbar ist: Die Schule muss individuelle Voraussetzungen – etwa motorische Einschränkungen – und den geistigen Entwicklungsstand des Kindes berücksichtigen.


Pascal Regli, was kann ich bei einem zu langen oder gefährlichen Schulweg tun?
Pascal Regli:
Wichtig: Nicht gleich den Anwalt einschalten. Das verhärtet die Fronten und führt kaum zu einer guten Lösung. Gehen Sie Schritt für Schritt vor:

  • Gespräch mit der Schule suchen: Wie sieht man dort die Lage?
  • Andere Eltern einbeziehen: Mehrere Perspektiven und ein gemeinsames Auftreten verhelfen zu mehr Gewicht.
  • Kinderperspektive integrieren: Wo fühlen sich Kinder wohl, wo unsicher?
  • Lösungen offen diskutieren: Keine fertigen Forderungen, zeigen Sie Kompromissbereitschaft. Behörden müssen verschiedene Anliegen berücksichtigen.
  • Wenn nötig, den Rechtsweg beschreiten: Verlangen Sie eine Schulverfügung bei der Schulbehörde oder der Gemeinde. Diese muss Infos zur Frist (meist 30 Tage) und zur zuständigen Beschwerdestelle (zum Beispiel Bezirksrat) enthalten.

Zu den Fachleuten

Wie kann man den Schulweg sicherer machen?
Pascal Regli:
Meist helfen schon niederschwellige Lösungen:

  • Schulbus oder Stundenplan auf den ÖV abstimmen (für Kindergärtler muss die Schule Begleitung sicherstellen).
  • Lotsendienst oder Pedibus (Begleitung mehrerer Kinder durch einen Erwachsenen, zu Fuss).
  • Entschädigung der Eltern für Privatfahrten (beispielsweise bei langem Schulweg).
  • Mittagstisch bei zu langem Weg (Unkostenbeitrag maximal fünf Franken).
  • Grundsätzlich: Die Schule muss allfällige Kosten tragen. Eltern haben aber keinen Anspruch auf eine bestimmte Massnahme, die Schule entscheidet.

Können wir eine Temporeduktion oder einen Fussgängerstreifen verlangen?
Pascal Regli:
Ja, das ist möglich, aber es gibt Normen, an denen sich die Behörden orientieren. Diese stehen manchmal im Widerspruch zum Eltern- und Anwohnerwunsch nach einem Fussgängerstreifen. Daneben gibt es weitere Optionen:

  • Verkehrserziehung: Park- und Halteverbot vor Schulen. Wer sich nicht daran hält, kann gebüsst werden. 
  • Signalisation: «Schulweg»-Schilder und Strassenmarkierung, Rechtsvortritt.
  • Bauliche Änderungen: Neben einem Zebrastreifen sind auch ein Lichtsignal oder seitliche Einbuchtungen der Strasse Varianten für mehr Sicherheit. Zuständig ist die Gemeinde oder der Kanton – je nach Strasse. 

Wo erhalte ich Hilfe bei Problemen mit dem Schulweg?

Beobachter-Abonnentinnen und -Abonnenten erhalten kostenlos Beratung durch das Beobachter-Beratungszentrum. Nichtabonnenten können eine Beratung für 60 Franken buchen. 
So erreichen Sie das Beobachter-Beratungszentrum:

Wo erhalte ich eine Expertenmeinung zu einer gefährlichen Stelle auf dem Schulweg?

  • Verein Fussverkehr Schweiz, Telefon 043 488 40 30

Hinweis: Die beiden Fachpersonen haben die Aussagen und Informationen dieses Artikels erstmals im Beobachter-Webinar «Was man tun kann für einen sicheren Schulweg» gemacht und vor der Publikation dieses Artikels nochmals verifiziert.

Zur Beobachter-Aktion «Achtung Schulweg!»

Im August 2022 lancierte der Beobachter in Zusammenarbeit mit der Rechercheplattform Correctiv Crowdnewsroom die Aktion «Achtung Schulweg!». Während sechs Wochen hat der Beobachter dokumentiert, wo für Kinder Gefahrenstellen auf dem Schulweg sind – mit Hilfe von Meldungen aus der Bevölkerung. Über 600 Personen haben bei der Aktion mitgemacht und auf heikle Stellen hingewiesen. Der Beobachter berichtete in der Folge mehrmals darüber und hat das Thema Schulweg aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Eine Übersicht der bereits publizierten Artikel finden Sie hier.