Kajaking in der Kälte

Absurd, wie das hier aussieht: Der Himmel knutschblau, das Wasser türkis. Über den Alpen liegt weisser Puderzucker, den Hängen entspringen Wasserfälle. Und mitten auf dem Brienzersee schippern drei Kajaks. Mir ist, als wäre ich Teil eines Imagefilms. Nur Peter ist nicht ganz zufrieden. «It’s such a pity!», seufzt der Kursteilnehmer, ein Niederländer.

Kein Nebel, dabei schwebe der oft über dem See. Frühmorgens, wenn das Wasser noch ruhig ist. Magisch sei das, «magical». Rund ums Jahr paddelt Peter durch Holland, im Winter tut er dasselbe in der Schweiz. Ich kämpfe noch mit dem Gleichgewicht, da ist er schon ein Punkt in der Ferne.

«Ich kann mein Glück noch immer nicht fassen. Das hier, das ist jetzt mein Vollzeitjob»

Chris, Kajakguide

Nach der Aufholjagd befürchte ich, dass mein Bizeps nicht durchhält. Kajakguide Chris weiss zum Glück Rat: Po zurück, gerade Haltung. Die Füsse nach vorn, die Arme schön breit. Und das Wichtigste: «Aus dem Bauch heraus arbeiten. Der Körper muss die Arme unterstützen.» Bald habe ich den Dreh raus: rechts, links, rechts, links.

Paddeln bei zwei Grad

Lange sprechen wir drei kein Wort. Der See ist verlassen, das Wasser eiskalt. Besonders da, wo die Lütschine in den Brienzersee fliesst. Zwei Grad, schätzt Chris, deshalb auch der Drysuit. Sollten wir kentern, wäre das halb so schlimm. Und doch nicht gemütlich, denn der Körper kühlt schnell ab.

Chris ist vor einem Jahr in die Schweiz gezogen. Vorher war er Pfleger in einem deutschen Altersheim, seither ist er jeden Tag auf dem See. «Ich kann mein Glück noch immer nicht fassen. Das hier, das ist jetzt mein Vollzeitjob», sagt er und nickt in die Postkartenkulisse.

Vor zehn Jahren startete Hightide mit wenigen Kajaks Ausflugstipp Kanutour auf dem Doubs , inzwischen finden täglich Touren statt. Für Ausflügler und Sportlerinnen, als Junggesellenabschied oder Büroevent. Auch Touristen aus der ganzen Welt zieht es nach Bönigen BE. «Ich war schon mit Inderinnen und Arabern auf dem See. Momentan sind es oft Amerikaner und Koreaner», sagt Chris.

Nach einer Stunde stoppen wir an einem Steinstrand. Erst schwitzten wir, nun schwatzen wir. Mit Tee in den Händen und Backen voller Guetsli. Zum Abschluss folgt ein letztes Highlight: Langsam paddeln wir den steinigen Klippen bei Ringgenberg entlang. Fast senkrecht sticht der weisse Kalk aus dem See. «I feel so small», sagt Peter, wir nicken.

Nach zwei Stunden parkieren wir unsere Kajaks am Ufer und plumpsen ins Wasser. Die Luft im Drysuit lässt uns wie gelbe Bojen schwimmen. Ich spüre meine Muskeln: den Bauch, die Arme, den Rücken. Und plötzlich setzt die Kälte ein. Magical.

Infos Kajak

Hightide bietet Seekajaktouren für Anfänger und Fortgeschrittene, für Kinder und Menschen mit Behinderung an. Die Schule befindet sich beim Strandbad Bönigen. www.hightide.ch

Über 100 Kilometer Loipen führen durchs Langlaufparadies Goms.

Über 100 Kilometer Loipen führen durchs Langlaufparadies Goms.

Quelle: Obergoms Tourismus AG

Langlauf mit Überraschung

Als Erstes merke ich: Es hat sich viel getan. Früher war ich mit Schuppen-Langlaufskiern Langlauf im Jura Stilles Land, freie Berge unterwegs, die gibt es gar nicht mehr. Klassisch läuft man heute mit Fell und skatet mit schnellen, leichten Skiern. Und die Stöcke sind unendlich viel länger als früher.

Mein Traum ist, wie Olympiasiegerin Therese Johaug aus Norwegen dahinzugleiten, mit einem Lächeln im Gesicht, die Anstrengung irgendwie weit weg … Was bei Johaug so einfach aussieht, ist für Anfängerinnen wie mich aber ziemlich schwierig.

Meine Skatinglehrerin lacht. Zunächst geht es um die Balance. Gar nicht leicht, locker auf den vier Zentimeter schmalen Skiern zu stehen. Das Gewicht muss auf den Zehen sein, sonst verliert man das Gleichgewicht und fällt hart auf den Hintern. Gesagt – und wumm, lande ich schmerzlich auf meinem Steissbein.

Plötzlich gleitet Bundesrätin Viola Amherd in der Loipe mit einem Lächeln an mir vorbei.

Birthe Homann

Zudem: Immer schön in den Knien sein, sich vorstellen, eine Orange zwischen Fussgelenk und Schienbein einzuklemmen, sagt die Coachin. Beine, Hüfte, Rumpf gut ausrichten, kräftig abstossen. Ich verstehe Bahnhof, versuche aber, es ihr nachzumachen. Es klappt so mittel, es ist anstrengend, ich schwitze.

Wir sind im Wallis, genauer im Goms, dem Langlaufparadies der Schweiz. Über 100 Kilometer Loipen gibt es in diesem sonnigen Hochtal, sie verbinden die zwölf Dörfer von Oberwald bis Niederwald.

Die Lehrerin und ich sind auf der Übungsloipe in Obergesteln. Ein wunderschöner Wintertag, perfekt für die Skatinglektion. Ziemlich schnell merke ich aber: Skating ist (noch) nichts für mich. Erst einmal muss ich mich wieder an die schmalen Skier gewöhnen, ans Gleichgewicht, die Koordination, die leichte Bindung. Kein Vergleich zur stabilen Snowboard- oder Alpinskibindung. Wie habe ich das früher nur hingekriegt? Ich bin etwas frustriert.

Wer überholt denn da?

Wir wechseln zu den klassischen Langlaufskiern und gehen in die Loipe. Dort fühle ich mich etwas sicherer. Wegen der randlichen Begrenzung der Spur, nehme ich an. Es geht voran. Ich werde mutiger, gleite immer schneller, stosse mich vom Fell ab, wie die Lehrerin es will.

Und dann: Plötzlich gleitet Bundesrätin Viola Amherd in der Loipe mit einem Lächeln an mir vorbei. Wow. Die Schnupperlektion hat sich gelohnt. Ich werde weitermachen, so wie die Bundesrätin muss ich das doch auch hinkriegen können. Skating verschiebe ich auf den nächsten Winter, erst mal Klassisch (wieder) erlernen. Was ist schon eine Johaug gegen eine Amherd?

Infos Langlauf

Skimiete, -kauf, -beratung sowie Langlaufkurse in Obergesteln im Goms: www.hallenbarter-nordic.ch; alles über das Langlaufgebiet Goms: www.goms.ch

 Mittagsrast beim Holzschopf: Julia Hofer und ihre Tochter

Mittagsrast beim Holzschopf: Julia Hofer und ihre Tochter

Quelle: ZVG

Durch die Stille stapfen

Was für eine nette Überraschung: Die Teenagertochter kommt freiwillig mit zum Schneeschuhlaufen Eigenthal LU Wandern in Yetis Schuhen .

Gut möglich, dass wir das einer Klassenkameradin zu verdanken haben, die schon einschlägige Erfahrung hat und verlauten liess, das Durch-den-Schnee-Stapfen sei gar nicht mal so übel. Weil die Wanderschuhe wieder einmal zu klein sind – und nein, Schneeschuhe kann man wirklich nicht an die Nike-Air-Force-Turnschuhe schnallen –, sehen wir uns im Sportgeschäft um. Das Modell, das es zum Schnäppchenpreis gibt, lehnt die Tochter aus modischen Gründen rundweg ab.

Für das dreimal teurere Modell ist Mama zu geizig. Verstimmt trollen wir uns nach Hause – wo sich zum Glück noch die alten Wanderschuhe des grossen Bruders finden, die mit zwei Paar dicken Socken einigermassen passen.

Raus aus dem Getümmel

Tags darauf bringt uns die Sesselbahn von Alt St. Johann SG auf die Alp Sellamatt. Der Einstieg in den Trail ist hart: Wir stehen mitten im Skigebiet Toggenburg, links und rechts von uns flitzen die Snowboarder hinunter. Unsere Tochter schaut ihnen neidisch hinterher, während sie sich die klobigen Schneeschuhe montiert. Der Sellamatt-Zinggen-Trail führt in einer ausgedehnten Runde über ein Hochplateau auf 1400 Metern, direkt unterhalb der eindrücklichen Churfirsten.

Die Klauen und Dornen unserer Schneeschuhe beissen sich erstaunlich fest in den Schnee, und wir marschieren die kleinen Hügel problemlos hinauf und hinunter.

Julia Hofer

Wir stapfen los. Kaum sind wir ein paar Schritte vom Getümmel rund um die Bergstation entfernt, tauchen wir in die Stille ein. Den kleinen Trail säumen schneebedeckte Fichten, die Sonne gibt ihr Bestes und lässt den Schnee funkeln. Anders als auf der Piste geht es hier nicht um Geschwindigkeit und den perfekten Schwung. Sondern darum, sich in eine Winterlandschaft fallen zu lassen.

Alle paar Meter eröffnet sich eine neue Szenerie. Märchenhafter, lockerer Wald, links und rechts neben dem Trail liegt unberührter Schnee. Die Klauen und Dornen unserer Schneeschuhe beissen sich erstaunlich fest in den Schnee, und wir marschieren die kleinen Hügel problemlos hinauf und hinunter. Die ganze Ebene ist Alpgebiet, im Sommer sind die vereinzelten Hütten von Sennen bewohnt, doch jetzt sind sie verlassen. Bei einem Holzschopf machen wir Mittagsrast und verspeisen unsere mitgebrachten Sandwiches. Vom Dach tropft Schmelzwasser, es riecht nach sonnengewärmtem Holz.

Nichts als unberührtes Weiss

Der Rückweg liegt näher an den Churfirsten und ist deshalb teilweise bereits schattig. Deshalb gehts jetzt querfeldein zurück. Wenn wir unsere eigene Spur durchs unberührte Weiss ziehen, kommen wir uns vor wie Abenteurerinnen, die Schritt für Schritt die Welt entdecken. Unser Blick wandert immer wieder zu den imposanten Zacken der Churfirsten hinauf, die wie zum Greifen nahe über uns thronen. Gegenüber der Alpstein mit Säntis und Wildhauser Schafberg. Unter den Füssen das magische Krachen und Knistern des Schnees.

Nach rund zweieinhalb Stunden kehren wir zum Abschluss im Zinggen Pub ein, das oberhalb der Bergstation Sellamatt direkt an der Piste liegt. Darauf hat sich unsere Tochter besonders gefreut. Doch auch sie scheint nun etwas ernüchtert zu sein. Die zahlreichen Gäste sind bereits in bester Après-Ski-Stimmung, die laute Musik vertreibt die Stille aus unseren Köpfen: Wir sind zurück im Skigebiet. Wir trinken unseren Süssmost rasch aus und traben den letzten Hang hinunter.

Infos Schneeschuhtour

Im Dezember sollte man nicht zu spät losziehen, weil die Sonne ab 15 Uhr hinter dem Berg verschwindet. Ab Februar ist der Trail ziemlich den ganzen Tag besonnt. Innerhalb des Rundtrails hat es keine Wildruhezonen. Auch die Lawinengefahr ist dort gering, dennoch sollte sich jeder selbst über die Situation informieren, etwa auf www.slf.ch. Schneeschuhtour: www.toggenburg.swiss

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