Heute früh um sieben Uhr stand mein Neunjähriger am Zmorge-Tisch und wollte die «ck»-Regeln erklärt bekommen. Er habe das Deutsch-Übungsblatt nicht ganz verstanden. Ist ja wunderbar, dass er so fleissig ist (nur, damit er nachher möglichst lang mit seinem Kumpel spielen kann, schon klar). Aber: ich bin keine Lehrerin. Wollte ich nie sein, werde ich nie sein. 

Ausserdem muss ich arbeiten, gezwungenermassen daheim. So geht es tausenden anderer Eltern. Wir, die Homeoffice machen können, sind da ja noch privilegiert: wir können wenigstens noch arbeiten und das auch noch daheim (wobei das mit drei Schulkindern zu Hause eben nicht so einfach ist). Aber: Ganz viele andere können entweder gar nicht mehr arbeiten, da ihre Geschäfte dicht machen mussten. Oder krampfen bis zum Umfallen im Gesundheitswesen, in den Supermärkten, im öffentlichen Dienst... 

Eltern haben momentan oft andere Sorgen, als die Schulaufgaben ihrer Kinder. Jobängste, Überbelastung, Angst um die eigenen Eltern, um die psychisch kranke Freundin.

Kinder lernen zuhause anderes

Ich plädiere zu mehr Gelassenheit: die Kinder werden den Schulstoff schon noch lernen, sie können das auch gern in Post-Corona-Zeiten vertieft tun. Vielleicht eine Woche Herbstferien streichen und dafür in die Schule? Es ist doch kein Weltuntergang, wenn sie irgendwelche Rechtschreibe-Regeln oder Franzwörter erst später lernen. Diesmal vor den Sommerferien einmal kein Zeugnis erhalten. 

Momentan ist Vieles andere wichtiger – ich denke, die Kinder lernen zurzeit ganz, ganz viel. Was Solidarität heisst, zum Beispiel. Sie kaufen für ältere Nachbarn ein, helfen im Haushalt, müssen sich zurücknehmen, da die Eltern gestresst sind. Sie müssen lernen zu verzichten, Alternativen zu suchen und zu finden. So dürfen sie nicht mehr Fussball spielen – was für meine drei Jungs das allerschlimmste ist. Sie dürfen ihre Cliquen nicht mehr treffen. 

"Gaht's no?"

Das Schöne: Sie halten sich daran, weil sie verstanden haben, was auf dem Spiel steht. Diese Generation leistet grad auch viel und es sind Kinder, nicht vergessen! Der ganze Medienhype geht auch an ihnen nicht spurlos vorbei. Sie schlafen schlechter und sind verunsichert. Schulstress ist da die ganz falsche Antwort.

Auf all die Eltern-Ratgeber-Texte kann ich gut verzichten. Sachen wie «Reden sie hochdeutsch mit ihren Kindern, wenn sie in die Lehrerrolle schlüpfen» beispielsweise – gaht’s no?

Wie sagte der Bundesrat bei der Ausrufung der Notlage so schön: «Eltern müssen das Unterrichten ihrer Kinder nicht übernehmen. Das ist nicht ihre Aufgabe.» So ist es.

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Birthe Homann, Redaktorin
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