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Das Bündner Stimmvolk entscheidet am 3. März über eine Olympiakandidatur – mit der Bildung von Reserven in Höhe von 300 Millionen Franken. Auf Gemeindeebene fragen St. Moritz und Davos ihre Bürger, ob sie Geld für Olympia freigeben wollen. Wird eine der drei Vorlagen abgelehnt, ist die Sache vom Tisch. Umfragen lassen einen knappen Ausgang erwarten, grösster Wackelkandidat ist Davos.

Nein, bei weitem nicht. Bisher, neun Jahre vor dem Anlass, gibt es keine konkreten Projekte, sondern bloss Vorschläge der Olympiapromotoren (siehe «Der ‹Bauplan› für Graubünden 2022»). Entsprechend lassen die Machbarkeitsabklärungen etliche Fragen offen, besonders zum Umgang mit jenen Anlagen, die nur temporär für die 17-tägigen Spiele erstellt werden sollen. Klar ist, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) mitreden will, wenn die Planung der Sportstätten konkreter wird. Klar ist aber auch: Sämtliche Bauten müssen das übliche Bewilligungsverfahren durchlaufen.

Das Budget des Komitees zur Ausarbeitung der Kandidatur beträgt 60 Millionen Franken, die Hälfte zahlt der Bund. Sponsoren sollen 15 Millionen übernehmen, der Kanton Graubünden 8, St. Moritz 5 und Davos 2 Millionen Franken.

Die Investitionen werden auf deutlich über eine Milliarde Franken geschätzt, die Durchführung soll 2,46 Milliarden Franken kosten. Man hofft, dank Olympia 1,46 Milliarden einzunehmen.

Bundesrat Ueli Maurer brachte im Bundesrat einen Kredit von einer Milliarde Franken für Organisation und Durchführung der Spiele durch. Das Parlament muss die Milliarde noch bewilligen. Nachdem ein erster Voranschlag einen Fehlbetrag von 300 Millionen Franken enthalten hatte, legte das Kandidaturkomitee eine neue Version mit einem ausgeglichenen Budget vor. Insgesamt konnten fast 380 Millionen eingespart werden: vor allem bei den temporären Bauten sowie den redimensionierten Sportanlagen. Offen bleibt, wer in die Kasse greifen muss, falls am Ende ein operatives Defizit resultiert. Aus Sicht der Promotoren soll das der Bund sein.

Ja. Im Budget der Investitionen sind 113 Millionen Franken für die Infrastruktur der Bahn offen. An die müsste der Bund sicherlich einen Beitrag leisten. Auch die Kosten für die Sicherheit, also der Einsatz von Armee, Zivilschutz und Grenzwache, sind im Budget nicht enthalten. Man rechnet mit 77 Millionen Franken.

Bund, Kanton, der Sportdachverband Swiss Olympic und die Austragungsorte Davos und St. Moritz wollen die Olympischen Spiele nach Graubünden holen. Dazu haben sie den Verein XXIV. Olympische Winterspiele Graubünden 2022 gegründet, der von Gian Gilli geleitet wird.

Das Komitee Olympiakritisches Graubünden setzt sich hauptsächlich aus Vertretern diverser Umweltschutzverbände zusammen. Präsidentin ist die Bündner SP-Nationalrätin Silva Semadeni. Hauptkritikpunkte sind die Kosten, Eingriffe in die Natur und der grosse Einfluss des IOC. «Zu teuer, zu gross für Graubünden und unter dem IOC-Diktat», fasst Komiteeleiter Stefan Grass zusammen.

Es würden 5000 Angehörige der Armee, 800 Zivilschützer und 2500 Polizisten aus dem In- und Ausland benötigt. Die Gesamtkosten für die Sicherheit belaufen sich gemäss Kandidaturkomitee auf 376 Millionen Franken.

Für konkrete Aussagen sei es noch zu früh, sagen die Verantwortlichen der Austragungsorte Davos und St. Moritz. Beide sind aber zuversichtlich und verweisen auf ihre Erfahrungen mit Grossanlässen (Spengler-Cup, WEF, Ski-Weltcup). Das Netz der Wasserversorgung und -entsorgung sei ausreichend, temporäre Anlagen seien aber denkbar (Davos) respektive an den Wettkampfstätten nötig (St. Moritz). Auch bei der Abfallentsorgung sei ein Mehraufwand nicht auszuschliessen.

Die Benutzung des Autos wäre Anwohnern und Hotelgästen mit einem fixen Parkplatz vorbehalten. Dennoch sind im Investitionsbudget 103 Millionen Franken für die Umfahrung von Bivio und die Beseitigung eines Engpasses in Mulegns vorgesehen. Der Grossteil der über 100'000 Besucher, mit denen an Spitzentagen gerechnet wird, müsste jedoch mit dem öffentlichen Verkehr anreisen. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs erfordert 688 Millionen Franken. Ein wichtiger Punkt in den Plänen ist das sogenannte Ringzugkonzept auf dem Schienennetz der Rhätischen Bahn: Dabei verkehren die Züge in einer Art Kreisverkehr immer in die gleiche Richtung.

Für die Befürworter ist klar: Olympische Winterspiele wären ein gutes Geschäft für Tourismus und Gewerbe, weit über das Bündnerland hinaus. Eine im Auftrag des Kandidaturkomitees erstellte Studie über die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Spiele geht für die Jahre 2015 bis 2022 von einer Bruttowertschöpfung von 1,4 bis 1,8 Milliarden Franken im Kanton Graubünden und von rund vier Milliarden in der gesamten Schweiz aus. In dieser Zeit sollen die Spiele dem Fiskus Unternehmens-, Einkommens- und Mehrwertsteuererträge von über 400 Millionen Franken einbringen. Die Olympiagegner sagen allerdings, für zuverlässige Schätzungen sei es noch etwas gar früh.

Nein. Gemäss Organisatoren wird die Auftragsvergabe «den gesetzlichen Vorschriften entsprechen». Das heisst: Die Aufträge werden ausgeschrieben, zum Zug kommen die «wirtschaftlich günstigsten» Angebote – die können auch von ausländischen Betrieben stammen.

Testwettkämpfe, Trainingsaufenthalte und ein gesteigertes touristisches Interesse sollen Graubünden bereits in den Jahren vor den Olympischen Winterspielen bis zu 300'000 Logiernächte bescheren. Zu diesem Schluss kommt die unter Punkt 12 erwähnte Studie. Während der Spiele sollen durch Wettkampfbesucher bis zu 650'000 Logiernächte hinzukommen. Auch für die Hotels in der übrigen Schweiz soll einiges abfallen: Die Studie spricht von über einer halben Million Logiernächten.

Das IOC verlangt von einem Olympia-Austragungsort 23'000 Hotelzimmer, zudem müssen 20'000 Sicherheitsleute und Helfer untergebracht werden. Theoretisch ist das möglich: Zählt man den Raum Zürich dazu, gibt es im Umkreis von 90 Fahrminuten von St. Moritz und Davos genügend Hotelbetten. Die allerdings müssten alle den Olympiagästen zur Verfügung stehen.

Die meisten Ausbauten der Verkehrsinfrastruktur zur Bewältigung des Besucherstroms sind bereits beschlossen und würden früher oder später auch ohne Winterspiele realisiert. Alle übrigen Infrastrukturanlagen werden nur dann gebaut, wenn sicher ist, dass sie auch nach den Spielen Verwendung finden.

Einiges, glaubt Gian Gilli, Leiter der Olympiakandidatur: «Es ist nicht nur Graubünden, das während der Spiele ein prominentes Schaufenster erhält – die ganze Schweiz wird als innovatives und gastfreundliches Land wahrgenommen.» Nicht auszuschliessen ist jedoch, dass die übrigen Kantone mitzahlen: Die Organisatoren hoffen, dass sie Teile ihrer Polizeikorps für die Dauer der Spiele gratis stellen.

Ein Anlass dieser Grösse ist nicht durchführbar ohne erhebliche Umweltbelastung. Das Amt für Natur und Umwelt des Kantons Graubünden stellt in einer Beurteilung aber fest, dass es nach dem heutigen Planungsstand «aufgrund der Umweltaspekte keine Ausschlussgründe» für einzelne Standorte gebe. Kritische Punkte gibt es dennoch. So müssten für den Bau der Freestyle-Anlage auf dem Davoser Bolgen fast 4000 Quadratmeter Schutzwald gerodet werden. Rodungen wären auch bei den Sprungschanzen und dem temporären Zeremonien-Stadion in St. Moritz sowie der Biathlonanlage in Lantsch nötig.

Die Olympiapromotoren haben in einer sogenannten NIV-Charta (Nachhaltigkeit, Innovation und Vermächtnis) ein ehrgeiziges Ziel formuliert: Graubünden 2022 soll klimaneutral sein. Als eine Massnahme dafür sind Klimaschutz-Kompensationsprojekte vorgesehen. Die Charta wird von den Kritikern allerdings als «Marketingidee» bezeichnet: Man vermisse konkrete Ziele.

Diese Frage kann das Kandidaturkomitee nicht beantworten. Die neuen Anlagen gehören den Betreibern respektive den Standortgemeinden. Diese müssten für Unterhalt und Betrieb aufkommen.

Nicht die operativen Budgets für die Durchführung der Spiele hätten Probleme bereitet, sagt Gian Gilli: «Probleme machten in den meisten Fällen die Investitionen und die Sicherheit.» Bei der Bündner Kandidatur bestehe diese Gefahr nicht, ist der Leiter der Olympiakandidatur überzeugt: «Wir müssen weit weniger investieren als andere Austragungsorte, weil wir schon eine sehr gute Infrastruktur haben.»

Ernsthafte Rivalen sind nicht in Sicht. Nur Lemberg in der Ukraine interessiert sich konkret. In Oslo, München und Krakau/Zakopane (Polen) gibt es erste Überlegungen. Fakt ist: Sagen die Bündner am 3. März Ja und die eidgenössischen Räte im Sommer ebenso, steht Graubünden 2022 in der Poleposition. Das IOC vergibt die Spiele offiziell im Juli 2015.