Darum macht der Bildschirm Kinder zu Hektikern und Träumerinnen
Eine neue Studie mit über 1000 Kindern zeigt: Zu viel Bildschirmzeit verändert die Art, wie Kinder denken. Doch es gibt ein analoges Gegenmittel, das die Konzentration verbessert.

Veröffentlicht am 8. Dezember 2025 - 14:52 Uhr

Der elektronische Babysitter sorgt zwar kurzfristig für Ruhe auf dem Sofa, doch der Schein trügt. Was während der Mediennutzung in den Köpfen passiert, bereitet Fachleuten zunehmend Sorge.
Der Griff zum Smartphone bringt gestressten Eltern kurzfristig Ruhe, doch die Sorge um die Langzeitfolgen bleibt. Nun liefert das Leipziger Forschungszentrum für Zivilisationserkrankungen wissenschaftliche Fakten. Für die im Fachjournal «BMC Pediatrics» im Oktober publizierte Studie wurden 1057 Kinder zwischen drei und elf Jahren einem standardisierten Computertest unterzogen.
Das Team um Psychologin Tanja Poulain fand einen klaren statistischen Zusammenhang: Ein höherer Medienkonsum im Alltag korreliert mit einer erhöhten Fehlerquote im Konzentrationstest.
Gegenüber der Zeitung «Die Welt» fasste Studienleiterin Poulain das Ergebnis prägnant zusammen: «Die jüngeren Kinder sind impulsiver, und die älteren Kinder übersehen eher etwas, wenn sie Bildschirmmedien häufig nutzen.»
Impulsiv oder abwesend
Die Daten zeigen im Detail: Bei den Drei- bis Sechsjährigen führte häufiger Fernsehkonsum zu sogenannten falschen Alarmen. Statt nur beim Zielsymbol – einem Fisch – die Leertaste zu drücken, reagierten sie oft auch bei Ablenkungen wie Drachen oder Flugzeugen. Sie hatten weniger gelernt, einen Reiz abzuwarten.
Bei den Schulkindern von sechseinhalb bis elf Jahren hingegen führte ein hoher Konsum von Fernsehen und Videospielen zu Auslassungsfehlern. Sie drückten die Taste nicht, obwohl der Fisch auf dem Monitor erschien. Das deutet auf mangelnde Daueraufmerksamkeit hin.
Während die Kleinen also zu impulsiv agieren, driften die Älteren bei hohem Konsum geistig ab.
Buch schlägt Bildschirm
Die Studie liefert auch einen Lichtblick: Schulkinder, die häufig selbständig lesen, machten signifikant weniger Fehler. Lesen scheint die Fähigkeit zu trainieren, den Fokus über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten.
Die Forschenden weisen in der Studie darauf hin, dass die Kausalität nicht eindeutig ist: Es ist denkbar, dass Medien die Konzentration schwächen, aber auch, dass unkonzentrierte Kinder eher zu Bildschirmen greifen.
Dennoch rät Expertin Poulain in der «Welt» zu klaren Grenzen, etwa handyfreien Zonen beim Essen. Dabei nimmt sie auch die Erwachsenen in die Pflicht, ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen: «Meist sind sie nicht viel besser als ihre Kinder.»
Die wissenschaftlichen Befunde decken sich mit Problemen im Schulalltag. Wie SRF berichtete, verlangt der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) nun obligatorische Elternkurse zum Umgang mit Smartphones.
LCH-Präsidentin Dagmar Rösler begründet den Vorstoss damit, dass Schulen mit Folgen wie Cybermobbing oder Konzentrationsschwäche zunehmend überfordert seien. Es brauche mehr Medienkompetenz in den Familien.
Der Vorschlag ist politisch umstritten. Die Aargauer Bildungsdirektorin Martina Bircher (SVP) bezeichnete die Forderung gegenüber SRF als kaum umsetzbar, da unklar sei, wie eine Pflicht kontrolliert werden könne. Sie setzt stattdessen auf strikte Handyverbote auf dem Schulareal.
- «Die Welt»: Wie Bildschirmzeit die Konzentration von Kindern nachweisbar verändert
- «BMC Pediatrics»: Studie (2025)
- SRF: Digital-Sucht bei Schülern: Lehrer fordern Kurse für Eltern




