Irrtum Nr. 1: Als Ehepaar muss man eine gemeinsame Wohnung haben

Im Normalfall ist es zweifellos so, dass ein Ehepaar zusammen in einer Wohnung oder einem Haus lebt. «Doch dazu besteht kein Zwang», sagt Karin von Flüe, Autorin des soeben erschienenen Ratgebers «Heiraten!» aus der Beobachter-Edition. Es kommt ab und zu vor, dass Eheleute aus beruflichen Gründen während der Arbeitswoche nicht zusammenleben, sondern nur die Wochenenden gemeinsam an einem Ort verbringen.

Getrennt wohnen

So wie im Fall von Max W.* (Name der Redaktion bekannt), der in Lausanne arbeitet und dort eine Einzimmerwohnung gemietet hat, in der er unter der Woche übernachtet. Am Wochenende aber kehrt er jeweils zu seiner Frau und den gemeinsamen Kindern in ihre Wohnung in Zürich zurück. 

«Diese Wohnung ist damit der Lebensmittelpunkt der Familie und die sogenannte Familienwohnung», sagt von Flüe. «Die Wohnung geniesst einen besonderen gesetzlichen Schutz.» Egal, wer den Mietvertrag ursprünglich unterschrieben hat – das Ehepaar kann die Familienwohnung nur gemeinsam kündigen. Auch der Vermieter muss seine Kündigung zwingend beiden Eheleuten zustellen. Max’ Wohnung in Lausanne dagegen ist eine gewöhnliche Mietwohnung ohne besonderen familienrechtlichen Schutz.

«Ausnahmsweise ist es auch denkbar, dass ein Ehepaar nicht bloss zwei Wohnungen, sondern sogar unterschiedliche Wohnsitze hat», fügt die Juristin an. Zum Beispiel, wenn jede Person des Ehepaars an seinem Arbeitsort eine Wohnung gemietet hat und die Verheirateten immer abwechselnd die Wochenenden in der Wohnung der einen und der anderen Person verbringt. Diese Situation kommt jedoch eher selten vor.

Und wer nun denkt, mit dieser Konstellation vielleicht der gemeinsamen Besteuerung entgehen zu können, irrt. Denn trotz unterschiedlicher zivilrechtlicher Wohnsitze der Eheleute erfolgt eine gemeinsame Besteuerung des Paares, und zwar dort, wo es die überwiegenden persönlichen und wirtschaftlichen Interessen hat.

Buchtipp
Heiraten! Was alle Paare wissen müssen
Heiraten! Was alle Paare wissen müssen
Irrtum Nr. 2: Ohne Gütertrennung haften Eheleute gemeinsam für Schulden

Auch wenn jemand verheiratet ist, kann er oder sie allein gültige Verträge abschliessen Verträge Wann haftet der Ehepartner mit? . Eine verheiratete Person kann deshalb ohne weiteres allein ein Haus oder ein teures E-Bike kaufen. «Ein Ehegatte haftet grundsätzlich nicht für Verträge, die der andere eingegangen ist», sagt Karin von Flüe. Ausnahme: wenn es um Verträge geht, die die laufenden Bedürfnisse der Familie betreffen, beispielsweise der Kauf von Lebensmitteln oder eines neuen Staubsaugers, kleinere Reparaturaufträge oder die üblichen Auslagen für die Gesundheit wie Prämien und Franchise der Krankenkasse. Bei solchen Geschäften werden gemäss der Rechtsanwältin beide Eheleute durch die Handlungen der anderen Ehehälfte gemeinsam berechtigt und solidarisch verpflichtet. Jede einzelne Person des Ehepaars kann für die gesamte Schuld belangt werden.

Einzeln haften

Bei allen anderen Verträgen, die eine verheiratete Person abschliesst, entsteht jedoch keine solidarische Haftung, und zwar unabhängig davon, ob Errungenschaftsbeteiligung oder Gütertrennung gilt. «Ein Ehevertrag auf Gütertrennung hat keinerlei Einfluss auf die Schuldenhaftung unter Ehegatten», sagt auch die Beobachter-Expertin. Das teure E-Bike muss der Ehemann also sowohl bei Errungenschaftsbeteiligung wie bei Gütertrennung selber zahlen, und seine Vertragspartner können sich nicht an seine Ehefrau oder seinen *Ehemann halten, wenn er nicht zahlt. Dasselbe gilt, wenn der Ehemann ein eigenes Geschäft hat und dafür einen Kredit aufnimmt. Das Finanzinstitut kann die Raten nicht bei seiner oder seinem Angetrauten eintreiben – ausser natürlich, wenn er oder sie den Vertrag mitunterschrieben hat.

Mehr zum Thema bei Guider

Heirate ich auch die Schulden?

Wie sieht es mit der Haftung der vorehelichen Schulden aus? Muss die Ehegattin für die Schulden ihres zukünftigen Ehemanns aufkommen? Lesen Sie mehr dazu als Beobachter-Abonnentin.

zum Artikel

Irrtum Nr. 3: Als Ehepaar gehört beiden alles gemeinsam

Eine Heirat ändert nichts am Eigentum der miteinander verheirateten Personen. Die Ehefrau bleibt also beispielsweise Alleineigentümerin ihres Autos, das sie schon vor der Heirat hatte. «Aber auch nach der Heirat kann grundsätzlich jeder Ehegatte allein Eigentum erwerben, etwa indem er etwas allein kauft», sagt Karin von Flüe.

«Eine verheiratete Person kann also durchaus auch als Alleineigentümerin das Haus kaufen, in dem die Familie wohnen wird», erklärt sie weiter. Wenn die Eigenmittel für den Hauskauf nur von einer Seite kommen, empfiehlt sie sogar, dass nur die betreffende Person des Ehepaars als Alleineigentümerin das Haus erwirbt. So könnten im Fall einer Scheidung Diskussionen über die Abgeltung des Partners respektive der Partnerin vermieden oder mindestens gemildert werden.

Streit verhindern

Martin W.* (Name der Redaktion bekannt) hat das leider nicht gemacht. Obwohl er das Haus, in dem er und seine Frau wohnten, allein mit dem Erbe seiner Eltern und einer kleinen Hypothek finanziert hatte, liess sich das Paar – ohne gross zu überlegen – als hälftige Miteigentümer im Grundbuch eintragen.

Nun, bei der Scheidung, sagt seine Frau, dass sie ihren Anteil am Haus als Schenkung von ihm erhalten habe. Sie will das Haus behalten und ihm nur die Hälfte des Verkehrswerts auszahlen. Martin W. bestreitet, je die Absicht gehabt zu haben, seiner Frau den Hausanteil zu schenken. Ohne Einigung muss das Gericht das beurteilen. Das ist unangenehm und wird meistens teuer.

Eine verheiratete Person kann allein ein Haus kaufen. Genauso gut kann er oder sie allein den Hypothekarvertrag abschliessen . Voraussetzung dafür ist, dass das Einkommen allein ausreicht, um die Tragbarkeitskriterien der Bank zu erfüllen. Ansonsten – wenn beide Einkommen dafür nötig sind – werden beide Eheleute den Vertrag unterschreiben müssen, sprich: haften.

Schriftlich absichern

Wie vorgehen, wenn Miteigentum gewünscht ist, obwohl die Mittel ausschliesslich oder grösstenteils von einer Seite kommen? Dann ist es ratsam, die Höhe der Beteiligungen schriftlich festzuhalten und klarzustellen, dass die Beteiligung keine Schenkung ist. «Miteigentum muss auch nicht unbedingt zur Hälfte im Grundbuch eingetragen werden», sagt Karin von Flüe. «Wenn ein Drittel der Eigenmittel vom Mann kommt und zwei Drittel von der Frau, kann dieses Verhältnis so im Grundbuch eingetragen werden.»

Selbst wenn sich beide Eheleute mit ihren Mitteln an der Finanzierung einer Liegenschaft beteiligen, müssen nicht zwingend beide als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sein. Wenn zum Beispiel der Ehemann Alleineigentümer ist, kann sich seine Frau oder sein Mann auch mit einem privaten Darlehen beteiligen.

Der Beobachter-Newsletter – wissen, was wichtig ist.

Das Neuste aus unserem Heft und hilfreiche Ratgeber-Artikel für den Alltag – die wichtigsten Beobachter-Inhalte aus Print und Digital.

Jeden Mittwoch und Sonntag in Ihrer Mailbox.

Jetzt gratis abonnieren