Alle Fraktionen, die Büros von National- und Ständerat sowie die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) der beiden Kammern der Bundesversammlung waren sich einig: Es soll eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zum Fall Credit Suisse geben. Das Büro des Nationalrats hat am Dienstag, 30. Mai, einen Entwurf des Mandats präsentiert.

Im Zentrum der geforderten Untersuchung steht die Frage, welche Entscheide, Handlungen oder Versäumnisse zur Übernahme der Credit Suisse durch die UBS führten.

Die PUK kommt – wer führt sie an?

Laut Gesetz kann das Parlament bei klärungsbedürftigen Vorkommnissen «von grosser Tragweite» eine PUK einsetzen. In den letzten 60 Jahren, seit dieses Instrument existiert, gab es nur viermal eine PUK. Zuletzt wurde sie 1995 im Zusammenhang mit Organisationsproblemen der Pensionskasse des Bundes eingesetzt. 

Das Büro des Nationalrats fordert, nicht nur die Ereignisse im direkten Umfeld der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS vom März 2023 zu untersuchen. Sondern auch mögliche Fehler der Vorjahre zu beleuchten.

Aufgeklärt werden soll einerseits die Rolle des Bundesrats. Hier stehen die amtierende Finanzministerin Karin Keller-Suter und ihr Vorgänger Ueli Maurer im Fokus. Insbesondere die Anwendung des Notrechts sowie das zahnlose «Too big to fail»-Gesetz sollen geprüft werden. Aber auch die Bundesverwaltung, die Nationalbank und die Finanzmarktaufsicht Finma werden sich kritischen Fragen stellen müssen.

Das Nationalratsbüro hat den Auftrag so formuliert, dass auch die Rolle der Banken und deren Manager untersucht werden kann. Als privatwirtschaftliche Unternehmen unterstehen sie eigentlich nicht der Aufsicht durch das Parlament. Das Mandat spricht jedoch davon, dass das Zusammenspiel der Behörden «mit Dritten» unter die Lupe genommen werden soll.
 

PUK im Fall Credit Suisse – die Personalfrage

Die Parlamentarische Untersuchungskommission wird aus je sieben Mitgliedern des Nationalrats und des Ständerats bestehen. Weiter steht der Untersuchungskommission ein Sekretariat mit Personal der Parlamentsdienste zur Verfügung. Ausserdem werden voraussichtlich Experten gebraucht, die den Finanzsektor kennen, berichtet SRF. Die PUK ist mit einem Budget von fünf Millionen Franken ausgestattet. Die Frage, wer die PUK leitet, ist im Wahljahr von politischer Brisanz. Grüne (Balthasar Glättli, Maya Graf), SP (Eva Herzog) und Die Mitte (Daniel Fässler) bringen sich als mögliche Kandidatinnen in Stellung. Auch die Grünliberalen (Martin Bäumle, Roland Fischer) haben bereits Ansprüche auf das Präsidium angemeldet und argumentieren, weder im Bundesrat noch in der Geschäftsprüfungskommission vertreten zu sein, die der notfallmässigen Übernahme zugestimmt hat. Ein GLP-Präsident sei darum besonders glaubwürdig.

Als Nächstes wird der Bundesrat zum Beschluss des Ratsbüros Stellung nehmen, danach geht der Vorschlag am Mittwoch, 7. Juni, in den Nationalrat. In der zweiten Woche der Sommersession wird der Ständerat darüber beraten. Die Mitglieder der PUK werden von den Ratsbüros von National- und Ständerat in der dritten Woche der Sommersession gewählt. 

Wann die Resultate der Untersuchung vorliegen werden, ist noch unklar. Doch der Bundesrat hat bereits angekündigt, innerhalb eines Jahres Vorschläge zu Verbesserungen der Anpassung der Bankenregulierung zu machen. Er wird dafür auf den Bericht der PUK zurückgreifen. 

Wer bleibt – wer muss gehen?

«Über die Zukunft der 17’000 Mitarbeitenden der Credit Suisse wurde bislang nicht offiziell informiert», sagt Michael von Felten, Präsident des Bankenpersonalverbands. «Weder über den Umfang des Stellenabbaus noch zu den Fristen sind Einzelheiten bekannt.» Das habe mit dem regulatorischen Prozess der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS zu tun, sagt von Felten. «Bis die Wettbewerbsbehörden der verschiedenen Länder der Übernahme nicht zustimmen, so lange wissen wir nicht, wie es weitergeht.» Die EU hat Ende Mai ihre kartellrechtliche Genehmigung zur Übernahme der CS durch die UBS ausgesprochen. 

Von Felten erinnert daran, dass beide Banken, Credit Suisse wie UBS, einen Sozialplan haben. Ein wichtiger Bestandteil der Sozialpläne betrifft den Umgang mit den Mitarbeitenden im Fall von Massenentlassungen. Die Sozialpläne sehen vor, dass die Kündigungsfrist – je nach Alter der Mitarbeitenden – auf bis zu zwölf Monate verlängert wird. Ein Abbau von 7000 Stellen bis Ende Jahr, über den in verschiedenen Medien spekuliert wurde, sei vor diesem Hintergrund gar nicht möglich, sagt von Felten. 

Die Verlängerung der Kündigungsfrist soll den Mitarbeitenden mehr Zeit einräumen, eine Umschulung zu machen oder einen neuen Job zu finden. In der Vergangenheit hat sich dieses Instrument als wirkungsvoll erwiesen, etwa bei der Übernahme der Neuen Aargauer Bank durch die Credit Suisse 2010. Von Felten sagt, damals hätten über 90 Prozent der Mitarbeitenden innerhalb der verlängerten Frist einen Job gefunden. 

«Was mir sauer aufstösst, ist die wiederholte Formulierung des UBS-Verwaltungsratspräsidenten Colm Kelleher, Credit-Suisse-Angestellte müssten vor einem Wechsel zur UBS durch einen ‹kulturellen Filter› gehen», sagt von Felten. Die Credit Suisse in der Schweiz sei eine etablierte, seriös arbeitende Bank. 

Die «Handelszeitung» berichtet, derzeit würden pro Tag 40 Mitarbeitende der Credit Suisse ihre Kündigung einreichen – rund 200 pro Woche.

Was passiert mit den Konten bei der Credit Suisse?

In den Tagen nach der Übernahme im März 2023 war die Unruhe auf dem Schweizer Bankenplatz noch deutlich spürbar – zum Vorteil der Kantonalbanken. So verzeichneten laut SRF die Kantonalbanken in Bern und der Zentralschweiz einen Zuwachs von Neukundinnen und Kunden, die ihre Konten bei der Credit Suisse leerten. «Ich weiss ja nicht, was die UBS mit meinem Konto macht», sagte ein Kunde in Basel.

Der Geldabfluss aus der Credit Suisse ist enorm. Dies geht aus dem – wahrscheinlich letzten – Quartalsbericht der Bank 2023 hervor. Demnach zogen die Kunden Einlagen von 61,2 Milliarden Schweizer Franken ab – umgerechnet fünf Prozent des per Ende 2022 verwalteten Vermögens. Ein grosser Teil des Kapitalabflusses fiel auf die zweite Märzhälfte. Also in jenen Zeitraum, in dem das Ende der Credit Suisse besiegelt wurde. 

Die Credit Suisse betreibt Schadensbegrenzung. Konten bei UBS und Credit Suisse würden weiterhin separat geführt, schreibt die Bank auf ihrer Website. Das Bankgeheimnis zwischen CS und UBS bleibe bestehen. Für Kundinnen und Kunden bestehe «aktuell» kein Handlungsbedarf. Die Geschäftstätigkeit der Bank sei bis zur vollständigen Übernahme durch die UBS gesichert – auch dank den Liquiditätshilfen der SNB. Der Wert einer CS-Aktie liegt am 1. Juni 2023 bei Fr. 0.77. Vor einem Jahr lag der Kurs bei Fr. 6.94.