Niemand weiss etwas – das seien die wichtigsten drei Worte, um die Finanzindustrie wirklich zu verstehen, sagt John Bogle. Er ist der Gründer der US-Finanzfirma Vanguard, des zweitgrössten Vermögensverwalters der Welt, und hat sich auf kostengünstige Anlagen spezialisiert. Ganz so schlimm, wie Bogle formuliert, ist es nicht. Tatsächlich gibt es einige einfache Grundregeln der Anlage. Und es lohnt sich, sie genau zu studieren, um sich ein tieferes Verständnis dieser Regeln anzueignen.

Regel 1: Früher anlegen macht reicher

Die Zeit ist ein Freund der Anleger. Je früher Sie mit dem Sparen anfangen, desto imposanter fällt der Zinseszinseffekt aus. Aus einem Betrag von 15'000 Franken, im Alter von 20 Jahren investiert, wird mit einer Durchschnittsrendite von 6 Prozent – was bei Aktien durchaus möglich ist – bis zum Alter von 65 Jahren immerhin ein Vermögen von rund 206'000 Franken.

Mit dem grösseren Zeithorizont wird nicht nur der Zinseszinseffekt imposanter, auch die Gefahr von Verlusten mit risikoreicheren Anlagen wie Aktien wird immer kleiner. Ab einem Anlagehorizont von 35 Jahren ist die statistische Wahrscheinlichkeit, dass Verluste resultieren, nur noch sehr gering, während die Chance auf hohe Gewinne relativ gross ist.

Als Faustregel gilt: Für Aktienanlagen sollten Sie einen Zeithorizont von mindestens zehn Jahren haben.

Regel 2: Tiefere Kosten machen reicher

Neben der Zeit sind kostengünstige Anlageprodukte die Freunde der Anleger. Denn während die künftigen Renditen immer unsicher sind, fallen viele Gebühren auf jeden Fall an. Darum gilt es, die Kosten sehr genau zu kontrollieren. Finanzverkäufer und -berater sollten Sie immer dazu verpflichten, alle Kosten und Gebühren offenzulegen und verständlich zu erklären sowie darzulegen, warum sie fair und angemessen sind.

Tipp: Es ist sehr zeitaufwendig, die besten Aktien oder Fonds zu suchen, und meist lohnt sich der Aufwand nicht. Daher suchen Sie besser nach der günstigsten Art, breit gestreut zu investieren.

Regel 3: Breit streuen macht reicher

Weil Prognosen schwierig sind – insgesamt zum Börsenverlauf, aber vor allem auch zu einzelnen Titeln –, müssen Sie Ihr Vermögen breit streuen. Bloss nicht nur einige wenige Aktien kaufen, das kann gewaltig schiefgehen.

Wichtig ist, dass Sie sich bewusst sind, dass sich Risiken nicht vermeiden lassen. Das gilt selbst dann, wenn Sie Ihr Geld auf dem Sparkonto lassen. Die Beträge, die dort ruhen, bringen kaum Zinsen und sind der Gefahr ausgesetzt, von der Inflation aufgefressen zu werden. Die Kaufkraft eines Frankens kann sich innerhalb von 30 Jahren durchaus halbieren.

Nur weil überall Risiken vorhanden sind, sollten Sie aber auch nicht übermütig werden und sehr hohe Renditen anstreben. Denn auch folgende Regel gilt: Höhere Renditen sind nur mit höherem Risiko zu haben. In Umfragen der Liechtensteinischen Privatbank LGT wurde in den vergangenen Jahren immer wieder festgestellt, dass die Kunden ab einer erzielten Rendite von fünf Prozent schon sehr zufrieden sind.

Tipp: Streben auch Sie ein realistisches Ziel an: Vier Prozent Rendite nach Abzug der Inflation sind durchaus möglich in der langen Frist.

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Regel 4: Auf Kurs bleiben macht reicher

Wenn der richtige Mix festgelegt ist, gilt es, bei dieser Strategie zu bleiben. Nur nicht gleich beim ersten Gegenwind alles umkrempeln und unnötige Transaktionskosten verursachen. Lassen Sie sich von den Nachrichten des Tages nicht verrückt machen. Ohne eine im Voraus festgelegte Strategie und ohne Regeln werden Sie meist genau zu den falschen Zeitpunkten verkaufen und kaufen – die Seiten zur Wahrnehmungs- und Börsenpsychologie beschreiben die Mechanismen, die dazu führen.

Der erfolgreiche Investor und Buchautor André Kostolany formulierte eine der besten Strategien für Privatanleger einst so: «Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.» Beim Kurshoch verkaufen und im Tief wieder kaufen – davon träumen alle Anlegerinnen und Anleger. Dies in der Praxis zu realisieren, ist fast unmöglich. Deswegen ist es besser, immer an der Börse dabei zu sein. Dabei gilt es vor allem, die hohen Kursschwankungen von Aktien auszuhalten oder einfach zu ignorieren, nicht hinzuschauen.

Regel 5: Balancieren macht reicher

Kursgewinne und -verluste können nicht nur Ihre Nerven strapazieren, sie bringen auch Ihre Strategie – den zu Anfang festgelegten, richtigen Anlagemix – aus dem Gleichgewicht. Deshalb sollten Sie ab und zu rebalancieren, um die prozentuale Aufteilung des Anlagevermögens konstant zu halten.

Angenommen ihr Vermögen ist je zur Hälfte in Aktien und Obligationen investiert. Wenn die Aktienkurse steigen, während die Obligationenkurse gleichzeitig fallen, kann der Aktienanteil ohne Weiteres auf 75 Prozent des Portfolio-Gesamtwerts steigen. Dann gilt es, Aktien zu verkaufen und Obligationen zu kaufen, um wieder auf die ursprüngliche Aufteilung des Anlagevermögens zu kommen. Umgekehrtes gilt, wenn die Aktienkurse fallen und Obligationenkurse steigen (siehe Grafik).

Durch das Rebalancieren erreichen Sie eine kontrazyklische Strategie, die im besten Fall dazu führt, dass Sie bei tiefen Kursen kaufen und bei hohen Kursen verkaufen.

Grafik
Quelle: Quelle: Fintool
Regel 6: Staffeln macht reicher

Aktien mögen derzeit nicht mehr sehr günstig sein, aber günstigere Einstiegszeitpunkte kommen vielleicht nicht. Und wenn sie doch kommen, werden Anleger und Anlegerinnen Angst vor Investitionen haben. Denn die Kurse fallen nicht ohne Grund.

Aus dem Dilemma, dass Sie im Voraus kaum wissen können, ob Aktien aktuell gerade günstig sind oder nicht, gibt es einen einfachen Ausweg: gestaffelt investieren. Wenn Sie heute 300'000 Franken erben, sollten Sie nicht alles auf einen Schlag anlegen. Es ist besser, dies in regelmässigen Abständen über längere Zeit verteilt zu tun. Etwa heute 50'000 Franken und dann alle vier Monate wieder 50'000 Franken, bis nach 20 Monaten der gesamte Betrag investiert ist. Damit investieren Sie über den ganzen Zeitraum gesehen zu einem Durchschnittspreis und fahren günstiger.

Regel 7: Verluste beschränken macht reicher

Sich verlieben ist etwas für das Privat-, nicht für das Investorenleben. Doch immer mal wieder «verlieben» sich Anlegerinnen und Anleger in eine Aktie, die sie gekauft haben. Bedauerlicherweise sind das oft gerade diejenigen Titel, deren Kurse gefallen sind. Anleger behalten solche Verliereraktien oft viel zu lange. Der Grund ist häufig, dass falsche Referenzpunkte gesetzt werden. Das heisst, Anleger ziehen folgenden Schluss: «Ich habe die Aktie beim Kurs von 1000 Franken gekauft und das damals günstig gefunden. Jetzt ist die Aktie auf 300 Franken gefallen, da muss sie jetzt ja erst recht günstig sein.»

Leider ist das eine Fehlüberlegung, denn die zukünftige Kursentwicklung hängt nicht davon ab, wo der Kurs einer Aktie einst stand, sondern von den Zukunftsaussichten der Firma. Diese können sich ganz einfach stark verschlechtert haben.

Kommt dazu, dass Verluste schmerzen. Deshalb wollen Anleger eine Aktie lieber nicht verkaufen, weil damit der Verlust nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern endgültig realisiert werden würde. Also behalten sie die Aktie, in der Hoffnung, dass sie sich irgendwann schon wieder für mehr als den Einstiegskurs verkaufen lässt. Diese Annahme führt aber meist in die Irre.

Tipp: Seien Sie bei Einzeltiteln unerbittlich in der Verlustbegrenzung. Zum Beispiel nach der Regel, dass Sie Aktien, die mehr als zehn oder fünfzehn Prozent verlieren, aus Ihrem Depot werfen. Das gilt aber nur, wenn Sie in Einzeltitel anlegen. Wenn Sie breit diversifiziert investieren, etwa mit ETF, können Sie die Schlaftabletten-Regel von Kostolany (siehe Regel 4) befolgen.

 

Dieser Text ist ein leicht gekürzter Auszug aus dem Buch «Plötzlich Geld – so legen Sie richtig an»von Harry Büsser, das im Oktober 2017 in der Beobachter Edition erscheint. Sie können das Buch schon jetzt im Beobachter-Shop bestellen.

Zum Autor: Harry Büsser ist Journalist und Wirtschaftswissenschaftler. Er war unter anderem Banker, Wirtschaftsreporter bei der Tagesschau des Schweizer Fernsehens sowie Produzent von SRF Börse. Ab November ist er Wirtschaftschef beim Blick.

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