Die Sozialhilfe steht unter Spardruck, die Gemeinden müssen die Kosten senken. Deshalb vergüten viele den Sozialhilfebeziehenden lediglich Mietzinse, die nicht dem Angebot auf dem Markt entsprechen. Das führt häufig zu Streit.

Die Sozialhilfe deckt finanziell drei Dinge:

Die Höhe des Grundbedarfs wird von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) empfohlen und beträgt für das Jahr 2025 monatlich CHF 1061 Franken für eine Einzelperson. Die meisten Kantone halten sich an diese Empfehlung (siehe auch Checkliste «Grundbedarf: So viel Geld gibt es in den Kantonen»).

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Checklisten zu Sozialhilfe

Welche Ausgaben werden noch in den Grundbedarf gerechnet? Beobachter-Abonnentinnen und -Abonnenten erhalten unter «Für was muss der Grundbedarf in der Sozialhilfe ausreichen?» eine detaillierte Aufstellung. Die Checkliste «Maximale Kürzungen in der Sozialhilfe» zeigt überdies, welche Kantone sich nicht an die Richtlinien und Empfehlungen der Skos halten.

Realistische Obergrenzen für Miete

Für die Mietzinse dagegen gibt es in den meisten Kantonen keine festgelegten Richtwerte. Da sich das Mietzinsniveau je nach Region stark unterscheidet, ist es dort den Gemeinden überlassen, die Mietzinsrichtlinien festzulegen. Die Skos empfiehlt nur, die Obergrenze nach einer «fachlich begründeten Methode» gestützt auf Daten des lokalen und aktuellen Wohnungsangebots zu berechnen. 

Um realistische Obergrenzen festzulegen, müssten die Gemeinden die ortsübliche Miete für preisgünstige Wohnungen, aber auch den Leerbestand berücksichtigen. Die Mietzinsrichtlinien sollten mindestens alle 3-4 Jahre überprüft und bei Bedarf angepasst werden.

Ausserdem dürfen sie nicht dazu dienen, den Zu- und Wegzug von armutsbetroffenen Menschen zu steuern. Entspricht eine Wohnung nicht den Richtlinien, müsste die Gemeinde die überhöhte Miete solange übernehmen, bis eine zumutbare Alternative verfügbar ist. Soweit die Theorie.

Realitätsferne Mietzinsrichtlinie

Ein Beispiel aus Graubünden aus dem Jahr 2019 zeigt, dass manche Gemeinden dabei willkürlich vorgehen: Ein alleinstehender Lehrling hatte Anspruch auf Sozialhilfe. Er machte einen Mietzins von 730 Franken im Monat geltend. Die Gemeinde verwies auf die interne Mietzinsrichtlinie für junge Erwachsene und kürzte nach einer Frist von vier Monaten den Beitrag auf 500 Franken.

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Mehr zum Thema «Sozialhilfe: Wer bezahlt meinen Umzug?»

Lesen Sie mit einem Beobachter-Abo in diesem Artikel, ob das Amt Sozialhilfebeziehende auch bei den Kosten für den Umzug unterstützt.

Der Lehrling suchte intensiv nach einer billigeren Unterkunft, unterstützt von seinem Lehrbetrieb. Doch eine Miete von 500 Franken erwies sich als unmöglich. Der Lehrling erhob deshalb Beschwerde gegen die realitätsferne Limite. 

Unzulässige Kürzung der Wohnkosten

Das Gericht suchte im Internet nach Mietobjekten und kam zum Schluss, dass auf dem Wohnungsmarkt in der Gemeinde tatsächlich kein so günstiges Zimmer verfügbar ist. Es hiess deshalb die Beschwerde gut. Die Kürzung, die das Sozialamt verfügt hatte, war somit nicht zulässig.

Die Gemeinde kann aber weiterhin verlangen, dass der Lehrling in eine neue, günstigere Wohnsituation umzieht, sofern ein solches Angebot tatsächlich vorliegt und zumutbar ist. Das entspricht einem Entscheid des Bundesgerichts: Das Sozialamt muss «überhöhte» Wohnkosten so lange übernehmen, bis es eine zumutbare günstigere Lösung gibt.

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Mietkosten bei Sozialhilfe: Das gilt gemäss den Skos-Richtlinien

  • Ortsüblich günstig: Von Sozialhilfebeziehenden wird erwartet Existenzsicherung Sozialhilfe von A bis Z , dass sie in günstigem Wohnraum leben. Das heisst: Der vergütete Mietzins soll für die ortsüblichen Verhältnisse preiswert sein.
  • Teurere Wohnung: Wenn die Wohnkosten über den Richtwerten liegen, prüft das Sozialamt, ob es im Einzelfall Gründe gibt für eine Übernahme. Zum Beispiel medizinische: Falls jemand nur wenige Treppen steigen kann, darf es auch eine etwas teurere Parterrewohnung sein.
  • Überhöhte Kosten: Das Sozialamt muss «überhöhte» Wohnkosten so lange tragen, bis eine zumutbare Wohnung zur Verfügung steht, die den Richtwerten entspricht.
  • Wohnungswechsel: Falls das Amt einen Wechsel der Wohnung verlangt, muss es die Betroffenen schriftlich auffordern, eine günstigere Unterkunft zu suchen. Es muss eine Frist nennen und das erforderliche Ausmass der Suchbemühungen festlegen. Die üblichen Kündigungsfristen sind dabei zu berücksichtigen.
  • Hilfe bieten: Das Amt muss Betroffene, soweit notwendig, bei der Suche nach günstigem Wohnraum unterstützen. Etwa bei der Bewerbung, durch Abgabe von Referenzen, mit Listen von freien Wohnungen oder mit einer Bestätigung, dass es den Mietzins bezahlt Sozialhilfe Bezahlt das Amt die Mietkaution für mich? .
  • Frist verlängern: Falls Betroffene die geforderten Suchbemühungen beweisen können, aber während der gesetzten Frist keine günstigere Wohnung finden, darf das Amt den Wohnbeitrag nicht kürzen. Es muss eine neue Frist ansetzen.
  • Kürzung: Wenn der Wohnbeitrag zu Recht gekürzt wird, müssen Betroffene die Differenz aus dem Grundbedarf finanzieren.
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