Wenn nach einem Unfall die Versicherung plötzlich ankündigt, dass sich demnächst ein Case Manager der Sache annimmt, gehen den Betroffenen unzählige Fragen durch den Kopf. Was darf der alles tun? Was muss ich selber von mir hergeben? Die Verunsicherung ist gross, denn Case Management ist eine relativ junge Disziplin im Versicherungsbereich und deshalb gesetzlich weitgehend nicht geregelt. Trotzdem – oder gerade deshalb – soll im Folgenden diese «Blackbox», die heutzutage häufig zur Anwendung kommt, etwas ausgeleuchtet werden: Antworten auf häufige Fragen.

1. Morgen soll ein Case Manager der Versicherung bei mir vorbeischauen. Muss ich ihm die Tür öffnen?

Es empfiehlt sich auf jeden Fall, offen zu sein für ein Erstgespräch. Im Bereich des Versicherungsrechts besteht generell eine Schadenminderungspflicht. Das heisst, Sie müssen aktiv daran arbeiten, dass Sie möglichst rasch wieder an die Arbeit zurückkehren können. Eine gesetzliche Pflicht, als verunfallte oder erkrankte Person bei einem Case Management mitzumachen, gibt es aber nicht.

Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme. So ist es möglich, dass beispielsweise in den Vertragsbedingungen einer Krankentaggeldversicherung oder in einer kantonalen Personalverordnung steht, dass bei längerer krankheits- oder unfallbedingter Abwesenheit ein Case Management durchgeführt wird und bei dessen Verweigerung allenfalls die Leistungen gekürzt werden. Ob solche Leistungskürzungen dann in jedem Fall zulässig sind, ist bislang gerichtlich noch nicht entschieden worden.

2. Man sagt mir, dass ich möglichst rasch wieder arbeiten soll. Geht es beim Case Management nicht einfach darum, dass die Versicherung Kosten spart?

Natürlich ist das Ziel jeder Versicherung zu sparen – das ist legitim. Vor allem sollen lange Absenzen und Invaliditätsfälle verhindert werden, weil diese erhebliche Kosten verursachen. Um ein Case Management durchzuführen, muss die Versicherung zuerst einmal Geld investieren. Das Verfahren ist nämlich nicht gratis, weshalb es auch nicht bei jedem Bagatellfall eingesetzt wird, sondern nur in Fällen, in denen die Gefahr einer Invalidisierung besteht.

3. Muss ich selber ebenfalls mit Kosten rechnen, wenn ich mit einem Case Management einverstanden bin?

Nein. Der Case Manager wird von einer Versicherung – oder in selteneren Fällen von einem Arbeitgeber – eingesetzt. Diese übernehmen dann auch die entsprechenden Kosten. Anders sieht es aus, wenn Sie selbst ein Case Management in Auftrag geben.

4. Was bringt mir die Teilnahme an einem Case Management?

Bei Unfall oder länger dauernder Krankheit sind immer verschiedene Parteien involviert: Sie als Betroffener, die Versicherung, der Arbeitgeber, Ärzte . Der Case Manager koordiniert und vermittelt zwischen diesen Beteiligten. Das entlastet Sie, und Sie können sich ganz auf Ihre Genesung konzentrieren. Ausserdem schaut der Case Manager, dass Sie in medizinischer Hinsicht gut betreut sind und wenn möglich Ihren bisherigen Arbeitsplatz behalten können.

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Bevor die Versicherung eine IV-Rente ausspricht, überprüft sie, ob die betroffene Person nicht wieder in irgendeiner Form in die Berufswelt eingegliedert werden kann. Beobachter-Abonnenten erfahren bei Guider nicht nur, wie diese Massnahmen aussehen können, sondern auch in welcher Natur die Unterstützung der Wiedereingliederung erfolgen kann, sei es durch eine fundierte Aus- oder Weiterbildung oder mithilfe eines Startkapitals, um einen eigenständigen Erwerb zu fördern.

5. Wie lange dauert das ganze Verfahren?

Das lässt sich nicht generell beantworten. Es wird immer im Einzelfall entschieden, wie die Rehabilitation und die Rückkehr ins Arbeitsleben am besten gestaltet werden können. Je nach Ausgangslage und Entwicklung kann es daher unterschiedlich lange dauern.

6. Der Case Manager möchte auch mit meiner Familie und meinem Arbeitgeber sprechen. Muss ich das akzeptieren?

Ja, das müssen Sie. Beim Case Management handelt es sich um einen ganzheitlichen Prozess. Es ist darum wichtig, das persönliche Umfeld miteinzubeziehen. Dies auch deshalb, weil die Familie eine grosse Unterstützung und damit eine wichtige Ressource für Sie sein kann. Ausserdem soll Ihnen ermöglicht werden, in der Arbeitswelt wieder Fuss zu fassen, weshalb es wichtig ist, den Arbeitgeber ebenfalls mit ins Boot zu holen.

Möglicherweise erweist sich eine Anpassung Ihres Arbeitsplatzes als notwendig, oder es muss nach einer Möglichkeit geschaut werden, wie Sie im Betrieb anders eingesetzt werden könnten, zum Beispiel in einer körperlich weniger belastenden Tätigkeit.

7. Habe ich beim Verfahren ein Mitspracherecht? Und werden meine Wünsche berücksichtigt?

Ja. Beim Case Management werden die Ziele und die entsprechenden Massnahmen vom Case Manager gemeinsam mit dem Betroffenen festgelegt. Ihre Wünsche und auch Ihre Möglichkeiten werden bei der Planung der einzelnen Schritte berücksichtigt.

8. Habe ich das Anrecht auf die Durchführung eines Case Managements, falls die Versicherung kein solches plant?

Nein. Es besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf die Durchführung eines Case Managements. Demzufolge ist in jedem Fall entscheidend, ob die involvierte Versicherung ein solches überhaupt anbietet. Im Übrigen hat man aber auch dann, wenn ein solches Angebot besteht, keinen absoluten Anspruch darauf. Ausserdem kann ein einmal begonnenes Case Management unter bestimmten Voraussetzungen durch die Versicherung frühzeitig beendet werden.

So hat das Bundesgericht einer Unfallversicherung recht gegeben, die ein laufendes Case Management abbrach, das auf die berufliche Integration des Verunfallten abzielte. Begründet wurde der Entscheid damit, dass die Unfallversicherung die berufliche Unterstützung auf freiwilliger Basis erbringe – von Gesetzes wegen also überhaupt nicht dazu verpflichtet sei – und diese deshalb grundsätzlich jederzeit beenden könne.

9. Der Case Manager sammelt Daten über mich. Darf er denn persönliche Informationen, die ich ihm anvertraue, an die Versicherung weitergeben?

Nein. Beim Case Management werden besonders schützenswerte Personendaten bearbeitet. Darum ist es wichtig, dass der Datenschutz gewährleistet ist – sonst kann kein richtiges Vertrauensverhältnis zwischen dem Betroffenen und dem Case Manager entstehen. Ein solches ist aber zentral für den Erfolg des Verfahrens. Der Case Manager untersteht dem Datenschutzgesetz Datenschutz Wer darf was über mich wissen? . Somit darf er ohne Ihre Einwilligung die Informationen nicht einfach weitergeben.

In der Regel wird man von Ihnen verlangen, dass Sie den Case Manager bevollmächtigen, Auskünfte bei Dritten, zum Beispiel bei den behandelnden Ärzten, einzuholen. Da es beim Case Management darum geht, Sie medizinisch optimal zu betreuen und beruflich wieder einzugliedern, sind entsprechende Informationen unerlässlich. Der Case Manager darf Ihre Daten aber nur für Zwecke verwenden, die für Sie ersichtlich und für den konkreten Fall notwendig sind.

Sie haben ausserdem das Recht zu erfahren, warum gewisse Informationen eingeholt werden und was mit diesen geschieht. Auch darf der Case Manager sehr persönliche Informationen, die Sie ihm im Vertrauen mitteilen und die für den weiteren Verlauf des Case Managements nicht von Bedeutung sind, generell nicht an die Versicherung weiterleiten. Gibt er ohne Ihr Einverständnis Daten von Ihnen weiter, die für die Wiedereingliederung nicht notwendig sind, stellt das eine Persönlichkeitsverletzung dar.

Hilfestellung für Betroffene

Case Management ist ein Verfahren zur koordinierten Bewältigung eines Schadensfalls. Dabei soll eine verunfallte oder erkrankte Person zentral von einer Stelle, eben dem Case Manager, betreut und begleitet werden. Dies mit dem Ziel, dass der Betroffene möglichst bald wieder in die Arbeitswelt zurückkehren kann.

Der Case Manager agiert also gesamtheitlich: Zum einen schaut er, dass der bisherige Arbeitsplatz wenn möglich erhalten oder eine den gesundheitlichen Problemen angepasste neue Tätigkeit gefunden werden kann. Weil zugleich medizinische Aspekte eine Rolle spielen, überprüft der Case Manager auch die medizinische Betreuung und veranlasst gegebenenfalls eine Änderung respektive Ergänzung der Therapie. Ausserdem werden soziale Aspekte – und damit das persönliche Umfeld des Betroffenen – miteinbezogen und berücksichtigt.

Case Management soll als Hilfestellung und nicht als Belastung für den Verunfallten oder Erkrankten verstanden werden. Das Verfahren unterstützt ihn dabei, seine aktuelle Situation zu verbessern.

Es wird unterschieden zwischen internem und externem Case Management. Beim internen Case Management verfügt die in den Schadensfall involvierte Versicherung über eigene Fachpersonen, die als Case Manager tätig sind. Um die nötige Unabhängigkeit des Case Managers von der Schadensabwicklung zu gewährleisten, ist hier von zentraler Bedeutung, dass jene Abteilung, die das Case Management durchführt, organisatorisch klar von der Schadensabteilung getrennt ist. Betroffene haben ein Recht darauf zu erfahren, mit wem sie es zu tun haben. Sie sollten deshalb beim Case Manager nachfragen, welches seine Stellung in der Firma ist und in welchem Verhältnis er zur auftraggebenden Versicherung steht.

Beim externen Case Management wird eine aussenstehende Fachperson mit der Durchführung des Case Managements beauftragt. Entsprechende Dienstleistungen werden etwa von spezialisierten Privatfirmen angeboten.