Die Tabaklobby ist in der Schweiz sehr einflussreich. Das zeigt ein diese Woche veröffentlichter internationaler Bericht. Im Ländervergleich schneidet die Schweiz katastrophal ab und belegt den zweitletzten Platz. Schlechter bewertet wird nur noch die Dominikanische Republik.  

Wie funktioniert das Lobbying der Tabakbranche hierzulande? Und wie kann man deren Macht einschränken? Thomas Angeli, Co-Präsident von Lobbywatch und Beobachter-Redaktor, beantwortet im Interview die wichtigsten Fragen.

Wie kann es sein, dass die Schweiz in Sachen Tabakprävention international so schwach dasteht?
Mich wundert das nicht im Entferntesten. Es ist ein Armutszeugnis, dass die Schweiz auf dem zweitletzten Platz landet. Dieses Resultat zeigt einfach klar auf, dass die Industrie hierzulande eine extrem starke Rolle hat.


Wieso ist das ausgerechnet in der Schweiz so? 
Mit Philip Morris International, Japan Tobacco International und British American Tobacco haben drei Grosskonzerne wichtige Firmenstandorte in der Schweiz. Das dürfte mit ein Grund dafür sein. Philip Morris etwa hat in Neuenburg ein Forschungszentrum mit mehreren Tausend Angestellten. British American Tobacco hat im Jura eine grosse Produktionsstätte. Diese Firmen sind stark in den Regionen verankert, vor allem in der Westschweiz und im Kanton Luzern, weil dort Japan Tobacco International einen Standort hat. Deshalb ist es für Politikerinnen und Politiker aus diesen Kantonen ein heisses Eisen, gegen deren Interessen anzugehen. 
 

Und wie sieht es auf dem nationalen politischen Parkett aus? 
Die Schweiz hat eine lange Tradition, der Tabaklobby sehr hörig zu sein. Bis in die frühen Neunzigerjahre gab es etwa die «Commission scientifique de l’Association suisse des fabricants de cigarettes», eine Lobbyorganisation der Tabakbranche mit wissenschaftlichem Deckmäntelchen. Es ist erwiesen, dass diese Organisation Wissenschaftler und Studien einkaufte und damit die Politik beeinflusste. Es gibt sie zwar jetzt nicht mehr, aber die Tradition von starkem, aber eher unsichtbarem Lobbying lebt nach wie vor. 

«Bei Lobbywatch fällt uns immer wieder auf, dass es wenig offensichtliche Verbindungen ins Parlament gibt – mit Ausnahme von SVP-Nationalrat Gregor Rutz.»

Thomas Angeli, Co-Präsident von Lobbywatch und Beobachter-Redaktor

Woran sieht man denn die Aktivitäten der Tabaklobby in der Schweiz? 
Sie ist von aussen nicht sehr sichtbar. Das fällt uns bei Lobbywatch immer wieder auf. Es gibt wenig offensichtliche Verbindungen ins Parlament, mit Ausnahme von SVP-Nationalrat Gregor Rutz, der als Präsident der Schweizer Tabakhändler deren Interessen direkt im Parlament vertritt. Weniger offensichtlich ist, dass der Gewerbeverband sich immer wieder für die Belange der Tabaklobby einsetzt. Der Verband hat die «Allianz der Wirtschaft für eine massvolle Präventionspolitik» gegründet. Das ist eine verkannte Allianz. Da sind alle dabei, die irgendetwas gegen Regulierung von Sucht- und Genussmitteln haben – von Bäckern über Tankstellenshops bis zu Weinhändlern und eben Tabakkonzernen. Die stehen in dieser Allianz sehr eng zusammen, das sieht man in Vernehmlassungen immer wieder.
 

Können Sie weitere Beispiele nennen?
Ab und zu gibt es über die Interessengemeinschaft Genuss (IG Genuss) von alt SVP-Nationalrat Sebastian Frehner Veranstaltungen für Parlamentarier. Zum Beispiel in der kommenden Wintersession am 18. Dezember. Am Anlass kann auch der Konzern Japan Tobacco International seine Anliegen präsentieren. Ein weiteres Beispiel ist die IG saubere Umwelt, die sich gegen Littering engagiert und bei der Swiss Cigarette Mitglied ist. Das ist der Zusammenschluss von Philip Morris, British American Tobacco und Japan Tobacco International in der Schweiz.

«Wenn man Regulierungen verhindern will, geht man einfach Selbstverpflichtungen ein.»

Thomas Angeli, Co-Präsident von Lobbywatch und Beobachter-Redaktor

Gibt es andere Strategien, wie die Tabakbranche Einfluss nimmt?
Ja, es gibt natürlich auch noch die klassische Form von Lobbyarbeit mittels Selbstverpflichtungen. Wenn man Regulierungen verhindern will, geht man einfach Selbstverpflichtungen ein. Swiss Cigarette hat zum Beispiel 2018 einen Branchenkodex verkündet, um zu zeigen, dass die Branche etwas für die Gesellschaft tut. Ein Klassiker. Die Zigarettenindustrie macht das sehr offensiv. Und wegen der Tatsache, dass in der Schweiz auch Tabak angebaut wird, können die Produzenten immer wieder auf die Bauern zählen. Deren Lobby ist ja bekanntlich sehr stark. 


Kann die Politik die Macht der Tabaklobby einschränken?
Das neue Tabakproduktegesetz mit weiteren Werbeeinschränkungen für Tabak und E-Zigaretten wird ihnen gewisse Schranken setzen. Aber die Tabakkonzerne waren schon immer sehr kreativ, wenn es um die Erhaltung und den Ausbau ihres Geschäfts ging. Sie werden Wege finden, weiterhin die Gesetzgebung zu beeinflussen. Das ist auch ihr gutes Recht. In unserem politischen System darf man seine Interessen vertreten. Die Frage ist bloss, wie und wie grosse finanzielle Mittel man in das Lobbying steckt, und ob das transparent ist.


Wenn das so vorgesehen ist, wo liegt denn das Problem?
Die Tabaklobby ist letztlich eine Branche, die für ein gesundheitsschädigendes Produkt wirbt, und die Kosten trägt die Allgemeinheit. Deshalb ist es sehr relevant, dass man das benennt und genau hinschaut. Das Parlament könnte Charakter zeigen und das Tabakproduktegesetz so durchziehen, wie es in der Initiative «Kinder ohne Tabak» Abstimmung vom 13. Februar Darum geht es bei der Initiative «Kinder ohne Tabak» vorgesehen ist.