Ein Vater kümmert sich seit Jahren um seine epilepsiekranke Tochter. Er kennt ihr Leiden und weiss, da hilft nur eins: ein spezielles Medikament aus ihrer alten Heimat Italien. Er bestellt auf Rezept Nachschub per Post. Doch dann fängt der Zoll das Paket ab

Gute Seele oder Drogenkurier? 

Das Mittel, das der Mann bestellte, heisst Delorazepam. Ein Wirkstoff aus der Familie der Benzodiazepine, der angstlösend und beruhigend wirkt. Seine Tochter nimmt es seit Jahren. Sie leidet seit ihrem fünften Lebensjahr an einer schweren Epilepsie. Sie ist deswegen zu 100 Prozent invalid und braucht einen Beistand.

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«Delorazepam sei das Medikament, das ihr am besten helfe.»

Aktennotiz

Das Problem: Das Medikament ist in der Schweiz nicht zugelassen. Mehrfach sprachen die behandelnden Ärztinnen deshalb mit ihr und dem Vater über Alternativen. Erfolglos.

«Die Medikation nehme sie regelmässig ein, vertrage diese gut. Die Patientin ist sehr besorgt wegen einer potenziellen Umstellung und wünscht insbesondere Delorazepam momentan nicht abzusetzen», heisst es in einem Arztbericht 2022. Ein Jahr später lehnt sie eine Umstellung – die für sie mit einem Spitalaufenthalt verbunden wäre – erneut ab. «Delorazepam sei das Medikament, das ihr am besten helfe», heisst es dazu in den Akten.  

In Italien zugelassen

Die Tabletten können abhängig machen. Deshalb dürfen sie nicht einfach so importiert werden. Schon gar nicht in grossen Mengen. 

Der Vater kam dennoch nicht auf die Idee, dass er etwas falsch machen könnte: Er hatte ein ärztliches Rezept, und die Behandlung der Tochter stand unter medizinischer Kontrolle. 

Er glaubte, sein Handeln sei völlig in Ordnung. Ein fataler Irrtum, wie sich zeigen sollte. 

Bereits seit Jahren holte er die Tabletten in Italien. Er glaubte, sein Handeln sei völlig in Ordnung. Ein fataler Irrtum, wie sich zeigen sollte. 

Der Unterschied dieses Mal war, dass der Mann, der inzwischen im Rentenalter sein dürfte, das Mittel per Post kommen liess, anstatt es persönlich abzuholen. Und da fiel es dem Zoll in die Hände.  

Zürich milde, Swissmedic stur

Die Heilmittelbehörde Swissmedic zeigte ihn an, und die Polizei ermittelte gegen ihn. Doch die Zürcher Justizbehörden zeigten sich milde.

Sie sahen den verzweifelten Vater, nicht den Kriminellen. Es handle sich um eine Bagatelle, die nicht bestraft werden müsse. Sie stützen sich dabei auf das Heilmittelgesetz. 

Swissmedic liess nicht locker und zog den Fall bis vor das Bundesgericht.

Doch Swissmedic passte das nicht: Der Mann habe das Betäubungsmittelgesetz verletzt. Wer dagegen verstösst, dem droht eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Das Heilmittelgesetz sei also gar nicht anwendbar. Es geht aus Sicht der Behörde also nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern um ein Vergehen, das die Staatsanwaltschaft verfolgen muss. Swissmedic liess nicht locker und zog den Fall bis vor das Bundesgericht.

Der Kampf der Gesetze 

Nun mussten also auch die höchsten Richterinnen und Richter in Lausanne den juristischen Knoten lösen: Welches Gesetz kommt hier zum Zug? Das Heilmittelgesetz, das zulässt, das von einer Strafe abgesehen wird? Oder das Gesetz über Drogen?

Die Regel ist eigentlich klar: Wenn ein Betäubungsmittel als Medizin dient, gilt normalerweise das Heilmittelgesetz. Eigentlich. Aber: Wenn das Betäubungsmittelgesetz in einem bestimmten Punkt strenger ist, dann geht es vor. 

Rüffel aus Lausanne

Das Fazit des Bundesgerichts: Die Zürcher Behörden haben fälschlicherweise das mildere Gesetz angewendet.

Das Bundesgericht schickt den Fall deshalb an das Obergericht zurück. Es muss die Sache nun nochmals anschauen – aber diesmal unter den strengen Vorgaben des Betäubungsmittelgesetzes.

Damit hat Swissmedic einen wichtigen Entscheid erwirkt: Wer Medikamente importiert, die hier unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, kann nicht auf die Milde des Heilmittelgesetzes hoffen – selbst wenn medizinische Notwendigkeit besteht. 

Quellen