Passen Sie auf, was Sie betrunken erzählen!
Ein Mann gesteht unter Alkoholeinfluss, einen anderen Mann getötet zu haben. Das Bundesgericht urteilt nun: Wer noch klar denken kann, muss für seine Worte geradestehen.

Veröffentlicht am 12. Dezember 2025 - 17:42 Uhr

Verdeckte Ermittler haben dem beschwipsten Verdächtigen ein Geständnis entlockt.
Kurz vor Weihnachten, am 20. Dezember 2015, fand die Polizei in einer Einzimmerwohnung in Olten die Leiche eines Mannes. Als Tatverdächtigen vermutete sie einen Bekannten des Opfers. Die beiden hätten gemeinsam mit Drogen gehandelt. Weil sie mit den Ermittlungen nicht weiterkam, setzte die Solothurner Staatsanwaltschaft drei verdeckte Ermittler ein, um die Tötung aufzuklären.
Die verdeckten Ermittlungen dauerten zwei Jahre und endeten mit dem Geständnis des Verdächtigen. Das Obergericht Solothurn beschuldigte den Mann daraufhin unter anderem der vorsätzlichen Tötung und verhängte zehn Jahre Haft. Der Täter erhob gegen das Urteil Einsprache. Der Grund: Er sei während des Geständnisses «beschwipst» gewesen. Dies ist auch aus dem Protokoll der Ermittlungen zu entnehmen. Dort steht: «Der Täter sagte vor seinem Geständnis, er sei etwas beschwipst und habe Schnapskaffee getrunken.»
Ausschlaggebend ist die Verwertbarkeit der Aussage
Der Fall ging ans Bundesgericht. Dieses kam zum gleichen Entscheid wie das Obergericht: Das Geständnis des Beschuldigten sei nicht rechtswidrig erlangt worden. Alkohol beeinflusse zwar die Vernehmungsfähigkeit einer Person, doch nicht jede Alkoholaufnahme führe zwingend zur Unverwertbarkeit einer Aussage.
Entscheidend sei, ob die betroffene Person zum Zeitpunkt der Befragung trotz des Alkoholkonsums vernehmungsfähig war. Das heisst, dass jemand den Sachverhalt sinnlich erfassen und die Tragweite seiner Äusserungen erkennen kann.
Eine fixe Promillegrenze dafür, ob jemand noch befragbar ist, gibt es nicht. Das Bundesgericht hat in früheren Fällen Aussagen von Personen mit rund 0,67 bis 0,69 Promille – und sogar bei 1,48 Promille – als verwertbar akzeptiert. Ob jemand vernehmungsfähig ist, hängt also stark vom Einzelfall ab.
Im konkreten Fall konnte nicht festgestellt werden, wie stark alkoholisiert der Beschuldigte war. Die Ermittler hatten gemäss Protokoll den Eindruck, dass er bei Verstand war. Ausserdem trinke man in der Regel nicht mehrere Schnapskaffees, argumentierte das Bundesgericht. Gemeint ist offenbar, dass man sich normalerweise damit nicht betrinke. Wer also noch klar denken kann, muss für seine Worte geradestehen.
- Obergericht Solothurn: Urteil vom 26. September 2023
- Bundesgericht: Urteil vom 23. Oktober 2025





