Richter stoppt den bizarren Kleinkrieg zweier Geschwister
Weder Zaunpfosten noch Fundamente weichen: Nach drei Prozessen endet der Streit von Hans und Ursula so, wie er begonnen hat. Ohne Sieger.

Veröffentlicht am 28. November 2025 - 13:47 Uhr

Ein Streit um Zentimeter: Über den richtigen Standort von Zaun und Mauer entscheidet hier nicht mehr der gesunde Menschenverstand, sondern die Justiz.
Hans Meichtry und Ursula Pfister sind Geschwister. Doch im Gerichtssaal des Bezirksgerichts Zürich würdigen sie sich keines Blickes. Die Stimmung ist eisig. Es ist bereits der dritte Prozess, den die beiden gegeneinander führen. Was hier verhandelt wird, wirkt auf Aussenstehende banal: Es geht um wenige Zentimeter Boden entlang der Grenze ihrer beiden Grundstücke.
Hans Meichtry – alle Namen wurden geändert – verlangt als Kläger, dass der neue Zaun seiner Schwester entfernt wird. Die Pfosten stünden teilweise auf der Grenze zu seinem Land. Er habe dem nicht zugestimmt. Zum Beweis legt er eigene Vermessungen vor.
Die Gegenseite hält diese für unverwertbar, weil sie ohne Zeugen vorgenommen wurden. Ergo manipuliert sein könnten. Und überhaupt: Das Nachbargrundstück sei dafür unerlaubt betreten worden.
Zurückversetzte Grenzmauer wurde nicht gemeldet
Ursula Pfister holt zur Widerklage aus: Wenn ihr Zaun weichen muss, dann müssen es auch die Fundamente der Mauer ihres Bruders, die angeblich auf ihr Grundstück ragen. Sie beruft sich auf Treu und Glauben. Sie habe extra Abstand zu seiner Mauer gehalten, die im amtlichen Plan als Grenzmauer verzeichnet ist. Sie habe davon ausgehen dürfen, dass diese Mauer die Grenze markiert.
Hier offenbart sich das juristische Problem des Klägers. Hans Meichtry behauptet zwar, er habe seine Mauer damals bewusst etwas von der Grenze zurückversetzt gebaut. Er räumt jedoch ein, dies weder dem Bauamt gemeldet noch seiner Schwester mitgeteilt zu haben.
Die Kostenschätzungen für einen Rückbau gehen weit auseinander: Während die Schwester von 6000 Franken spricht, veranschlagt der Bruder bis zu 30’000 Franken. Belege für die ursprünglichen Baukosten kann er jedoch keine mehr vorlegen.
Die amtliche Vermessungskarte gilt
Der Einzelrichter zeigt wenig Verständnis für den Streit im Zentimeterbereich. Er stellt klar: Entscheidend ist die amtliche Vermessungskarte. Dort ist die Mauer von Hans Meichtry als Grenzmauer eingetragen. Da eine Rückversetzung nie gemeldet wurde, musste die Schwester davon ausgehen, dass die Mauer die Grenze bildet.
Zudem liefert die Topografie eine Rechtfertigung für die Überbauten der Mauer, gegen die sich die Schwester wehrt: Da die Grundstücke an einem leichten Abhang liegen, erfüllen die Stützelemente eine wichtige statische Funktion. Der Richter betont, dass diese baulichen Massnahmen gerechtfertigt seien, da sie den Hang sichern und somit beide Parteien schützen.
Teure Aussichten
Der Richter unternimmt einen letzten Schlichtungsversuch. Er lässt wenig Zweifel daran, was passieren wird, wenn keine Einigung zustande kommt: Er würde sowohl Klage als auch Widerklage abweisen. Ein Weiterzug ans Obergericht würde den Konflikt um Jahre verlängern und weitere Kosten verursachen.
Die Parteien einigen sich auf einen Vergleich: Ursula Pfister darf ihren Zaun stehen lassen, auch wenn theoretisch eine minimale Grenzüberschreitung vorliegen könnte. Hans Meichtry darf seine Mauer im jetzigen Zustand belassen. Beide ziehen ihre Klagen zurück.
Juristisch ist der Fall erledigt. Zaun und Mauer bleiben stehen – die unsichtbare Mauer zwischen den Geschwistern wohl auch.
- Teilnahme an Zivilprozess am Bezirksgericht Zürich




