Ein tonnenschweres Lastwagen-Chassis, das, an Stoffgurten befestigt, hoch über einem Firmengelände in Cressier schwebt. Eine scharfe Stahlkante, die sich stetig an den Gurtenfasern reibt, bis diese schliesslich reissen. Zwei Tonnen Metall, die daraufhin zu Boden donnern. Und unter sich einen Arbeiter begraben, der noch auf der Unfallstelle stirbt.

Niemand soll schuld sein an dieser Tragödie. So sah es zumindest der Polizeirichter, der den fatalen Arbeitsunfall im Herbst 2018 als erste Instanz beurteilte. Er sprach den Sicherheitsbeauftragten und den Geschäftsführer der Freiburger Firma vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. 

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Die Mitarbeiter wurden nicht geschult

Das Bundesgericht kippt nun diese Freisprüche, wie dies zuvor schon das Freiburger Kantonsgericht getan hatte. Beide Gerichte stellen fest, dass im Betrieb der Beschuldigten das Prinzip Learning by Doing geherrscht habe und die Arbeiter «on the job» instruiert worden seien.

Unter anderem gab es keine Schulungen, wie man mit solch schweren Lasten umgehen und welche Hebebänder oder Rundschlingen man verwenden muss. Es wurde auch nicht kontrolliert, ob die Belegschaft Sicherheitsanweisungen befolgte. Zudem entsprach das Arbeitsmaterial teilweise nicht den Vorschriften.

Arbeitgeber sind für Sicherheit verantwortlich

Für den Beobachter-Rechtsexperten Thomas Oechsle höchst problematisch. Arbeitgeberinnen hätten eine Fürsorgepflicht. Sie müssten alles unternehmen, um das Leben und die Gesundheit der Arbeitnehmenden zu schützen. «Die Arbeitgeberin muss darum die Sicherheitsvorschriften durchsetzen und auch kontrollieren, ob die Belegschaft diese einhält.» Schulungen sowie das Aushändigen von Merkblättern und sicherem Arbeitsmaterial seien ein Must. 

«Wer sieht, dass die Sicherheitsstandards nicht eingehalten werden oder dass es zu prekären Situationen kommt, sollte das unbedingt den Vorgesetzten melden – am besten auch schriftlich.» 

Kantons- und Bundesgericht kippen die Freisprüche

Die Beschuldigten machten geltend, dass der Tod des Arbeiters nicht hätte verhindert werden können. Sie gaben dem Getöteten auch eine Mitschuld: Er habe die scharfe Kante nicht bemerkt und sich wider besseres Wissen und ohne Schutzausrüstung in den Gefahrenbereich unter dem Chassis begeben. 

Dafür hatte das Bundesgericht allerdings kein Gehör. Der konkrete Arbeitsunfall sei «aufgrund des fehlenden und nicht durchgesetzten Sicherheitsstandards und des alltäglichen Verhaltens der Mitarbeitenden früher oder später zu erwarten gewesen», heisst es im Urteil. 

Der Sicherheitsbeauftragte und der Geschäftsführer kassierten schliesslich bedingte Geldstrafen von 180 Tagessätzen zu je 410 beziehungsweise 170 Franken.
 

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