Beobachter: Herr Pascolo, an was forschen Sie genau?
Steve Pascolo: Ich arbeite an einem mRNA-Impfstoff gegen das Corona-Virus. Ein solcher Impfstoff aus Erbsubstanz ist sehr robust, gut in grossen Mengen zu erstellen und einfach zu lagern. Andere Ansätze, die derzeit mit Eiweissen oder Peptiden, also Aminosäuren, arbeiten, sind dagegen schwer und nicht sicher in grossen Mengen herzustellen. Die Entwicklung dauert viel länger und die Impfstoffe sind nicht immer leicht zu lagern. mRNA kann man dagegen bei Raumtemperatur aufbewahren.


Bis wann könnten Sie die ersten Menschen impfen?
Mein Team und ich können in der Schweiz leider keine Menschen impfen, da wir nicht die Kapazitäten haben, um den mRNA-Impfstoff in pharmazeutischer Qualität zu produzieren. Ich möchte den Behörden mit meiner Forschung aber zeigen, dass es in der Schweiz grundsätzlich möglich wäre, Impfstoffe gegen neuartige Viren in sehr kurzer Zeit herzustellen. Wir brauchen dafür aber die Produktionskapazitäten. Die Schweiz braucht eine eigene staatliche Impfstoff-Fabrik – auch für künftige Pandemien Pandemie Die Gefahr, die nicht interessierte


Wie haben die Behörden auf ihre Forderung reagiert?
Bislang habe ich wenig Gehör erhalten. Ich hoffe aber, dass sich das mit dieser Krise ändert. Ich kämpfe schon lange für eine Produktionsstätte mit Reinraum, Lüftungsanlagen, Schleusen. Das sind Voraussetzungen für die Herstellung von mRNA-Impfstoffen. Eine solche Anlage würde ein paar Millionen Franken kosten. Es dauert natürlich, bis sie gebaut ist. Wir müssen das also für die nächste Krise planen. Die Schweiz hatte in der Vergangenheit mit Berna Biotech eigene Produktionskapazitäten für Impfstoffe, die Firma gibt es aber nicht mehr. Mit einer eigenen Produktionsstätten könnten wir innerhalb eines Monats mRNA-Impfstoffe herstellen und die eigenen Bewohner bei Pandemien künftig schnell schützen. 


Es forschen derzeit etwa 40 Firmen an einem Impfstoff. Kann die Schweiz da überhaupt mithalten?
mRNA-Impfstoffe lassen sich wie gesagt sehr schnell entwickeln. Und wir forschen ja an solchen Impfstoffen. Aber nur die grossen Pharmaunternehmen dürften Kapazitäten haben, um sie auch zu produzieren. Das sind private Unternehmen, welche viele Produkte im Ausland produzieren. So sind wir komplett vom Ausland abhängig. Bis wir Impfstoffe gegen Covid-19 Covid-19 Was Sie über das Coronavirus wissen müssen erhalten, könnte es dauern. 


Welche Ansätze bei Impfungen gegen das Corona-Virus halten Sie für vielversprechend?
Die Firmen CureVac in Tübingen, BioNTech in Mainz oder ModerRNA in den USA forschen ebenfalls an vielversprechenden mRNA-Impfstoffen. ModeRNA hat bereits ersten Menschen einen mRNA-Impfstoff gegen das Corona-Virus verabreicht.


Deren Impfstoffe würden wir in der Schweiz aber wohl auch erhalten?
Ja, aber die Firmen werden zunächst wahrscheinlich klinische Studien in Deutschland und den USA durchführen und dann die Märkte ihrer Wahl versorgen. Deutschland hat 80 Millionen Einwohner, die EU 500 Millionen Einwohnern – bis die Schweiz dran ist, könnte es dauern.


Sie haben die Firma CureVac mitgegründet - wieso sind Sie nicht mehr dabei? 
Forschung ist meine Leidenschaft und mir war von Anfang an klar, dass ich nicht bei CureVac bleibe. Ich musste mich damals zunehmend um Administratives kümmern, um Patente Patente & Co. Wann ist eine Idee wirklich «meine Idee»? , Reporting. Ich wollte zurück ins Labor, darum bin ich ans Unispital Zürich gekommen. 


Sind Sie noch an CureVac beteiligt? Das wäre wohl sehr lukrativ. 
Nein, bin ich nicht. 


CureVac hat angekündigt, im Herbst Zehntausende Menschen mit Impfstoffen versorgen zu können. Halten Sie das für realistisch?
Die Entwicklung des mRNA-Impfstoffes dauert wie gesagt nur einen Monat. Aber bis alle Phasen der klinischen Studien durchlaufen sind und der Impfstoff auf den Markt kommen kann, dauert es meistens Jahre. Darum bezweifle ich, dass der Impfstoff noch dieses Jahr auf den Markt kommt. In der aktuellen Krise Arbeit, Reisen, Events & Co. Rechtliche Fragen zum Coronavirus mit einer Blitz-Review von den Behörden könnten wir bestenfalls auf eine Zulassung 2021 hoffen. Zehntausende, die den Impfstoff vorher erhalten, sind Teil der klinischen Studie. Das Gute bei Impfstoffen ist, dass man innerhalb von vier Wochen sieht, ob er klappt oder nicht, indem man die Antikörper misst.


Wie viele Menschen können diese Firmen mit Impfstoffen versorgen?
CureVac hat grosse Kapazitäten in Tübingen, um mRNA-Impfstoffe herzustellen, Millionen Dosen. Aber ob das genug ist, um den gesamten europäischen Markt zu versorgen, ist fraglich.


Bis der Impfstoff da ist, wird zur Überbrückung mit verschiedenen Therapien experimentiert. Aktuell ist das Malaria-Mittel Hydroxychloroquin hoch im Kurs. Halten Sie dies für effektiv?
Chloroquin ist vielversprechend. Ich habe es in einer klinischen Studie als Medikament gegen Krebs studiert. Wir haben im Labor auch gezeigt, dass man mRNA und Chloroquin kombinieren kann. Hydroxychloroquin ist sehr billig, sicher und hat relativ wenig Nebenwirkungen. Eine kleine Anzahl Patienten hat es in Frankreich bereits bekommen, auch Ärzte, die mit dem Virus infiziert sind. Man braucht aber auch hier klinische Studien. Daran arbeiten die USA derzeit und wir werden innerhalb von zwei Wochen wissen, ob es wirkt. 


Könnte man es dann auch in der Schweiz breit anwenden?

Wenn es funktioniert, ja. Das Gute ist, wir haben Vorräte Coronavirus Werden nun die Medikamente knapp? in Spitälern und Apotheken. Hersteller wie Novartis, Sanofi und andere pharmazeutische Firmen können es zudem schnell produzieren und haben schon angefangen, diese Produktion zu beschleunigen. 


Wie wird sich die Pandemie weiterentwickeln?
Ich hoffe, dass Hydroxychloroquin funktioniert, dann wären wir ziemlich schnell raus aus der Krise. Der Impfstoff könnte danach eine zweite Welle der Coronavirus-Pandemie verhindern.
 

mRNA / mRNA-Technologie: Was heisst das?

mRNA: Messenger RNA, oder Boten-RNA, kann für Impfstoffe oder Gentherapien für eine Reihe von Krankheiten eingesetzt werden: Viren, Krebs, Malaria, autoimmune, degenerative und genetische Krankheiten. 

Die mRNA-Technologie gilt als sehr sicher im Vergleich zu anderen Impfstoffen. Es werden nicht wie bei üblichen Impfstoffen Bestandteile des Erregers gespritzt, sondern kopierte Teile des Gencodes. Diese kopierten Teile, die mRNA, kodieren ein Eiweiss (das Antigen bei einer Impfung), das vom Körper hergestellt wird und zu einer schützenden Immunantwort Abwehrkräfte Was stärkt unser Immunsystem? des Geimpften führt. Die mRNA wird danach völlig zerstört. Die Produktion dauert im Labor laut Pascolo etwa zwei bis drei Tage. Eine pharmazeutische Herstellung, inklusive Release Testing und Qualitätskontrollen dauert etwa einen Monat.

Zur Person

Steve Pascolo

Steve Pascolo forscht am Unispital Zürich an einem Impfstoff gegen Covid-19. Er ist Mitgründer von CureVac, die in Tübingen an einem Impfstoff forschen. 

Quelle: ZVG
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Jasmine Helbling, Redaktorin
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