Immer mehr Kinder und Jugendliche hängen an E-Zigaretten oder schieben sich nikotinhaltige Snus-Päckchen unter die Oberlippe. Das zeigt eine aktuelle Studie von Sucht Schweiz. Die Untersuchung unter Schülerinnen und Schülern hat ergeben, dass mittlerweile rund ein Viertel aller 15-Jährigen in der Schweiz E-Zigaretten – sogenannte Vapes – konsumiert. Seit der letzten Untersuchung 2018 ist der Anteil bei den Knaben von rund 20 auf 25 Prozent gestiegen. Bei den Mädchen hat er sich praktisch verdoppelt, von knapp 13 auf 25 Prozent. 

Auch Snus wird unter Minderjährigen immer beliebter. 2018 gaben noch 6 Prozent der Knaben an, in den 30 Tagen vor der Befragung mindestens einmal eine Portion des Oraltabaks konsumiert zu haben. 2022 waren es bereits knapp 13 Prozent. Bei den Mädchen hat sich der Anteil der Snus-Nutzerinnen mehr als vervierfacht: Er stieg von 1,3 Prozent innerhalb von vier Jahren auf 5,6 Prozent. 

Für Eltern ist der Umgang mit vapenden Kindern eine Herausforderung. Die Präventionsexpertin Katharina Jost von der Stiftung Berner Gesundheit gibt Tipps.

Haben die von Sucht Schweiz publizierten Zahlen Sie überrascht?
Nein. Ich habe kürzlich an zwei Elternabenden und an einer Lehrerweiterbildung zum Thema Tabakprodukte teilgenommen. Und bei allen Veranstaltungen wurde mir bestätigt, dass E-Zigaretten bei Schülerinnen und Schülern total im Trend liegen. Gerade im letzten Jahr beobachteten Lehrpersonen und Eltern eine enorme Zunahme. Lehrpersonen berichteten, zum Teil werde sogar während des Unterrichts probiert, unauffällig einen Zug zu nehmen.


Haben Sie eine Erklärung für dieses gestiegene Interesse?
Ich vermute, dass vor allem die sozialen Medien eine wichtige Rolle spielen. E-Zigaretten und Einweg-Geräte wie die sogenannten Puff Bars werden auf Tiktok und Instagram intensiv durch Influencerinnen und Influencer beworben. Diese Beiträge sind voll auf Jugendliche ausgerichtet. Aber auch die Farben und die Geschmacksrichtungen der Vapes an sich sind so gewählt, dass sie Jugendliche ansprechen. Als Teenager ist man fast gezwungen, zu vapen, wenn man dazugehören will.

Zur Person

Katharina Jost ist Fachmitarbeiterin Gesundheitsförderung und Prävention bei der Stiftung Berner Gesundheit. Die Stiftung bietet massgeschneiderte Dienstleistungen in Gesundheitsförderung, Prävention, Sexualpädagogik, Suchtberatung und -therapie im Auftrag des Kantons Bern an.
Gratis-Telefonnummer 0800 070 070
www.bernergesundheit.ch

Eltern fühlen sich oft hilflos, wenn Kinder anfangen zu rauchen oder E-Zigaretten zu konsumieren. Wie sollen sie sich verhalten?
Man muss unbedingt das Gespräch mit dem Kind suchen und sich interessieren, woher die Faszination dafür kommt und wer im Freundeskreis solche Produkte konsumiert. Wichtig ist auch, dass man Kinder gut über die Risiken aufklärt, also, dass eine Suchtgefahr besteht. Das wird in den sozialen Medien und in der Werbung für Vapes total verharmlost. Dabei kennt man die Langzeitwirkung der Inhaltsstoffe dieser Produkte nicht, weil es noch keine entsprechenden Studien gibt.


Wie deutlich sollen Eltern werden?
Sie sollen ganz klar sagen, dass sie nicht einverstanden sind. Man weiss aus Umfragen von Sucht Schweiz, dass Jugendliche weniger konsumieren, wenn die Eltern über den Konsum Bescheid wissen und sich kritisch dazu äussern. Wenn es unmöglich scheint, dass ein Kind auf E-Zigaretten verzichtet, dann sollte man Abmachungen treffen: Wann konsumiert werden darf und wo. Zudem sollte man verlangen, dass das Kind zumindest eine nikotinfreie Variante wählt. Und schliesslich gibt es noch die Möglichkeit, sich bei einer Suchtberatungsstelle unentgeltlich beraten zu lassen.

«Als Teenager ist man fast gezwungen, zu vapen, wenn man dazugehören will.»

Katharina Jost

Die ganz autoritäre Masche wäre doch, zu sagen: «Solange du in meinem Haushalt wohnst, wird nicht geraucht oder gedampft.» Bringt das etwas?
(Lacht) Ich würde es etwas zurückhaltender formulieren, aber ich glaube, dass das etwas bringt. Die gemeinsame Erarbeitung von Regeln finde ich wichtig, gerade wenn man unterschiedlicher Meinung ist. Auch wenn man annehmen muss, dass diese Regeln ab und zu verletzt werden. Aber man sollte auch zusammen schauen, dass das Kind die Regeln akzeptieren kann und welche Sanktionen man ergreift, wenn sie verletzt werden. Und dann muss man konsequent handeln.


Ich halte dem entgegen: Dann raucht oder vapt das Kind halt einfach ausserhalb des Elternhauses. Denn was Freundinnen und Gleichaltrige sagen, ist auf alle Fälle stärker und interessanter als die Meinung der Eltern. 
Das ist so. Die Pubertät ist nun mal das Alter, in dem man sich von den Eltern löst und die Peergroup eine wichtige Rolle bekommt. Als Eltern muss man das ein Stück weit akzeptieren. Aber man sollte bei seiner Haltung bleiben und diese auch kommunizieren.
 

Anders gesagt: Gegen die Peergroup kommen Eltern nicht an.
Vermutlich nicht. Aber wenn man im Gespräch bleibt, kann man auch nachfragen oder das Kind unterstützen. Etwa wenn dieses eigentlich gar nicht konsumieren, aber trotzdem zu einer Gruppe dazugehören möchte. Man kann sicher einen guten Boden legen, wenn man ein Kind zu Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein erzieht.
 

Aus Sicht der Suchtprävention: Was kann man machen, um den Trend zu Suchtmitteln wie Vapes und Snus zu brechen?
Es braucht sicher Aufklärung, dass diese Produkte nicht harmlos sind und süchtig machen können. Dann sollte man Jugendlichen auch zeigen, wie sie von der Werbung manipuliert werden. Besonders wichtig ist für mich, dass E-Zigaretten dem Tabakproduktegesetz unterstellt werden. Im Moment dürfen diese immer noch an Minderjährige abgegeben werden, weil sie bis zum Inkrafttreten des Tabakproduktegesetzes noch dem Lebensmittelgesetz unterstellt sind. Und dort gibt es keine Altersbeschränkungen.
 

Sucht Schweiz hat bei der Vorstellung der Studie ein striktes Werbeverbot gefordert, wie es ja in der Volksinitiative «Kinder ohne Tabak» angenommen wurde. Wird das Ihrer Meinung nach etwas bringen?
Gerade auf sozialen Medien gibt es sehr viele Möglichkeiten, ein Werbeverbot zu umgehen. Aber wenn es konsequent umgesetzt wird, kann ein Verbot sicher etwas bringen.