Nora Rothen* trennte sich von ihrem Mann. Für die Scheidung nahm sie sich einen Anwalt. Weil er sie aber mehr schlecht als recht vertreten hatte, hielt Rothen einen Teil der Schlussrechnung zurück.

Der Anwalt forderte Rothen schriftlich auf, den ausstehenden Betrag zu bezahlen oder ihn vom Anwaltsgeheimnis zu entbinden, damit er seine Forderung auf dem Betreibungs- oder Gerichtsweg durchsetzen könne. Beigelegt hatte er eine vorformulierte Entbindungserklärung. Wenn sie sie nicht unterzeichne, kämen zusätzliche Kosten auf sie zu. Was nun?

Es geht ums Vertrauen

Schweigepflichten sollen das besondere Vertrauen schützen, das man einer bestimmten Berufsgruppe oder einer Behörde entgegenbringt. Wer trotzdem ein Geheimnis ausplaudert, dem droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Straflos bleibt, wer sich von der Schweigepflicht hat entbinden lassen – durch den Betroffenen oder durch eine vorgesetzte Instanz respektive die Aufsichtsbehörde.

Ein Berufsgeheimnis gilt aber nicht absolut. Es kann auch ohne Einverständnis des Betroffenen offenbart werden, wenn ein sogenannter Rechtfertigungsgrund vorliegt. Das ist immer der Fall, wenn damit «berechtigte Interessen» gewahrt werden. Etwa im Bereich des Jugendschutzes, wenn ein Arzt das Wohl eines Kindes gefährdet sieht.

Das Anwaltsgeheimnis

Geschützt sind alle Informationen, die ein Klient dem Anwalt anvertraut. Sogar, dass überhaupt ein Mandatsverhältnis besteht. Wenn das Anwaltsgeheimnis verletzt wird, sucht man am besten das Gespräch mit dem Anwalt. Daneben kann man ein Disziplinarverfahren beim kantonalen Anwaltsverband einleiten oder Anzeige erstatten.

Bevor ein Anwalt gegen einen aktuellen oder einen Ex-Klienten vorgehen kann, muss er sich in der Regel vom Berufsgeheimnis entbinden lassen, da es auch gegenüber Betreibungsämtern und Gerichten gilt. Wenn der Klient nicht zustimmt, muss sich der Anwalt von der kantonalen Aufsichtsbehörde entbinden lassen. Diesem Gesuch kommt die Behörde meist nach. Das Interesse des Klienten an der Geheimhaltung wird fast nie höher gewichtet als jenes des Anwalts an der Durchsetzung seiner Forderung.

Die Kosten des Verfahrens – bis 500 Franken – kann der Anwalt vom Klienten verlangen. Daher ist es meist ratsam, seinem Entbindungsgesuch nachzukommen – umso mehr, als man damit die Forderung ja nicht anerkennt. Das wird erst in einem allfälligen Gerichtsverfahren geklärt.

Das Arztgeheimnis

Geschützt sind alle Informationen über den Gesundheitszustand eines Patienten. An das Arztgeheimnis gebunden sind neben Ärzten auch Zahnärzte, Apotheker, Chiropraktoren, Hebammen, Pflegende, Physiotherapeuten, Psychiaterinnen und Psychologen. Bei einer Geheimnisverletzung sucht man am besten das Gespräch mit der Gegenseite. Man kann aber auch Anzeige erstatten oder – bei Ärzten – an die Ombudsstellen der kantonalen Ärztegesellschaften gelangen.

Ähnlich bei Versicherungen

Ronald Grob* wunderte sich über die Vollmacht, die er zugunsten seiner Krankentaggeldversicherung unterschreiben sollte. Zwei Monate zuvor hatte er ein Schleudertrauma erlitten und war seither arbeitsunfähig. Die Arztzeugnisse stellte er dem Arbeitgeber laufend zu. Und jetzt wollte die Versicherung bei beliebigen Dritten Infos über seinen Gesundheitszustand einholen. Grob fühlte sich schikaniert. Ihm ging die Vollmacht zu weit.

Versicherte müssen der Krankentaggeldversicherung (wie auch der Invalidenversicherung oder der PK) alle erforderlichen Infos liefern, damit diese ihre Leistungspflicht überprüfen kann. Dazu gehört, den behandelnden Arzt mit einer Vollmacht vom Arztgeheimnis zu entbinden.

Das Amtsgeheimnis

Geschützt sind alle Informationen, die ein Bürger einer Behörde oder Verwaltung preisgibt. Das Amtsgeheimnis gilt auch gegenüber anderen Behörden, die nicht unmittelbar in den Fall involviert sind.

Wird das Amtsgeheimnis verletzt, informiert man am besten das vorgesetzte Amt oder die zuständige Aufsichtsbehörde. Daneben kann man sich – sofern vorhanden – an eine kommunale oder kantonale Ombudsstelle wenden oder Anzeige erstatten.

Dabei bleibt es aber fast nie. Denn oft stellen die Versicherungen den Versicherten sehr umfassende Standardvollmachten zu. Wem diese zu weit gehen, der fragt am besten direkt bei der Versicherung nach, welche Vollmacht sie für welchen Zweck braucht – und spricht mit ihr ab, wie sich die Vollmacht gezielt auf das Notwendige beschränken lässt. Man kann auch für jeden Arzt eine Einzelvollmacht ausstellen.

Aber Achtung: Man sollte auf jeden Fall mit der Versicherung kooperieren. Sonst riskiert man, dass sie nicht mehr zahlt – mit der Begründung, sie könne sich kein vollständiges Bild machen.

*Name geändert

Das Postgeheimnis

Mitarbeitende der Post sowie von privaten Postdienstleistern und Telekommunikationsfirmen müssen den Inhalt von Briefen, Postkarten, Telefonaten et cetera geheim halten. Sie dürfen das Postgeheimnis ausnahmsweise verletzen, wenn sie den Adressaten anders nicht ausfindig machen können. Bei einer Verletzung sucht man das Gespräch mit der Gegenseite. Und man kann sich an die Schlichtungsstelle Telekommunikation (Ombudscom) wenden oder Anzeige erstatten.

Das Beichtgeheimnis

Geschützt sind alle Informationen, die man einem Geistlichen im Beichtgespräch anvertraut. Als Geistliche gelten die Priester aller Weltreligionen. Das Beichtgeheimnis ist besonders streng. Nach Kirchenrecht kann es nicht aufgehoben werden. Ein katholischer Priester, der das Beichtgeheimnis verletzt, wird exkommuniziert.