Im Kampf gegen Zucker verschärft die EU-Kommission ihren Kurs. Die freiwilligen Massnahmen der Industrie zur Reduktion des Zuckers genügen ihr offenbar nicht mehr. Ende April hat die Kommission angekündigt, bei Konfitüren eine härtere Gangart einzulegen.

Neu sollen überzuckerte Konfitüren verboten werden. Konfitüre darf sich ein Produkt dann nur noch nennen, wenn es zu maximal 55 Prozent aus Zucker besteht. Nach den aktuell gültigen Vorschriften liegt der maximal erlaubte Zuckergehalt 10 Prozentpunkte höher. Eine Konfi darf heute zu 65 Prozent aus Zucker bestehen – und bloss zu 35 Prozent aus Früchten.

Wer selber Konfis macht, weiss: Eigentlich ist sie ein 50-50-Produkt. Die Hälfte Früchte, die Hälfte Zucker. Den Zucker braucht es, damit die Sache lange haltbar bleibt. Doch Zucker ist billiger als Früchte. Wenn ein Hersteller mehr Zucker und weniger Früchte verwendet, kann er in der Regel günstigere Produkte anbieten. Der EU-Kommission gefällt das aber nicht. Sie schreibt: «Durch die generelle Anhebung des Fruchtgehalts bekämen die Verbraucher künftig Erzeugnisse mit weniger freien Zuckern und mehr Früchten.»

Das Problem der Zucker-Konfis betrifft auch die Schweiz. Hier verlangen die Detailhändler Aldi, Lidl, Coop und Migros pro Kilo Konfitüre zwischen Fr. 2.90 (Coop, Prix Garantie Confiture Erdbeere) und Fr. 29.55 (Coop, Jucker Farm Heidelbeer). Das zeigt eine Stichprobe des Beobachters bei 42 Konfitüren. 

Billige Zuckerbomben bei Aldi und Lidl

Drei der günstigsten Konfitüren sind eigentliche Zuckerbomben. Die Maribel-Konfitüren von Lidl (pro 450-Gramm-Glas zwischen Fr. 1.30 und 1.59) und die Grandessa-Konfitüre Erdbeere von Aldi (pro 450-Gramm-Glas Fr. 1.59) haben nur 35 Prozent Fruchtanteil. Sie sollen nach dem Vorschlag der EU-Kommission künftig nicht mehr als Konfitüre bezeichnet werden dürfen. 

Auch im höheren Preissegment gibt es eine Zuckerbombe. Bei Coop hat die Fine Food Seville Orange Fine Cut einen Fruchtanteil von 40 Prozent. Kostenpunkt: Fr. 14.55 pro Kilo.

Viel Frucht bei M-Budget und Prix Garantie

Die grosse Mehrheit der Konfitüren hat aber einen genügend hohen Fruchtanteil. Besonders erfreulich: Bei Coop und Migros sind die Produkte der Tiefpreislinien Prix Garantie und M-Budget nicht nur günstig, sondern auch fruchtig. Coop verlangt für seine Erdbeer-Prix-Garantie-Konfi nur Fr. 1.30 pro 450-Gramm-Glas. Das ist der tiefste Preis innerhalb der Beobachter-Stichprobe. Bei der Migros kosten die M-Budget-Konfis mit Fr. 1.60 pro 450-Gramm-Glas fast so wenig wie bei Aldi und Lidl – haben aber 10 Prozent mehr Früchte drin. Die M-Budget-Konfis werden zudem in der Schweiz hergestellt.

Die Migros schreibt dazu: «Obwohl es sehr herausfordernd ist, Konfitüren auf diesem Preisniveau in der Schweiz herzustellen, schaffen wir es, unsere M-Budget-Konfitüren mit jeweils 45 Gramm Frucht pro 100 Gramm herzustellen.» Coop betont, dass das Zuckerkonfiverbot erst ein Vorschlag sei innerhalb der EU. «Sollten sich künftig die gesetzlichen Vorgaben in der Schweiz ändern, werden wir unser Sortiment dahingehend prüfen und entsprechende Massnahmen einleiten.»

Detailhändler warten ab

Aldi schreibt: «Eine allfällige neue EU-Regelung beträfe uns nur dann direkt, wenn auch die Schweiz diese übernähme. Sollte dieser Fall eintreten, werden wir bei den betroffenen Artikeln mögliche Optionen zur Produktanpassung prüfen.» Lidl sagt, es sei so oder so das Ziel, den Zuckergehalt der betreffenden Konfitüren um 20 Prozent zu reduzieren. Das geschehe freiwillig auf der Basis einer Erklärung zur Zuckerreduktion (Erklärung von Mailand), die verschiedene Firmen aus der Lebensmittelbranche unterzeichnet haben – auf Initiative des Departements des Innern in Bern. Dieser Plan sieht freiwillige Zuckerreduktionen in den nächsten Jahren vor.

Die EU-Kommission will lieber das Gesetz ändern. Doch auch das dauert. Die Vorschläge zum Verbot von Zucker-Konfitüren müssen nun das ordentliche Gesetzgebungsverfahren des EU-Parlaments durchlaufen. Erst wenn dieses und die Regierungsminister der EU-Länder zustimmen, tritt das Zucker-Konfitüren-Verbot in Kraft. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Schweiz es danach in ihr Lebensmittelrecht übernimmt, ist sehr gross. Denn in diesem Bereich praktiziert Bern den sogenannten autonomen Nachvollzug von EU-Recht.