Übersicht: Das gilt bei Zugverspätungen

In diesen Fällen gibt es Geld zurück:

Hier gibt es kein Geld zurück:

Das müssen Sie tun:

Man steht nach einem langen Arbeitstag auf dem Perron, will möglichst schnell nach Hause. Der Zug hätte vor fünf Minuten abfahren sollen. Die Anzeige wechselt auf «verspätet», dann auf «Ausfall». Und schon ist die Feierabendlaune komplett im Eimer.

Dabei sind wir in der Schweiz eigentlich sehr verwöhnt. Gemäss SBB kamen letztes Jahr 92,5 Prozent der Züge mit weniger als drei Minuten Verspätung an. Die Deutsche Bahn etwa schafft das nie: Nur 63,6 Prozent der Züge waren weniger als fünf Minuten verspätet.

Wie in Deutschland gibt es bei uns seit 2021 klar festgelegte Entschädigungen bei Verspätung oder Ausfall. Grundlage ist eine Bestimmung im Personenbeförderungsgesetz, die für alle öffentlichen Verkehrsmittel gilt. Bisher wurden 370'000 Franken ausbezahlt.

«Die Entschädigungssumme ist sehr niedrig», sagt Thomas Ammann von der ÖV-Branchenorganisation Alliance Swisspass. Auch die Ombudsstelle des öffentlichen Verkehrs und die Durchsetzungsstelle für Passagierrechte beim Bundesamt für Verkehr erhalten sehr wenig Beschwerden.

Das ist vielleicht auch so, weil viele Bahnreisende nicht wissen, welche Rechte sie haben:

Eine Stunde zu spät

Wer mehr als 60 Minuten zu spät ankommt, erhält 25 Prozent des Billettpreises erstattet. Mit einem Abonnement bekommt man den Tagespreis zurück – also den Abo-Preis geteilt durch die Anzahl Tage der Gültigkeit. Über die gesamte Gültigkeitsdauer werden maximal zehn Prozent des Abo-Werts entschädigt. Von Entschädigungen ausgeschlossen sind Kinder-Mitfahrkarten, Junior-Karten, Bahnangestellten-Abos und Halbtax-Abos.

Zwei Stunden zu spät

Wer mehr als zwei Stunden schmoren muss, kann die Hälfte des Billettpreises zurückverlangen. Das gilt auch bei höherer Gewalt – wenn etwa Steinschlag die Verspätung auslöst und die Bahn rein gar nichts dafürkann.

Den Flug verpasst

Die Bahn muss dafür sorgen, dass Passagiere noch am selben Tag am Ziel ankommen. Das Gesetz schreibt aber keinen Schadenersatz vor für verpasste Flüge, bei Prüfungen und Ähnlichem. Wenn man den Zielort wegen Verspätung nicht mehr am selben Tag erreicht, müssen SBB und Co. eine Übernachtung inklusive Frühstück und den Transport zwischen Bahnhof und Hotel bezahlen. Ein Luxushotel liegt aber nicht drin – der Höchstbetrag für die Übernachtung liegt bei 200 Franken. Wenn höhere Gewalt schuld an der Verspätung war, muss das Bahnunternehmen hier gar nichts zahlen.

Das Konzert verpasst

Wenn die Reise sinnlos wird, kann man den ganzen Billettpreis zurückverlangen. Etwa wenn Coldplay das einzige Konzert in der Schweiz schon über die Bühne gebracht hat. Das gilt auch, wenn man bereits unterwegs war. Man darf in den nächstmöglichen Zug zurück steigen, braucht dafür nichts zu zahlen und bekommt auch noch den Billettpreis für die Hinfahrt erstattet. Man sollte sich vom Bahnpersonal schriftlich bestätigen lassen, dass der Zug ausgefallen oder verspätet ist und bei der Billettkontrolle diese Bestätigung und das Konzertticket vorweisen. Wer trotzdem eine Busse bekommt, beschwert sich beim Kundendienst oder beim Servicecenter Einnahmen der SBB.

Eine Stunde zu spät in Paris

Auch bei Reisen innerhalb Europas bekommt man ab einer Stunde Verspätung 25 Prozent des Billettpreises zurück. Wer mit dem TGV fährt, bekommt den Betrag bereits ab einer halben Stunde. Ab zwei Stunden gibts die Hälfte zurück, und drei Viertel werden erstattet, wenn man mehr als drei Stunden warten muss.

Was, wenn internationale Verbindungen bestreikt werden?

Im nahen Ausland kommt es immer wieder zu Streiks. Auch hier werden die Passagiere entschädigt, wenn der Zug sich verspätet. Grundsätzlich muss das Bahnunternehmen auch eine Unterkunft bezahlen, wenn man wegen des Streiks sein Ziel nicht mehr erreicht. Wenn man das Ticket in der Schweiz gekauft hat und ins Ausland fährt, gelten die gleichen Regeln. Auch wenn man das Ticket bei der Deutschen Bahn, bei der OEBB oder bei SNCF kauft: Die Entschädigungshöhe ist in der EU gleich wie in der Schweiz geregelt. Es kann aber Ausnahmen geben, zum Beispiel im Nahverkehr. Bei Fragen wendet man sich am besten an dasjenige Bahnunternehmen, bei dem man das Billett gelöst hat. 

Entschädigung aus Zugverspätung anfordern

Man muss die Entschädigung immer beim Transportunternehmen beantragen, bei dem man das Ticket gebucht hat. Für SBB, BLS und ZVV gibts dafür ein Online-Formular, das auch für internationale Reisen verwendet werden kann. Im SBB-Reisezentrum am Bahnhof erhält man kein Geld zurück. Wer den letzten Anschluss verpasst hat, wendet sich am besten direkt ans Personal im Zug oder am Bahnhof. Es kann dabei helfen, ein Taxi und ein Hotel zu finden, und allenfalls einen Gutschein abgeben, den man gleich einlösen kann. Ohne entsprechenden Gutschein muss man alle Quittungen aufbewahren und die Entschädigung innerhalb von 30 Tagen beantragen. Das Geld sollte spätestens nach 30 Tagen auf dem Konto sein.

Kontaktstellen bei Streit um Entschädigung

Am besten reklamiert man direkt beim Kundendienst der SBB. Wer mit dem Entscheid nicht einverstanden ist, kann den Fall kostenlos von der Durchsetzungsstelle Passagierrechte beim Bundesamt für Verkehr oder von der Ombudsstelle ÖV prüfen lassen.

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Julia Gubler, Redaktorin
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