Selbst wenn Orangen nach Chemie riechen: Sie sind gesundheitlich unbedenklich, so das Fazit einer Studie der ETH Zürich. Die meisten Pestizide hätten sich längst abgebaut, wenn die Orangen in den Verkauf gelangten. Auch Orangenschalen könne man problemlos zum Kochen und Backen verwenden. «Die allermeisten Pestizide verfallen bei Temperaturen um die 200 Grad», sagt Ronnie Juraske, Leiter der Studie und Mitarbeiter am Institut für Umweltingenieurwissenschaften.

Der Grossteil der Orangen wird heute in der EU gemäss den Richtlinien der Integrierten Produktion (IP) produziert – unter strengen Kontrollen. Im Rahmen dieses Anbaus sind in Spanien noch 25 Pestizide erlaubt. Juraske hat den Lebenszyklus dieser Fungizide, Insektizide und Herbizide untersucht und festgestellt, dass die grösste Belastung nach der Ernte entsteht: Die Nachbehandlung der Früchte, das letzte «Bad», macht 95 Prozent der gesamten Belastung aus. Der Grossteil der Fungizide, die die Früchte vor Fäulnis bewahren sollen, bleibt auf und in den Schalen; in der Regel gelangen nur wenige Zehntelprozente ins Innere der Frucht. Das gesundheitliche Risiko für Konsumenten sei äusserst gering, sagt Juraske. In einer früheren Studie hatten er und weitere Forscher berechnet, dass Pestizide die durchschnittliche Lebenszeit nur minim – in der Schweiz um rund 3,2 Minuten – verkürzen.

Darüber, wie schädlich Pestizidrückstände für den Menschen sind, herrscht allerdings keine Einigkeit. Die EU hat im Rahmen eines Programms zur «Optimierung des Einsatzes von Pestiziden» bereits viele ältere, stark toxische Pestizide verboten. Von den rund 1000 Wirkstoffen, die vor 1993 auf dem Markt waren, wurden 67 Prozent ausgesondert. Die verbleibenden Wirkstoffe seien unbedenklich.

Umweltorganisationen hingegen sind der Meinung, dass immer noch schädliche Wirkstoffe auf dem Markt sind. Greenpeace Deutschland kommt im Bericht zur «Schwarzen Liste der Pestizide II» zum Schluss, dass «von den in der EU gegenwärtig eingesetzten Pestizidwirkstoffen 149 sehr gefährliche Eigenschaften und damit ein hohes Gefährdungspotenzial für Mensch und Umwelt aufweisen».

Diese Einschätzung teilt auch die Zürcher Nationalrätin Tiana Moser. Die Umweltökonomin reichte im September eine Interpellation ein, um die Transparenz über Pestizidrückstände in Lebensmitteln zu verbessern. «Lebensmittelrückstände müssen besser überwacht werden, etwa durch ein nationales Monitoring», fordert die Grünliberale. Der Bund erachtet die bisherige Praxis der Risikobewertung von Pestiziden jedoch als genügend. «Die heutige Regelung mit den festgelegten Höchstkonzentrationen gewährleistet nach heutigen Erkenntnissen die geforderte gesundheitliche Unbedenklichkeit», heisst es beim Bundesamt für Landwirtschaft.

Wer auf Nummer sicher gehen möchte, kauft Orangen aus Bio-Anbau. Sie belasten die Gesundheit um die Faktoren 1 bis 1000 weniger als Orangen aus IP-Produktion, wie Ronnie Juraske ermittelt hat. Ganz ohne Spritzmittel kommen allerdings auch die Bio-Orangenbauern nicht aus: Sie besprühen Bäume und Früchte mit einem Parafinöl, an dem die Schädlinge kleben bleiben. Massiv besser schneiden Bio-Orangen auch in Bezug auf die Ökologie ab: «Ein schlechter IP-Betrieb und ein Bio-Betrieb können sich in Bezug auf die Umweltverträglichkeit bis um den Faktor 10 Millionen unterscheiden», sagt Juraske. Die grösste Umweltbelastung, so der Forscher, stellen Insektizide dar: Sie schaden vor allem den Süsswasser-Lebensräumen, den Wasserflöhen, Krebsen und Fischen.


  • Das Verzeichnis der in der Schweiz zugelassenen Pflanzenschutzmittel («Grünes Buch») ist als Datenbank im Internet verfügbar: www.blw.admin.ch

  • Link zum Greenpeace-Bericht «Die schwarze Liste der Pestizide II» (Stand 2010): www.greenpeace.org

  • Datenbank der in der EU genehmigten Pestizide: http://ec.europa.eu