Nur mit vollzähligen und vollständigen Daten lässt sich mit ausreichender Zuverlässigkeit klären, ob beispielsweise Kernkraftwerke oder Industriekomplexe einen Einfluss auf das Krebsrisiko haben. Das schreibt der Bundesrat. Denn nur wer weiss, wo die Betroffenen wohnen, kann die Wirkung von Umweltfaktoren messen. Doch genau hier beginnt die helvetische Absurdität.

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Michel Huissoud
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Fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Krebserfassung veröffentlicht der Bund den ersten und bisher einzigen Krebsbericht. Die Kernmessage: Neue Krebsfälle werden vollständig erfasst, alle Kantone sind abgedeckt, die Daten in standardisierter Form erhoben. Und: Die harmonisierte, einheitliche Datenerfassung erfolge nach schweizweit geltenden Regeln.

Eine ziemlich selbstzufriedene Botschaft.

Onkologie-Fachleute sehen das nämlich ganz anders. In einer Stellungnahme vom Juni 2025 beklagt der Verband der Schweizer Spitäler H+ die Zersplitterung zwischen 13 kantonalen Registern. Diese Register verwenden unterschiedliche Software, arbeiten mit unklaren Begriffen und unzureichend definierten Datenfeldern. Moniert werden zudem eine uneinheitliche Kodierung, fehlende Standardisierung von Schnittstellen sowie Medienbrüche, die zu Mehrfachmeldungen führen.

Wegen Datenschutz werden Daten nicht weitergeleitet

Es kommt noch schlimmer. In Frankreich zeigten Krebserkrankungen von Kindern in den Weinbergen von Preignac 2016 – der Fall gab den eigentlichen Anstoss für eine wichtige nationale Studie in Frankreich –, wie wichtig die Geodaten der Betroffenen sind, um die Pestizidbelastung zu messen. Diese Daten werden zwar durch die Kantone erfasst, aber aus Datenschutzgründen nicht an die Nationale Krebsregistrierungsstelle weitergeleitet. Damit fehlt ein entscheidendes Puzzlestück.

Kommt noch das Kinderkrebsregister dazu: Aus historischen Gründen wird dieses 14. Register nicht kantonal, sondern richtigerweise national geführt. Es arbeitet parallel zu den 13 kantonalen Registern, die es auch noch mit seinen Daten versorgen muss, nachdem es diese bereits an die Nationale Krebsregistrierungsstelle übermittelt hat. Man schwankt als Beobachter zwischen Kafka und Tinguely.

 

H+ stellt klar: Nur eine einzige, national strukturierte Datenbank löst das Problem. Das nationale Kinderkrebsregister könnte hier als Vorbild dienen.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Das elektronische Patientendossier wurde gerade zugunsten eines einheitlichen Systems auf nationaler Ebene aufgegeben. Der föderale, digitale Obskurantismus der Schweiz scheint langsam ins Wanken zu geraten …