Transit-Gebühr gegen Stau – diskriminierend, aber legal
Touristen sollen zahlen, wenn sie durch die Schweiz fahren. Das fordern Parlamentarierinnen von links bis rechts. Die EU könnte heute nichts dagegen tun – auch wenn die Regelung diskriminierend ist.
Veröffentlicht am 17. Juli 2025 - 12:50 Uhr
Viel Verkehr auf der Autobahn A2 zum Gotthardtunnel
Was tun gegen den Stau vor dem Gotthard? Mit zuverlässiger Regelmässigkeit diskutiert das Parlament über dieses Problem. Jüngst scheiterte ein Vorschlag für eine Tunnelgebühr ganz knapp im Nationalrat.
Parlamentarier von rechts bis links versuchen es jetzt mit einer neuen Idee und fünf gleichlautenden Motionen: Ausländische Touristen sollen beim Transit durch die Schweiz eine Gebühr bezahlen.
Die Schweiz geht mit dieser Idee auf Konfrontationskurs mit den Nachbarländern.
Wer ohne wesentlichen Aufenthalt in der Schweiz einfach von Deutschland nach Italien fährt, soll eine sogenannte Durchfahrtsgebühr zahlen. Damit wollen die Politikerinnen die Nord-Süd-Achse entlasten – besonders zu Spitzenzeiten.
Konfrontation mit Nachbarstaaten
Die Schweiz geht mit dieser Idee auf Konfrontationskurs mit den Nachbarländern. Denn die Motion zielt primär auf Fahrzeughalterinnen anderer Länder ab.
Die vorgeschlagene Durchfahrtsgebühr wurde im Ausland auch durchaus schon registriert. So berichtete etwa der deutsche «Spiegel» darüber.
Allerdings: Deutschland sorgte mit einem ähnlichen Plan vor ein paar Jahren selber für Knatsch mit den Nachbarstaaten. Das Land wollte eine Maut einführen und gleichzeitig die Kfz-Steuer für Fahrzeughalter im Inland senken, damit diese nicht zusätzlich belastet werden. Österreich und die Niederlande klagten und gewannen: Der Europäische Gerichtshof kippte die deutsche Pkw-Maut wieder, weil sie die alleinige wirtschaftliche Last den Ausländern aufbürdete und deshalb diskriminierend sei und gegen EU-Recht verstosse.
«Ganz klar diskriminierend»
Was bedeutet das für den Schweizer Vorschlag?
«Eine Durchfahrtsgebühr, wie sie die Motion fordert, wäre ganz klar diskriminierend, genauso wie die deutsche Maut, die das Gericht gestoppt hat», sagt Astrid Epiney, Professorin für Europarecht an der Uni Freiburg. Aber vieles sei grundsätzlich diskriminierend, wie etwa, dass ein Franzose nicht in der Schweiz an Wahlen teilnehmen könne, ohne die Schweizer Staatsbürgerschaft zu haben. Daher bedeute der diskriminierende Charakter einer Regelung noch nicht, dass sie gegen die Abkommen der Schweiz mit der EU verstosse.
«Es gibt kein explizites Durchfahrtsrecht im Abkommen.»
Astrid Epiney, Professorin für Europarecht
Die wichtige Frage für die Schweiz sei nämlich, ob die Diskriminierung das Personenfreizügigkeitsabkommen verletze oder nicht. «Es gibt kein explizites Durchfahrtsrecht im Abkommen. Insofern könnte der Anwendungsbereich des Abkommens erst gar nicht tangiert sein, sodass eine Diskriminierung auch nicht gegen die Pflichten aus dem Abkommen verstiesse.»
Rein rechtlich könne aber in die eine oder andere Richtung argumentiert werden, und da es keine Gerichtsurteile zu dieser Frage gebe, könne man sie nicht glasklar beantworten.
Noch kein Schiedsgericht
Passieren würde heute wenig, wenn die Schweiz eine Durchfahrtsabgabe beschliessen würde, die der EU nicht passt. Weil es noch keinen Mechanismus zur Streitbeilegung gibt, der über diplomatische Gespräche hinausgeht. Erst mit den neuen EU-Verträgen würde ein Schiedsgericht für solche Fragen geschaffen.
Europarechts-Expertin Epiney gibt aber zu bedenken: «Das ist nur das Rechtliche. Ob es jetzt politisch klug ist, diese Idee – für die ich viel Verständnis habe – in dieser Form durchzuziehen, das ist eine andere Frage.»
- Motion 23.3612, Matthias Jauslin: Variable Maut für den Nord-Süd-Transit und flankierende Massnahmen für andere alpenquerende Übergänge
- Motion 25.3939, Simon Stadler: Einführung einer verkehrsabhängigen Durchfahrtsabgabe für den Transitverkehr von Grenze zu Grenze auf Schweizer Strassen gestützt auf Art. 82 Abs. 3 i.V.m. Art. 84 Abs. 1 BV
- SRF: Transitgebühr für ausländische Touristen gefordert
- Tagesschau: EuGH kippt deutsche Pkw-Maut
- Spiegel: Fahrten durch die Schweiz sollen Extragebühr kosten