Das sind Ihre Rechte bei sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz
Eine entlassene Oberärztin des Inselspitals Bern wirft dem Klinikdirektor Vergewaltigung vor. Der Fall wirft Fragen zu sexueller Gewalt am Arbeitsplatz auf.
Veröffentlicht am 16. Juli 2025 - 17:02 Uhr
Bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch muss die Arbeitgeberin tätig werden. (Symbolbild)
Er geht von einer einvernehmlichen Affäre am Arbeitsplatz aus. Sie von mehrfacher Vergewaltigung. Was tatsächlich passiert ist, das wissen nur die beiden. Mittlerweile wurde der Klinikdirektor am Inselspital in Bern entlassen, gegen den sich die Vorwürfe richten.
Welche Rechte hat man, wenn am eigenen Arbeitsplatz Ähnliches vorfällt? Und: Welche Pflichten haben Arbeitgeberinnen? Der Beobachter weiss es.
Liebe, Sex und Zärtlichkeit – was ist am Arbeitsplatz erlaubt?
Auch wenn es nicht gern gesehen ist: Arbeitgeberinnen können Beziehungen zwischen Angestellten – welcher Art auch immer – nicht verbieten. Das ist Privatsache.
Die Arbeitgeberin kann aber verlangen, dass man Beziehungen offenlegt. Dies, um möglichen Konflikten vorzubeugen. Insbesondere dann, wenn einer der Beteiligten dem anderen vorgesetzt ist, kann die Arbeitgeberin auch eine interne Versetzung anordnen.
Kann einem wegen einer Affäre am Arbeitsplatz gekündigt werden?
In der Schweiz gilt die Kündigungsfreiheit. Das heisst: Es kann einem auch ohne Grund gekündigt werden. Eine Kündigung darf aber nicht missbräuchlich sein. Betroffene Arbeitnehmende können sich dann wehren und eine Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen verlangen.
Einvernehmlicher Sex im Kopierraum ist kaum ein Grund für eine fristlose Kündigung.
Missbräuchlich kann eine Kündigung sein, mit der man sich am Arbeitnehmenden rächen will. Wer seinen Job verliert, weil er die Affäre mit dem Chef beendet, kann dagegen protestieren – solange er oder sie den Umstand irgendwie beweisen kann. Und: Wer beim einvernehmlichen Sex im Kopierraum erwischt wurde, kann kaum fristlos entlassen, aber zumindest verwarnt werden.
Was muss die Arbeitgeberin tun, wenn schwerwiegende Vorwürfe im Raum stehen?
Sexuelle Belästigung oder sogar Vergewaltigung: Wenn derart schwerwiegende Vorwürfe im Raum stehen, muss die Arbeitgeberin diesen nachgehen. Und zwar richtig. Sie darf darum nicht einfach die verdächtige Person entlassen, die Situation totschweigen oder diejenige entlassen, die die Vorwürfe erhoben hat. Sie muss zumindest beide Seiten anhören.
Es braucht keine Straftat, damit man jemanden entlassen kann.
Interne Untersuchungen sollten so fair wie möglich sein. Arbeitgeberinnen sind allerdings keine Staatsanwältinnen. Und: Es braucht keine Straftat, damit man jemanden entlassen kann.
- Obligationenrecht: Art. 336 Missbräuchliche Kündigung