Die Pallas-Kliniken führen in Aarau ein Spital – bewilligt vom Kanton. Doch ist es überhaupt ein Spital? Mehrere ehemalige Kaderleute der Klinikgruppe, die im Bereich Augenheilkunde und Schönheitschirurgie tätig ist, finden jetzt: Nein – jedenfalls nicht im eigentlichen Sinn. 

Unabhängig voneinander bestätigen die einstigen Pallas-Führungskräfte gegenüber dem Beobachter: Stationäre Behandlungen werden in Aarau keine durchgeführt, Patientenzimmer existieren nur auf dem Papier, nachts und am Wochenende ist die Klinik geschlossen. Damit handle es sich de facto um eine ambulante ärztliche Einrichtung – und nicht um ein Spital.

Partnerinhalte
 
 
 
 

Nach einer Besichtigung diesen Frühling bestätigt auch die Aufsichtsstelle des Departements Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau: «Wir haben festgestellt, dass am Standort keine stationären Behandlungen stattfinden.» Und: «Dies widerspricht der Spitalbewilligung.»   

Spital «hilft» bei der Abrechnung 

Die Klinikgruppe selbst sieht das anders: Pallas biete am Standort Aarau «neben zahlreichen ambulanten Behandlungen auch stationäre Leistungen an, zum Beispiel als ‹Back-up› für ambulante Operationen oder für Selbstzahler». 

Doch wofür braucht Pallas in Aarau überhaupt eine Bewilligung als Spital? Für die ehemaligen Kaderleute ist klar: damit ausländische Ärzte ohne Berufsausübungsbewilligung, die in den lokalen Augenpraxen tätig sind, ihre Leistungen über die Grundversicherung abrechnen können. Und das tun sie, wie Leistungsabrechnungen belegen, die dem Beobachter vorliegen. 

Dazu muss man wissen: In einer ambulanten Einrichtung arbeiten Ärztinnen und Ärzte in der Regel in eigener Verantwortung – und dafür benötigen sie eine Zulassung. Ärzte in einem Spital hingegen brauchen eine solche Berufsausübungsbewilligung nicht zwingend. Denn hier arbeiten sie unter fachlicher Aufsicht und «in räumlicher Nähe» von zugelassenen Ärztinnen und Ärzten. 

Dient das Pallas-«Spital» in Aarau also der Umgehung der Zulassungsbeschränkungen für ausländische Ärztinnen und Ärzte, mit denen die Schweiz die Gesundheitskosten steuern will?

Pallas-Kliniken: Alles ist rechtens  

Eine Pallas-Sprecherin betont: «Wir legen Wert auf die Feststellung, dass die Abrechnungen und Bewilligungen in den Pallas-Kliniken stets im Einklang mit den geltenden gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben erfolgen.»  

Der Anwalt der Pallas Kliniken doppelt nach: Der Vorwurf sei «faktenwidrig» und «schlicht falsch». «Alle Standorte im Kanton Aargau sind ordnungsgemäss als ambulante Institutionen bewilligt und ihrerseits zur Abrechnung gegenüber den Krankenversicherungen zugelassen.» 

Das Problem der Augenklinikkette: Sie beschäftigt an mehreren lokalen Standorten eine ganze Reihe junger Ärzte aus dem Ausland, wie der Beobachter berichtete. Diese müssen zuerst drei Jahre in der Schweiz arbeiten, bevor sie die nötige Bewilligung beantragen und später selbst Leistungen abrechnen können. Als angestellte Ärzte der Augenarztkette rechnen sie deshalb über den Standort Aarau ab – dank der Spitalbewilligung.

Die Augenklinikgruppe stellt sich auf den Standpunkt, alles sei rechtens. Bisher seien die Augenpraxen im Kanton Aargau «Satelliten» des Spitals Aarau gewesen – «im Rahmen der Spitalbewilligung». 

Die Sache mit der ZSR-Nummer

Doch seit über zwei Jahren gelten die einzelnen Pallas-Standorte als eigene ambulante Institutionen und müssten folglich auch über eigene Abrechnungsnummern verfügen. «Wir befinden uns noch in der administrativen Umsetzung dieser Änderung», erklärt die Klinikgruppe.

Auch um dies zu verstehen, braucht es Hintergrundwissen: Damit eine Krankenkasse überhaupt eine Arztrechnung bezahlt, ist eine Abrechnungsnummer des Zahlstellenregisters Sasis nötig (eine sogenannte ZSR-Nummer). Dank der kantonalen Spitalbewilligung figuriert die Pallas-Klinik in Aarau auch beim Zahlstellenregister als Spital – womit die Krankenversicherungen keinen Anlass haben, Abrechnungen zu hinterfragen.

Der Beobachter-Prämienticker

Der Prämienticker schaut Lobbyisten und Profiteuren des Gesundheitswesens auf die Finger, deckt Missstände auf und sammelt Erfahrungen von Patienten, die unnötige Ausgaben vermeiden konnten.

Klicken Sie auf den Ticker oder hier, um mehr zu erfahren.

Wie lange das Abrechnungskonstrukt der Pallas-Gruppe noch funktioniert, ist unklar. Die Firma Sasis, die als Tochtergesellschaft des Branchenverbands Santésuisse die ZSR-Nummern vergibt, kündigt gegenüber dem Beobachter an, die Kategorie «Spitäler» derzeit zu überprüfen. 

Von der kantonalen Aufsicht haben die Pallas-Kliniken nun allerdings die Auflage erhalten, bis Mitte Juli den in der Spitalbewilligung vereinbarten Zustand wiederherzustellen.

Der Arzt, der bei der Behandlung nicht dabei war

Die fragwürdige Art, medizinische Behandlungen abzurechnen, treibt bei den Pallas-Kliniken mitunter seltsame Blüten. Dem Beobachter liegen Leistungsabrechnungen des Standorts Wohlen AG aus den Jahren 2022, 2023 und 2024 vor, auf denen ein Arzt mehrfach als Leistungserbringer aufgeführt ist, obschon er bei den Behandlungen gar nicht anwesend war.

Der Beobachter wollte von Pallas wissen, wie das möglich ist. Die konkrete Frage blieb unbeantwortet. Der besagte Arzt, der inzwischen eine eigene Augenpraxis führt, bestätigt dem Beobachter, nie am besagten Standort tätig gewesen zu sein. Die Verwendung seines Namens auf den Abrechnungen sei ohne sein Wissen erfolgt.

Gegendarstellung

Im Artikel wird suggeriert, dass die Augenklinik Pallas in Aarau kein Spital betreibe, weil dort keine stationären Eingriffe stattfinden würden. Richtig ist, dass sämtliche Voraussetzungen der betreffenden Spitalbewilligung erfüllt werden und auch stationäre Behandlungen stattfinden.

Weiter wird fälschlicherweise behauptet, die Spitalbewilligung für den Standort Aarau sei benötigt worden, damit ausländische Ärzte ohne Berufsausübungsbewilligung, die in lokalen Praxen tätig seien, ihre Leistungen über die Grundversicherung abrechnen können. Richtig ist, dass die Spitalbewilligung für die Tätigkeit der Ärzte an den lokalen Aussenstandorten der Pallas-Kliniken irrelevant ist. Alle Aussenstandorte verfügen über eigenständige Betriebsbewilligungen als ambulante medizinische Einrichtungen sowie über eine eigene Zulassung zur Abrechnung gegenüber der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.

Schliesslich wird im Artikel behauptet, dass auf Leistungsabrechnungen ein Arzt mehrfach als Leistungserbringer aufgeführt sei, obschon er bei den Behandlungen gar nicht anwesend gewesen sei. Richtig ist, dass auf den Leistungsabrechnungen jeweils der verantwortliche als auch der ausführende Arzt aufgelistet werden. Der verantwortliche Arzt, um den es im Artikel geht, hat während einer Behandlung nicht anwesend zu sein, sondern nur der ausführende Arzt.
Pallas Kliniken AG

Die Redaktion hält an ihrer Darstellung fest. Sie stützt sich auf folgende Quellen: Stellungnahme der Aufsichtsstelle des Departements Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau, Aussagen ehemaliger Kaderleute der Pallas-Kliniken, Leistungsabrechnungen (2022 bis 2025).

Quellen
  • Pallas-Kliniken: Stellungnahmen vom 24. und 30.6.2025
  • Kanton Aargau, Departement Gesundheit und Soziales: Betriebsbewilligung als Spital vom 29.8.2022
  • Kanton Aargau, Departement Gesundheit und Soziales: Stellungnahme vom 24.6.2025
  • Pallas-Kliniken: Liste der Ärzte und Spezialisten
  • Bundesamt für Gesundheit (BAG): Stellungnahme vom 26.5.2025
  • Bundesamt für Gesundheit (BAG): Medizinalberuferegister
  • Sasis: Zahlstellenregister
  • Sasis AG: Stellungnahme des Zahlstellenregisters vom 15.5.2025
  • Kanton Zürich, Gesundheitsdirektion: Stellungnahme vom 19.5.2025
  • Diverse Leistungsabrechnungen und vertrauliche Quellen