Reiche schaden dem Klima mehr als alle anderen
Die reichsten zehn Prozent verursachen laut einer neuen Studie zwei Drittel der Erderwärmung. Braucht es höhere CO₂-Steuern für Reiche?
Veröffentlicht am 9. Mai 2025 - 13:40 Uhr
Privatjets stossen überproportional viel CO₂ aus.
Wie stark belasten die Reichsten die Umwelt?
Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung haben zwischen 1990 und 2020 zwei Drittel der Erderwärmung verursacht. Das geht aus einer neuen Studie hervor, an der die ETH Zürich beteiligt war. Die im Fachjournal «Nature» veröffentlichten Daten berücksichtigen den höheren Konsum der Superreichen und den CO₂-Ausstoss von Firmen, die diese Superreichen anteilsmässig besitzen. Die wohlhabendsten zehn Prozent trügen 6,5-mal so viel zur globalen Erwärmung bei wie der Durchschnitt, schreiben die Studienautorinnen.
Bestätigen das andere Daten?
Der Klima-Ungleichheitsreport 2023 legt etwas Ähnliches nahe. Wer in der Schweiz zur Oberschicht gehört, belastet das Klima fast dreimal so stark wie eine Person aus der Mittelschicht. Die Reichen belasten die Umwelt demnach im Durchschnitt stärker, weil sie eher viel mit dem Flugzeug reisen, eher einen Zweitwagen, ein Ferienhaus oder einen Privatjet besitzen sowie eher in Firmen investiert sind, die Treibhausgase ausstossen. Das haben Forscher mit einer Datenbank errechnet, die von der École d’Économie von Paris sowie der Universität Berkeley in den USA betreut wird.
Ist das ein Problem?
Eine Person aus der Schweizer Oberschicht verursacht gemäss den Autoren des Klima-Ungleichheitsreports im Durchschnitt zehnmal so viel Treibhausgas wie eine Person aus der Schweizer Unterschicht. Doch beide Personengruppen müssen dieselben Lenkungsabgaben zum Schutz des Klimas zahlen – zum Beispiel auf Heizöl. Die Oberschicht spürt diese Abgaben aufgrund des hohen Einkommens aber weniger. Die Autoren schreiben deshalb, dass eine Umweltpolitik, die sich auf nationale Durchschnittswerte konzentriert, ihre CO₂-Einsparziele nur schwerlich erreichen könne.
Wie verlässlich sind die Angaben?
Die grossen Unterschiede zwischen Arm und Reich kommen im Klima-Ungleichheitsreport dadurch zustande, dass die Berechnung nicht nur den Konsum, sondern auch das Sparen und Investieren berücksichtigt: Wer mehr besitzt, kommt automatisch weniger gut weg. Die Urheber der Welt-Ungleichheitsdatenbank sagen deshalb selbst, dass ihre Daten bloss ungenaue Näherungswerte seien.
Welche Diskussionen gibt es im Schweizer Parlament dazu?
Grüne haben einen Vorstoss eingereicht, der den höheren CO₂-Ausstoss der Reichen besteuern will – mit einer progressiven CO₂-Steuer. Die CO₂-Steuer soll funktionieren wie die Bundessteuer: Arme, die kaum CO₂ ausstossen, zahlen nichts. Reiche dafür umso mehr. Der Nationalrat hat den Vorstoss im September 2024 abgelehnt.
Was sagt der Bundesrat dazu?
Der Bundesrat hält von einer progressiven CO₂-Steuer nichts. Es gebe zum individuellen CO₂-Verbrauch keine verlässlichen Daten, deshalb könne man diesen auch nicht individuell besteuern. Das Problem: Bei einer progressiven CO₂-Steuer nach Einkommensklassen würde eine Sippenhaftung gelten. Wer superreich wäre, aber wie ein Einsiedler im Wald lebte, müsste eine gleich hohe CO₂-Steuer zahlen wie ein Ölinvestor mit Privatjet.
Durfte das Volk darüber schon mal abstimmen?
Im US-Bundesstaat Kalifornien wurde eine Klimasteuer für Reiche im November 2022 in einer Volksabstimmung mit 58 Prozent abgelehnt. Die Volksinitiative hatte gefordert: Wer über zwei Millionen Dollar verdient, muss auf dem Einkommen, das über dieser Schwelle liegt, eine 1,75-Prozent-Klimasteuer zahlen.
Privatjets und Businessjets verursachen pro Jahr rund 200’000 Tonnen CO₂. Das entspricht 4,4 Millionen Autofahrten von Genf nach St. Gallen.
Stehen Schweizer Volksinitiativen dazu an?
Ja, denn die Schweizer Linke will an die kalifornische Idee anknüpfen. Die Jungsozialisten haben die «Initiative für eine Zukunft» eingereicht, die eine nationale Erbschafts- und Schenkungssteuer ab 50 Millionen Franken verlangt. Viele Grüne und Sozialdemokraten unterstützen das Anliegen. Der Steuersatz für die reichen Erben soll 50 Prozent betragen, der Erlös dem Klima zugutekommen.
Der Bundesrat lehnt die Initiative ab. Eine Klima-Erbschaftssteuer für Reiche würde die Schweiz für vermögende Personen unattraktiv machen. Zwischen 77 und 93 Prozent der zu besteuernden Reichen könnten aus der Schweiz abwandern, glaubt der Bundesrat aufgrund einer Studie. Deshalb würden kaum hohe Steuererträge für das Klima anfallen. Zudem bemühe sich die Schweiz auch ohne Initiative bereits genügend, das Klima zu schützen.
Der Nationalrat lehnte die Initiative ab, der Ständerat wird dazu voraussichtlich im Juni 2025 entscheiden, abgestimmt wird frühestens diesen Herbst.
Wo sieht die Politik Handlungsbedarf?
Die zuständige Nationalratskommission wollte pro Privatjetflug eine Klimaschutzabgabe von 500 bis 3000 Franken einführen. Damit «Privat- und Businessflüge, die besonders hohe Pro-Kopf-Emissionen verursachen, einen zusätzlichen finanziellen Beitrag leisten». Doch der Rat lehnte das Vorhaben im Dezember 2023 ab – denn die Abgabe bringe nichts.
«Wie soll man den Leuten auf der Strasse erklären, dass sie beim Klimaschutz mithelfen sollen, wenn jene im Privatjet ihren Beitrag nicht leisten?», hiess es bei den Grünen als Reaktion. Weitere Vorstösse dazu sind allerdings hängig, etwa «für eine Luxusssteuer auf Privatjets».
Erhebt ein Land Steuern auf Privatjetflüge?
In Italien gilt seit 2011 eine Steuer auf Flüge mit Privatjets. Das Gesetz verlangt für einen Privatjet mit einem Gewicht von zehn Tonnen eine Abgabe von 71’000 Euro, derzeit rund 66’000 Franken.
Sind Privatjets ein Problem?
Privatjets verursachen 4,7 Prozent aller Treibhausgasemissionen der Zivilluftfahrt ab Schweizer Flugplätzen, obwohl sie nur rund 2,45 Prozent aller Starts und Landungen ausmachen, heisst es beim Bundesamt für Zivilluftfahrt in Bezug auf das Jahr 2022. Der CO₂-Ausstoss von Privatjets ist also überproportional gross. Der Flughafen Basel wird dabei allerdings nicht mitgezählt, da er auf französischem Territorium liegt. Privatjets und Businessjets verursachen pro Jahr rund 200’000 Tonnen CO₂. Das entspricht 4,4 Millionen Autofahrten von Genf nach St. Gallen mit einem neuen Benziner.
Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals am 5. Januar 2024 veröffentlicht und seither aktualisiert.
- «Nature», Studie: High-income groups disproportionately contribute to climate extremes worldwide, 7. Mai 2025
- World Inequality Database: Climate Inequality Report 2023, 30. Januar 2023
- Motion Nationalrätin Natalie Imboden (Grüne, BE): Verursacherprinzip anwenden. Eine progressive CO2-Steuer einführen!, im September 2024 im Nationalrat abgelehnt
- Volksinitiative in Kalifornien für eine zusätzliche Ökosteuer auf Einkommen über zwei Millionen Dollar: Proposition 30, im November 2022 abgelehnt
- Bundesrat: Bundesrat verabschiedet Botschaft zur Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)», Dezember 2024
- Parlament, Geschäft des Bundesrats: Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft). Volksinitiative
- Parlament: CO₂-Gesetz für die Zeit nach 2024. Revision
- Motion Nationalrätin Florence Brenzikofer (Grüne, BL): Für eine Luxussteuer auf Privatjets
- Finanzdepartement der Republik Italien: Decreto-legge del 06/12/2011 n. 201, 6. Dezember 2011
8 Kommentare
JUSO-Rezept ist erfolgreich.
JUSO und SP agieren in der Schweiz mit dem immer gleichen Vorgehen erfolgreich. Die JUSO stellen mittels Initiative eine extreme Forderung auf. Die Mutterpartei SP antwortet mit einem gemässigteren Gegenvorschlag. Die Mainstream-Medien anerkennen das Politproblem und unterstützen den Gegenvorschlag. Die Linke erhält am Schluss, was sie will: höhere Steuern zur Finanzierung ihres Wunschbedarfs.
und wann ist man reich?
Typisch schweizerische (Klima-und Sozial)politik!! Die ärmsten unterstützen im wahrsten Sinne des Wortes die Reichen, anders kann man es wirklich nicht sagen!
Den Vogel abgeschossen haben die Tessiner. Da werden die Reichen in Zukunft weniger besteuert!
Eine Lenkungsabgabe mit gleichmässiger Rückerstattung wäre viel einfacher und effizienter: alle bezahlen nach ihrem Verbrauch, alle bekommen nach Köpfen gezählt, die Betriebe nach AHV Lohnsumme gleichviel zurück. So werden die Sparsamen belohnt, die grosszügig Ausgebenden bezahlen etwas mehr. Seit 20 Jahren macht die iwb in Basel das erfolgreich vor. Der administrative Aufwand liegt bei einer Vollstelle für den ganzen Kanton BS. Nur sollte die Abgabe um einiges höher sein, um einen höheren Impact zu haben!