Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 5. Mai 2025.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. Es gibt diesmal ziemlich viele – denn diese Woche hat das Parlament die Frühjahrssession abgeschlossen. Wir haben Ihnen darum ein paar weitere Meldungen am Schluss knapp zusammengefasst.
Die Themen:
- Heiratsstrafe: Eine separate Steuererklärung für jede wird immer wahrscheinlicher
- Gewaltfreie Erziehung: Kann man sowas überhaupt per Gesetz lösen?
- Handyverbot: Erster Kanton führt strikte Regeln an den Schulen ein – ist das der Dammbruch?
- Und das Zitat der Woche kommt aus dem Mittelalter
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Heiratsstrafe: Eine separate Steuererklärung für jede wird immer wahrscheinlicher
Darum gehts: Im jahrelangen Ringen um den richtigen Weg zur Abschaffung der sogenannten Heiratsstrafe hat das Lager, das eine fundamentale Reform will, diese Woche einen wichtigen Etappensieg errungen. SP und Grüne stritten sich vorher mit der FDP darüber, wie viel der Systemwechsel kosten darf und, vor allem, wer künftig mehr Steuern bezahlen muss. Am Mittwoch haben sie mit vereinten Kräften einen Kompromiss durch den Nationalrat gebracht.
Warum das wichtig ist: Das ist ein Rückschlag für SVP und Mitte. Sie wollen, dass Ehepaare auch künftig gemeinsam eine Steuererklärung ausfüllen. Heute ist es so, dass Ehepaare, die im traditionellen Rollenmodell leben, steuerlich besser fahren als Konkubinatspaare. Das gilt, wenn hauptsächlich ein Ehepartner verdient.
Das sagt der Beobachter: Alle diskutierten Reformvarianten haben Vor- und Nachteile. Je nachdem, wie sie genau ausformuliert werden, wie hoch die Steuertarife sind und wer welche Abzüge machen kann, zahlt man nachher mehr oder weniger Steuern. Warum das alles so kompliziert ist, lesen Sie hier:
⇒ Jetzt lesen: Das grosse Seilziehen um die Heiratsstrafe
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Gewaltfreie Erziehung: Kann man so was überhaupt per Gesetz lösen?
Darum gehts: Bis heute gibt es kein ausdrückliches Züchtigungsverbot im Gesetz. Deshalb will der Nationalrat das Zivilgesetzbuch jetzt damit ergänzen. Das hat er diese Woche entschieden. Als Nächstes muss sich der Ständerat mit der Vorlage befassen.
Warum das wichtig ist: Der neue Gesetzesartikel soll zwar nur einen Grundsatz festschreiben, er würde aber trotzdem rechtlich einiges klarstellen. Nämlich dass jegliche Körperstrafen und andere erniedrigende Behandlungen von Kindern verboten sind. Zudem beinhaltet die Vorlage auch einen praktischen Teil, nämlich die Verpflichtung der Kantone, Beratungs- und Hilfsangebote für Eltern und Kinder flächendeckend, niederschwellig und bedarfsorientiert anzubieten.
Das sagt der Beobachter: 20 Prozent der Eltern erziehen mit psychischer Gewalt. Jedes fünfte Kind erhält Schläge auf den Hintern, jedes zehnte wird geohrfeigt. Das geht aus Studien der Universität Freiburg hervor. Kinder haben das Recht, ohne Gewalt aufzuwachsen. Gut, dass Bundesrat und Nationalrat dieses längst überfällige Signal an die Gesellschaft senden und im Gesetzbuch festhalten.
⇒ Jetzt lesen: Prügelverbot im Zivilgesetzbuch: Das ändert sich
Handyverbot: Erster Kanton führt strikte Regeln an den Schulen ein – ist das der Dammbruch?
Darum gehts: Im Kanton Nidwalden dürfen Schüler ab dem 1. August ihr Smartphone nur noch zu Unterrichtszwecken oder im Notfall benutzen. Das gilt auch für die Pausen. Halten sich die Schülerinnen nicht daran, kann das Gerät eingezogen werden. Dies sehen neue Richtlinien vor, die der Kanton diese Woche erlassen hat.
Warum das wichtig ist: Solche Vorgaben zur Handynutzung an den Schulen waren auch in anderen Kantonen ein Thema. Der Kantonsrat Schwyz entschied aber im Februar, die Schulen selber entscheiden zu lassen. Auch die Regierungen von Luzern, Basel-Stadt und Zug haben sich bereits dagegen ausgesprochen. Jetzt könnte der Wind drehen. Denn in der Bevölkerung geniesst ein Handyverbot in der Schule enorme Sympathien. 82 Prozent der Befragten sprachen sich letztes Jahr in einer repräsentativen Umfrage dafür aus.
Das sagt der Beobachter: Nidwalden begründet das Verbot damit, dass Handys das Sozialverhalten und den Unterricht sehr negativ beeinflussen würden. In Frankreich geht eine Expertengruppe im Auftrag des Staats noch weiter: Die übermässige Nutzung von Smartphones und sozialen Medien mindere die Schlafqualität, begünstige Fettleibigkeit und sei gefährlich für die Psyche. Ist das wirklich alles so eindeutig? Schweizer Fachleute sind sich uneins.
⇒ Jetzt lesen: Macht das Handy psychisch krank?
Das Zitat der Woche
Schneller, als der Fax erlaubt. Sie haben richtig gelesen: Die Schweizer Polizei nutzt in vielen Fällen noch Fax, wenn Daten zu Gesuchten über Kantonsgrenzen hinweg übermittelt werden müssen. Das erzählt der Präsident des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter diese Woche dem Blick:
«Wir fahnden wie im Mittelalter. Im Ausland glaubt mir das niemand.» – Emmanuel Fivaz
Gründe dafür gäbe es viele, etwa die Sparpolitik des Bundes und den Kantönligeist. Lebt die Schweizer Strafverfolgung also noch in der digitalen Steinzeit? Zumindest bei weitem nicht in allen Belangen. Im Gegenteil: Der Bundesrat will mit einer Verordnung die digitale Überwachung massiv ausweiten. Eine Analyse der «Republik» wählt in einer Analyse drastische Worte: «Die Vorlage klingt, als wäre sie vom Kreml verfasst worden. […] Die Schweiz will mit dieser Revision[…], dass Behörden neu auf Knopfdruck unbegrenzt viele Auskünfte abfragen können.» Und wir wagen die Prognose, dass diese dann nicht auf Papier verschickt würden.
Auch sonst war diese Woche viel los. So hat das Parlament an der Sondersession unter anderem diese Entscheide gefällt, die uns wichtig scheinen:
- Menschen mit geistiger Beeinträchtigung sollen abstimmen dürfen. Der Nationalrat will das jetzt ändern – und setzt damit ein Signal für Gleichheit und gegen Diskriminierung.
- Der Nationalrat will kein spezifisches Gesetz, um die Verwendung von Deepfakes im öffentlichen Raum zu regulieren. Er hat eine entsprechende Motion aus den Reihen der Grünen abgelehnt.
- Im Gegensatz zu Hunden sollen Hauskatzen in der Schweiz nicht gechippt und in einem Register eingetragen werden müssen. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion abgelehnt.
- Die Höhe der Krankenkassenrechnung soll auch künftig nicht vom Einkommen und vom Vermögen der Prämienzahlenden abhängig sein. Der Nationalrat hat am Dienstag einen Systemwechsel weg von den sogenannten Kopfprämien abgelehnt.
- Der Nationalrat will das Jugendstrafrecht verschärfen. Bei schweren Verbrechen sollen künftig unbedingte Strafen gegen Jugendliche ausgesprochen werden können. Unkooperative Täter sollen ins Gefängnis. Als Nächstes befasst sich der Ständerat mit der Reform.
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Tina Berg und Oliver Fuchs.
Wir bleiben für Sie dran. Bis nächste Woche.