Prügelverbot im Zivilgesetzbuch: Das ändert sich
Der Nationalrat will die gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch verankern. Der Beobachter erklärt, was das bedeutet.
Veröffentlicht am 6. Mai 2025 - 16:38 Uhr
Der Nationalrat will Kinder besser vor Gewalt schützen.
Mal einen Klaps auf den Hintern oder eine Ohrfeige, wenn das Kind nicht spurt – dass das nicht geht, soll jetzt erstmals im Zivilgesetzbuch (ZGB) verankert werden. Das sogenannte Züchtigungsrecht wurde schon im Jahr 1978 abgeschafft. Trotzdem gibt es bis heute kein ausdrückliches Züchtigungsverbot im Familienrecht.
Der Nationalrat hat sich nun mit 134 zu 56 Stimmen bei 2 Enthaltungen für eine Gesetzesanpassung ausgesprochen. Der neue Artikel soll präventiv wirken. Es soll klar sein, dass Körperstrafen und andere erniedrigende Behandlungen verboten sind.
Teile der SVP gegen das Verbot
Nur ein Teil der SVP-Fraktion sträubte sich dagegen: Es sei jeder einzelnen Familie selbst überlassen, wie sie sich organisieren wolle, sagte SVP-Nationalrat Manfred Bühler in der Beratung. Auch wenn körperliche Gewalt gegenüber Kindern nicht zu befürworten sei, sei die reine Androhung von körperlichem Zwang nützlich, um eine gewisse Autorität durchzusetzen, so Bühler.
Der Beobachter erklärt, was heute schon rechtlich gilt und was die geplante Bestimmung im ZGB bedeutet.
Was gilt heute schon?
Die Bundesverfassung räumt Kindern und Jugendlichen einen grundrechtlichen Anspruch auf Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung ein. Dazu gehört auch die körperliche und psychische Unversehrtheit. Die Uno-Kinderrechtskonvention, die auch in der Schweiz gilt, stellt das Kindeswohl in den Vordergrund. Und das Strafrecht stellt zum Beispiel Tätlichkeiten und Körperverletzungen unter Strafe.
Was ändert sich durch den neuen Artikel im ZGB?
Der Artikel soll einen Grundsatz deklarieren und Leitbildcharakter haben. Warum ergibt das Sinn? Weil die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen eines gemeinsam haben: Sie sind schwammig und enthalten kein deutliches Verbot jeglicher körperlicher und psychischer Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Obwohl der Artikel nur deklaratorisch ist, würde er auch in anderen Rechtsgebieten einiges klarstellen.
Tipps, wie eine gewaltfreie Erziehung gelingt
Beispiel: Eine Tätlichkeit ist die mildeste Form einer strafbaren Körperverletzung. Sie liegt aber erst vor, wenn sie «das allgemein anerkannte und gesellschaftlich geduldete Mass» überschreitet. Nach heutigem Stand könnte das je nach Auslegung heissen, dass gelegentliche, leichte körperliche Züchtigungen erlaubt und straffrei sind.
Der geplante Artikel im ZGB würde hier präzisieren. Er würde klarstellen, dass dieses Mass bei jeder Art von körperlicher Gewalt gegen Kinder überschritten ist. Dass also auch eine Ohrfeige an einem Kind grundsätzlich strafbar ist.
Zudem soll in einem weiteren Absatz verankert werden, dass die Kantone dafür zu sorgen haben, dass sich Eltern und Kinder bei Schwierigkeiten in der Erziehung gemeinsam oder einzeln an Beratungsstellen wenden können. Die Vorlage geht nun in den Ständerat.
- Nationalrat: Sitzung 5. Mai 2025, Geschäft Nr. 24.077, Zivilgesetzbuch (Gewaltfreie Erziehung), Änderung
- Bundesverfassung: Artikel 11, Schutz der Kinder und Jugendlichen
- Uno-Kinderrechtskonvention: Artikel 3, Kindeswohl
- Strafgesetzbuch: Artikel 126, Tätlichkeiten