Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 12. Mai 2025.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein.
Die Themen:
- Zuwanderung: Der Bundesrat sagt wie die neue Schutzklausel aussieht
- Trumps Handelskrieg: Ist die Schweiz grosse Gewinnerin, Verliererin – oder beides?
- Gleichstellung: Die alten Geschlechterklischees verschwinden langsam aus den Köpfen
- Eurovison in Basel: Was die Musikshow kostet und wem sie nützt
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Zuwanderung: Der Bundesrat sagt, wie die neue Schutzklausel aussieht
Darum gehts: Die Personenfreizügigkeit kann temporär beschränkt werden, wenn sie zu «ernsthaften sozialen oder wirtschaftlichen Problemen» führt. Darauf hatten sich die Schweiz und die EU Ende 2024 geeinigt – als Teil des neuen Abkommens, das die bilateralen Beziehungen der beiden neu regeln soll. Am Mittwoch hat der Bundesrat jetzt dargelegt, wie das in der Praxis genau funktionieren soll. Er will Schwellenwerte für die Nettozuwanderung aus der EU, die Zahl der Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die Zunahme der Arbeitslosigkeit oder die Sozialhilfequote festlegen – die landesweit nicht überschritten werden sollen.
Warum das wichtig ist: Wendet der Bundesrat die Schutzklausel an, muss er beim gemischten Ausschuss geeignete Schutzmassnahmen beantragen. Heisst konkret: Die Schweiz muss zusammen mit der EU entscheiden, welche Massnahmen ergriffen werden (zum Beispiel ein Inländervorrang). Die EU kann auch Gegenmassnahmen ergreifen. Wird man sich nicht einig, entscheidet ein Schiedsgericht. Die SVP bezweifelt, dass der Bundesrat bereit ist, die Schutzklausel wirklich anzuwenden. Denn es gibt keinen Automatismus, der ihn dazu zwingen würde. Mitte-links und der Wirtschaftsverband Economiesuisse hingegen finden, das sei eine mehrheitsfähige und solide Lösung.
Das sagt der Beobachter: Unter Umständen dürfte dieses Modell das beste sein, das die Schweiz für sich aushandeln konnte. Eine enge Verflechtung mit der EU hat ihren Preis – dafür auch viele Vorteile. Eine kritische Gegenperspektive lesen Sie hier:
⇒ Jetzt lesen: «Die 10-Millionen-Schweiz ist nicht gottgegeben»
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Trumps Handelskrieg: Ist die Schweiz grosse Gewinnerin, Verliererin – oder beides?
Darum gehts: Der US-Präsident hat Anfang Woche angekündigt, dass er die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente in den USA drastisch senken will. Das könnte die Pharmariesen Roche, Novartis und Lonza hart treffen. Und wäre ein herber Rückschlag für die Schweiz, die zuletzt erfolgreich zwischen China und den USA vermitteln konnte und die enorm hohen 31 Prozent Zoll vorerst abgewendet hatte.
Warum das wichtig ist: Um die Medikamente zu vergünstigten, hat Trump einen seiner unterdessen berüchtigten Exekutiverlasse unterschrieben – ein Dokument also, von dem nicht klar ist, wie legal und rechtlich bindend es überhaupt ist. Zieht er den Plan tatsächlich durch, wäre die Schweizer Wirtschaft sehr verwundbar. Mehr als die Hälfte der exportierten Medikamente gehen in die USA. Dabei hatte es in den letzten Tagen davor noch so gut ausgesehen für die Schweiz. Sie hatte Verhandlungen zwischen den USA und China in Genf eingefädelt. Und bekam dafür Lob vom US-Finanzminister. Zusammen mit der Aussicht auf einen «Deal», der die Zölle dauerhaft auf 10 Prozent senken würde.
Das sagt der Beobachter: Also … hat sich die Schweiz jetzt gut oder schlecht behauptet im Handelskrieg? Wer weiss. US-Finanzminister Scott Bessent mag über die Schweiz säuseln, wie er will – am Ende entscheidet sein irrationaler, rachsüchtiger und wankelmütiger Chef. Falls Sie auch so einen haben, empfehlen wir folgenden Ratgeber:
⇒ Jetzt lesen: Hilfe, mein Chef ist ein Narzisst!
Gleichstellung: Die alten Geschlechterklischees verschwinden langsam aus den Köpfen
Darum gehts: Die Einstellung zu Geschlechterrollen hat sich in der Schweiz innerhalb der letzten zehn Jahre deutlich verändert. Das zeigt eine neue Auswertung des Bundesamts für Statistik. Besonders auffällig: Fast zwei Drittel der Befragten im Alter von 15 bis 80 Jahren befürworten es heute, wenn Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen können. Die Ansicht, dass Männer allein für das Familieneinkommen zuständig sein sollten, vertreten nur noch etwa 25 Prozent der Befragten. Mehr als die Hälfte der Befragten bevorzugt ein Modell, bei dem beide Elternteile Teilzeit arbeiten.
Warum das wichtig ist: Wenn sich Wertvorstellungen verändern, hat das grosse Auswirkungen auf die Gesellschaft. Modernere Ansichten zu Rollenverteilungen und Arbeitsmodellen haben Einfluss auf das Denken, die Kultur, die Wirtschaft und die Politik. Solche Prozesse sind nie eine Einbahnstrasse. In Amerika schwingt das Pendel gerade wieder in eine andere Richtung: vom Kleinen (im Kongress wird gestritten, ob frischgebackene Mütter remote an Abstimmungen teilnehmen dürfen) bis ins ganz Grosse (das höchste Gericht könnte bald die Abtreibungspille verbieten).
Das sagt der Beobachter: Die Antworten der Befragten decken sich nicht unbedingt mit dem realen Leben. Zum Beispiel arbeiten lediglich in 13 Prozent der Haushalte mit Kleinkindern beide Elternteile Teilzeit. In den meisten Fällen arbeitet die Mutter Teilzeit und der Vater Vollzeit. Gesellschaftliche Normen und traditionelle Rollenbilder spielen also nach wie vor eine grössere Rolle, als viele wollen.
⇒ Jetzt lesen: Die Rolle meines Lebens
Eurovision Song Contest in Basel: Was die Musikshow kostet und wem sie nützt
Darum gehts: In Basel steigt diese Woche der Eurovision Song Contest. Über 150 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgen das Geschehen jeweils an den Bildschirmen und machen den ESC zur grössten Unterhaltungsshow der Welt. Bis zu einer halben Million Gäste werden am Rheinknie erwartet. Höhepunkt: das Finale am Samstag.
Warum das wichtig ist: Der ESC bringt nicht nur Glamour nach Basel. Er kostet auch: 37 Millionen Franken budgetierte der Stadtkanton für die Show. Dazu beteiligten sich die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG und die Europäische Rundfunkunion EBU mit 20 Millionen an den Kosten. Dafür dürften die angereisten Musikfans in Basel viel Geld ausgeben. Hotels, Restaurants und der Detailhandel hoffen auf rekordverdächtige Umsätze. Basel hofft auch auf Image-Gewinne – als Tourismusdestination oder als Austragungsort für Messen und Kongresse. Trotzdem: Der effektive wirtschaftliche Nutzen ist schwer zu beziffern. Anhaltspunkte liefert eine Studie aus Liverpool, ESC-Gastgeberstadt 2023. 60 Millionen Franken an finanzieller Wertschöpfung habe die Musikshow der britischen Hafenstadt gebracht.
Das sagt der Beobachter: Gut gelauntes Publikum, Glamour und Geldsegen – so weit, so gut. Gleichzeitig hat der Kanton Basel-Stadt das ambitionierteste Klimaziel schweizweit. Was tun die Veranstalter, um die Emissionen gering zu halten? Diese Recherche zeigt, inwiefern sich die Ökobilanz eines Megaevents wie des ESC ausgleichen lässt:
⇒ Jetzt lesen: Voyage, Voyage – der ESC im Klimacheck
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Valentin Grünig, Oliver Fuchs und Luc Ruffieux.
Wir bleiben für Sie dran. Bis nächste Woche.