Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 18. August 2025.
Veröffentlicht am 22. August 2025 - 12:15 Uhr
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein.
Die Themen diesmal:
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AHV: Die grosse Beitragslücke ist plötzlich keine mehr
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Zollkrieg: Wie der Bund den Unternehmen helfen will
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«Basel Nazifrei»: Die Staatsanwaltschaft muss jetzt doch ermitteln
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Für die nächste Pandemie: Künftig ein bisschen weniger «Sache der Kantone»
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Und das Zitat der Woche kommt von einem unfreiwilligen Wahlsieger
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AHV: Die grosse Beitragslücke ist plötzlich keine mehr
Darum gehts: Der Bund hat am Mittwoch neue Szenarien für die Finanzierung der AHV vorgelegt. Und diese zeigen: Die vielbeschworene kommende Beitragslücke in Milliardenhöhe schrumpft massiv, wenn man mit den neuen Demografieszenarien und Konjunkturprognosen des Bundes rechnet.
Warum das wichtig ist: Die Statistiker des Bundes gehen heute davon aus, dass die Schweiz bis 2040 weniger Rentnerinnen und mehr Berufstätige zählt als gemäss den letzten Prognosen von 2020. Das würde für die AHV bedeuten: weniger Bezüger und mehr Einzahlerinnen. Allerdings muss die 13. AHV-Rente finanziert werden, sonst verpufft der Effekt.
Das sagt der Beobachter: Einerseits ist das natürlich eine gute Nachricht. Die AHV steht besser da als bisher angenommen. Andererseits muss der Bund schon wieder seine Vorhersagen massiv revidieren – und das ist langfristig Gift für die sachliche politische Auseinandersetzung, wie wir an dieser Stelle bereits mehrmals geschrieben haben. Für das kommende Jahr hat der Bund übrigens diese Woche ein Budgetdefizit angekündigt. Mal schauen, ob er diesmal einigermassen richtig liegen wird.
Zollkrieg: Wie der Bund den Unternehmen helfen will
Darum gehts: Der Bundesrat hat diese Woche besprochen, wie er der Schweizer Wirtschaft helfen will. Viel Konkretes kam dabei nicht heraus – er will prüfen, ob es Massnahmen bei der Exportförderung und dem Bürokratieabbau brauche. Aus Washington gibt es derzeit zumindest öffentlich keine Anzeichen, dass die Handelsbeziehungen zur Schweiz besonders hohe Priorität hätten.
Warum das wichtig ist: Der Wirtschaftsverband Economiesuisse hat ausgerechnet, wie viele Arbeitnehmer direkt von den Zöllen betroffen sind. Es sind gemäss seiner Schätzung rund 100’000, «vor allem in der Uhren-, Maschinen- und Nahrungsmittelindustrie». Es ist ein schwacher Trost: Aber auf der anderen Seite dieses Handelskriegs jubelt auch kaum jemand. Viele amerikanische KMU ächzen unter den zahlreichen Zöllen – oder mussten bereits aufgeben.
Das sagt der Beobachter: «Wäre Donald Trump Schweizer Bundespräsident, würde er wohl alles in Gang setzen, um dieses Handelsbilanzdefizit von 21 Milliarden Franken zu verringern», schreibt unser Redaktor diese Woche in einer lesenswerten Analyse. Gemeint ist hier allerdings nicht der Warenhandel, sondern der riesengrosse Teil der Wirtschaft, für den sich der US-Präsident offenkundig kaum interessiert:
⇒ Jetzt lesen: Ein Netzwerk probt den Aufstand gegen die Tech-Giganten
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
«Basel Nazifrei»: Die Staatsanwaltschaft muss jetzt doch ermitteln
Darum gehts: Der Gummischrot-Einsatz an der «Basel Nazifrei»-Demonstration vom November 2018 muss untersucht werden. Das hat das Basler Appellationsgericht entschieden. Ein Teilnehmer hatte Anzeige gegen die Polizei erstattet – und sich erfolgreich gewehrt, nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen einstellen wollte.
Warum das wichtig ist: Die «Basel Nazifrei»-Demonstration beschäftigt Basler Justiz und Politik seit Jahren. Damals hatten Tausende an einer unbewilligten Gegendemonstration gegen eine bewilligte Kundgebung der rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) teilgenommen. Im Nachgang wurde die Polizei für ihr hartes Vorgehen kritisiert – insbesondere für den Einsatz von Gummigeschossen. Für deren Einsatz gibt es verschiedene Regeln und Richtlinien – etwa, dass der Schütze nicht aus nächster Nähe auf jemanden schiessen darf. Trotzdem kommt es immer wieder zu – teils gravierenden – Verletzungen.
Das sagt der Beobachter: Dass eine Demonstration auch bald zehn Jahre danach noch die Justiz beschäftigt, ist … ungewöhnlich. Das hat auch damit zu tun, dass an diesen Prozessen über grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien gestritten wird, etwa die Verhältnismässigkeit von staatlicher Gewalt. Zudem hat die Basler Justiz mehrere Male selbst eine schlechte Figur abgegeben, wie der Strafrechtsexperte Mark Pieth hier darlegt:
⇒ Jetzt lesen: «Die Basler Justiz wirkt hochgradig überfordert»
Für die nächste Pandemie: Künftig ein bisschen weniger «Sache der Kantone»
Darum gehts: Der Bundesrat hat die Botschaft zur Revision des Epidemiegesetzes verabschiedet. Er will dafür sorgen, dass im nächsten Seuchenfall die Zuständigkeiten klarer, die Materiallager besser bestückt und gewisse Gegenmassnahmen rechtlich gut abgestützt sein werden. Eine Impfpflicht wird es nicht geben, die Regierung will aber den Zugang zum Impfen und das Monitoring über Durchimpfungen verbessern.
Warum das wichtig ist: Gerade in den ersten Wochen hatte die Corona-Pandemie die Versäumnisse und Planungsfehler in der Verwaltung schonungslos offengelegt. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider versprach nun an der Medienkonferenz zur Revision: «Das BAG wird keine Meldungen mehr per Fax entgegennehmen.» Der wichtigste Teil der Revision ist, wie beim nächsten Notfall das Kompetenzwirrwarr zwischen Bund und Kantonen vermieden (oder zumindest entschärft) werden soll.
Das sagt der Beobachter: Das Hin und Her von Bund und Kantonen und die teilweise überhastet beschlossenen Verbote haben damals viel Vertrauen zerstört und die Akzeptanz für die Massnahmen beschädigt. Gut, dass nun Lehren gezogen werden – hoffentlich werden sie nie angewendet werden müssen. Was der Beobachter aus der Pandemie gelernt hat, lesen Sie hier:
⇒ Jetzt lesen: «Wir hätten kritischer sein sollen»
Im Walliser Dörfchen Collonges grassiert aktuell das Gegenteil der viel diskutierten Cancel Culture. Anstatt dass da jemand gegen seinen Willen vom öffentlichen Leben ausgeschlossen wird, sind zwei Männer unfreiwillig Politiker geworden.
«Zwang ist in keiner Form mehr akzeptabel.» – Gemeinderat wider Willen zu seiner Wahl
Weil es bei der Wahl im Oktober 2024 zu wenig Kandidierende gab, wurden zwei Bürger in den fünfköpfigen Gemeinderat gewählt, die gar nicht angetreten waren. Wallis ist einer der sieben Kantone, in denen Amtszwang herrscht. Beide gaben prompt ihren Rücktritt bekannt. Einer mit Verweis auf gesundheitliche Gründe (was der Kanton schliesslich akzeptierte). Und der andere wegen seiner Arbeitsbelastung. Hier blieb der Kanton hart, allerdings weigert der Mann sich seit Monaten standhaft, an die Sitzungen zu kommen. Wie SRF diese Woche berichtet, scheinen die Walliser Behörden nun langsam zu resignieren.
Geschrieben hat diesen Überblick diesmal Oliver Fuchs.
Bis nächste Woche. Wir bleiben für Sie dran.