Die zwei Frauen verstehen sich auf Anhieb. Was damit zu tun haben mag, dass sie trotz unterschiedlichen Lebenswelten einiges gemeinsam haben. Maja Monnot vom Napf und Ilda Chicaiza aus Ecuador produzieren auf ihren Bauernhöfen nach biologischen Richtlinien, und die Frauen führen ihre Betriebe ohne Männer. Das Treffen findet auf dem Hof der Monnots statt.

BeobachterNatur: BeobachterNatur: Biologisch produzierte Lebensmittel sind teurer als konventionell hergestellte. Ist Biolandbau Luxus?
Chicaiza: Ich kann keinen höheren Preis verlangen; in Ecuador sind Bioprodukte nicht teurer. Darum ist das entsprechende Angebot auf den Märkten klein. Aber die Situation ändert sich langsam, Landwirtschaft und Selbstversorgung sind auf der politischen Agenda. Die Regierung will in die Ökoproduktion investieren.
Monnot: Mit dem Argument des teuren Luxusprodukts bin ich überhaupt nicht einverstanden. Biologisch produzierte Lebensmittel sind das Natürlichste überhaupt. Bio ist kein Luxus, sondern Notwendigkeit. Unser Gras ist nahrhafter als das von konventionellen Bauern, das merkt man unseren Produkten an.

BeobachterNatur: Der Biolandbau erreicht in der Schweiz einen Anteil von nur zwölf Prozent.
Monnot: Der Anteil mag klein sein, aber er wächst – trotz höheren Preisen. Wir verkaufen unseren Käse seit 37 Jahren auf dem Markt in Luzern. Unsere Kundschaft ist wie eine grosse Familie. Es ist schön, für diese Leute zu produzieren.
Chicaiza: Das sehe ich auch so. Ich züchte mit viel Liebe Meerschweinchen und verkaufe sie auf dem Markt. Meine Kundenbeziehungen sind freundschaftlich.

BeobachterNatur: Warum produzieren Sie biologisch?
Monnot: Mir ist die sorgfältige Nutzung des Bodens wichtig. Man muss die Erde mit Respekt behandeln und darf sie nicht vergiften. Sie bringt Pflanzen hervor, die wir essen. Wir streben einen geschlossenen Kreislauf an: Das Gras ist Futter für die Ziegen, der Mist Dünger für den Boden.
Chicaiza: Meine Eltern bewirtschafteten den Hof intensiv, mit Pestiziden und Kunstdünger. Aber die Kosten waren viel zu hoch, und die Qualität stimmte nicht. Als ich den Hof übernahm, wollte ich zur traditionellen ökologischen Anbaumethode meiner Grosseltern zurückkehren. Mit der Hilfe von Swissaid konnte ich diesen Umbau bewältigen. Jetzt nutze ich wieder den Mist der Tiere und kann auf Kunstdünger verzichten.

BeobachterNatur: Was halten Ihre Nachbarn vom Biolandbau?
Chicaiza: Sie sind fast ein bisschen neidisch und bewundern mich. Die Nachbarn sehen die schönen Maiskulturen und die guten Erträge. Manche holen bei mir Rat.
Monnot: Hier reagieren die Leute anders. Der Biolandbau wird erst seit kurzem akzeptiert, lange hat man ihn belächelt. Als meine Eltern 1976 anfingen, fehlte weitherum das Verständnis. Man liess sie zwar machen, aber die Nachbarn rechneten damit, dass sie aufgeben würden. Nun fördert sogar der Kanton den Biolandbau.

BeobachterNatur: Müssen Sie noch Lebensmittel kaufen oder sind Sie Selbstversorgerinnen?
Chicaiza: Ich kann das ganze Jahr über Gemüse, Getreide und Gras ernten. Auch Fleisch muss ich nicht kaufen. Ich erwerbe nur Dinge, die ich nicht selbst produziere: Zucker, Salz, Öl oder Seife.
Monnot: Auch meine Mutter und ich sind praktisch Selbstversorger. Wir leben vom Gemüse aus dem Garten, im Herbst kaufen wir etwas Lagergemüse für den Winter. Fleisch brauche ich nicht.

BeobachterNatur: Reicht das Einkommen, das Sie mit dem Hof erwirtschaften?
Monnot: Ja, seit einigen Jahren verdienen wir genug. Unser Lebensstil ist nicht kostspielig, die Lebensqualität ist trotzdem hoch. Es gab aber eine Zeit, in der meine Mutter wegen Schulden auswärts arbeiten musste.
Chicaiza: Wir kommen gut über die Runden. Auch das Einkommen meines Mannes hilft dabei. Er arbeitet als Lehrer in der nahe gelegenen Stadt Ambato. Wir können den Kindern die Schule und eine Ausbildung bezahlen.

BeobachterNatur: Gibt es staatliche Unterstützung?
Monnot: Wir erhalten wie alle Bauern Direktzahlungen; die Bioproduktion wird seit wenigen Jahren zusätzlich vergütet. Diese Unterstützung macht knapp die Hälfte des Einkommens aus.
Chicaiza: In Ecuador gibt es keine staatliche Hilfe für den Biolandbau.

Maja Monnot, 34, bewirtschaftet mit ihrer Mutter Anna Monnot, 67, die 180 Jahre alte «Chrutose» gemäss den Prinzipien des Biolandbaus. Der Hof befindet sich abgelegen im Napfgebiet, auf steilem Gelände 1100 Meter über Meer. Er umfasst 9 Hektar Weiden sowie 18 Hektar Wald. Anna und Maja Monnot bauen im Garten Gemüse an und halten 25 Ziegen sowie vier Hinterwälder Kühe, eine alte Landrasse. Die Kühe geben Milch für die Ziegen. Manchmal verkaufen die Monnots im Frühling ein Gitzi. Die wichtigste Einnahmequelle sind die kleinen Biokäse aus Ziegenmilch, die sie von April bis Oktober auf dem Markt in Luzern verkaufen. Während der Saison produzieren sie täglich 30 bis 60 Käse.

Quelle: Marc Latzel

BeobachterNatur: Wie reagieren die Leute darauf, dass Frauen den Betrieb führen?
Monnot: Es dauerte einige Zeit, bis die Nachbarn uns respektierten. Als mein Vater wegzog und meine Mutter beschloss, den Hof alleine zu bewirtschaften, trauten ihr das viele nicht zu. Unterdessen verspüren wir sogar einen Frauenbonus. Die Nachbarn kümmern sich um uns und fragen nach, ob wir zum Beispiel Stroh bräuchten oder Holz. Sie rechnen es mir hoch an, dass ich nicht vom Hof wegziehe, wie das viele junge Leute tun.
Chicaiza: Die Nachbarn achten mich sehr, obwohl es auch in Ecuador unüblich ist, dass eine Frau den Hof führt. Ich glaube, bei uns herrscht mehr Toleranz gegenüber Frauen als in der Schweiz.

BeobachterNatur: Sind Männer und Frauen in Ecuador gleichberechtigt?
Chicaiza: Noch vor 20 Jahren wurden die Frauen diskriminiert. Das hat sich geändert, wir haben uns einfach emanzipiert. Jetzt gibt es sogar Frauen in der lokalen Regierung. Ich bin auch in einer Frauenorganisation tätig. Jetzt sagen die Männer: «Was haben wir für tolle Frauen!»
Monnot: Ich fühle mich nicht diskriminiert. Doch ich begegne einzelnen Männern, die es nicht ertragen, wenn Frauen mehr können als sie. Wir hatten mal einen Mann als Hilfskraft auf dem Hof, dem es schwer zusetzte, dass ich beim Ziegenmelken geschickter war als er. Aber wenn ich meine Mutter von den alten Zeiten reden höre, denke ich: Viel länger als in Ecuador sind wir hier nicht emanzipiert.

BeobachterNatur: Brauchen Sie Hilfe von Männern?
Monnot: Die Männer werden gezielt eingesetzt. Zum Heuen und Holzen. Das Mähen übernehmen wir selber.
Chicaiza: Die schweren Arbeiten auf dem Hof erledigen wir am Wochenende, wenn mein Mann und unser Sohn anwesend sind.

BeobachterNatur: Gibt es etwas, was Ihnen öfter schlaflose Nächte bereitet?
Monnot: Das Wetter kann einem immer einen Strich durch die Rechnung machen. Aber das lässt sich nicht ändern. Was mich beschäftigt und manchmal ängstigt, ist die Zukunft. Wir brauchen irgendwann eine zusätzliche Kraft, weil meine Mutter alt wird. Wir stossen schon jetzt an die körperlichen Grenzen. Im Herbst sind wir ausgelaugt.
Chicaiza: Ich mache mir wenig Sorgen. Der jüngste Sohn zeigt bereits Interesse am Hof, und ich bin zuversichtlich, dass er ihn eines Tages übernehmen wird. Wenn man in Ecuador etwas Land besitzt, muss man sich um die Zukunft nicht sorgen.
Monnot: Mit der Zeit wird sich eine Lösung ergeben. Irgendwann wird jemand kommen, der zu uns passt.
Chicaiza: In Ecuador sagt man: Wir haben das Leben nicht gekauft, darum können wir auch nicht so lange im Voraus planen.

Ilda Maria Chicaiza, 48, ist Biobäuerin und führt einen kleinen Hof im Andenhochland in Ecuador. Sie stammt von den Ureinwohnern ab und spricht Quechua und Spanisch. Ihr jüngster Sohn lebt noch daheim, der Ehemann ist Lehrer. Ihre Heimat liegt nahe am Äquator, auf rund 2500 Metern über Meer. Auf den 0,6 Hektar Land wachsen ganz-jährig Mais, diverse Gemüsesorten und Gras. Ilda Chicaiza betreibt eine Zucht mit 200 Meerschweinchen. Die Tiere und das Gemüse sind ihre Haupteinnahmequelle. Ein vier Kilogramm schweres Meerschweinchen bringt umgerechnet neun bis elf Franken. 1990 kam Ilda Chicaiza beim Bau einer Wasserleitung mit Swissaid in Kontakt. Die Hilfsorganisation hat sie dieses Jahr in die Schweiz eingeladen, wo Chicaiza unter anderem an einer Podiumsdiskussion am Bio Marché in Zofingen teilgenommen hat.

Quelle: Marc Latzel