«Der Prix Courage ist nicht nur für mich, sondern für alle Mädchen und Frauen»
Mahbube Ibrahimi (20) unterrichtet mit ihrer Online-Schule «Wild Flower» über 250 Afghaninnen und widersetzt sich den Taliban. Für ihr Engagement erhält sie den Prix Courage des Beobachters.

Veröffentlicht am 13. November 2025 - 22:28 Uhr

Stolze Gewinnerin: Mahbube Ibrahimi flüchtete mit 16 Jahren in die Schweiz. Heute führt die 20-Jährige eine Onlineschule für Afghaninnen.
Mahbube Ibrahimi war noch ein Baby, als Extremisten auf ihren Vater schossen. Die Familie floh aus Afghanistan – erst in den Iran, dann in die Türkei, schliesslich nach Griechenland. Mit 16 kam Mahbube allein in die Schweiz.
Das Ankommen im Durchgangszentrum fiel ihr schwer. Psychisch am Tiefpunkt, isolierte sie sich in ihrem Zimmer und lernte über Youtube Deutsch. Sie kämpfte sich zurück, kam über ein Förderprogramm ans Gymi und begann nebenbei, zwei afghanische Mädchen per Handy zu unterrichten. Bald wurden es immer mehr – die Online-Schule «Wild Flower» war geboren.
Über 250 Mädchen lernen heute im Verborgenen über Whatsapp oder Zoom. In kleinen Gruppen, möglichst unauffällig. «Wir öffnen ein Fenster zur Welt», sagt Mahbube Ibrahimi. Ihre nächsten Pläne: Medizin studieren, Herzchirurgin werden, Hoffnung weitergeben.
Beobachter: Mahbube Ibrahimi – herzliche Gratulation, Sie halten den Prix Courage in den Händen. Wie fühlen Sie sich?
Ich bin wirklich sehr happy!

Mahbube Ibrahimi freut sich mit ihrem Vater über den Sieg.
Was bedeutet Ihnen dieser Preis?
Der Prix Courage ist nicht nur ein Preis für mich, sondern für alle Mädchen und Frauen in Afghanistan. Sie kämpfen jeden Tag gegen Widerstände – und sollen wissen, dass sie nicht vergessen gehen.
Ihre Online-Schule «Wild Flower» begann mit zwei Mädchen, die Sie per Handy unterrichtet haben. Heute sind es über 250. Wie erklären Sie sich diesen enormen Zuspruch?
«Wild Flower» ist für junge Afghaninnen die einzige Möglichkeit zu lernen. Die wollen sie nutzen.
Der Unterricht findet im Verborgenen und unter grosser Gefahr statt. Sie widersetzen sich den Geboten der Taliban. Hatten Sie nie Angst? Um sich selbst oder um Angehörige in der Heimat?
Beides! Ich habe ständig Angst, dass den Schülerinnen etwas passiert. Oder dass Anhänger der Taliban mich in der Schweiz aufspüren. Das ist zum Glück noch nie passiert.
Was gibt Ihnen den Mut, trotzdem jeden Tag weiterzumachen?
Es gibt mir Mut zu sehen, dass selbst kleine Veränderungen wie «Wild Flower» so grosse Konsequenzen haben. Durch den Online-Unterricht können Mädchen lernen – das öffnet ihnen ein Fenster zur Welt.
Was bedeutet Bildung für Sie ganz persönlich?
Bildung ist für mich Power, Aufklärung, Weitermachen und Hoffnung. Das bedeutet mir einfach alles.
Der Preis ist mit 15’000 Franken dotiert. Wissen Sie schon, was Sie damit machen werden?
Der Gewinn ist nicht nur für mich, sondern für die ganze Organisation – für unsere Schülerinnen in Afghanistan. Wir werden zusammen entscheiden, wie wir das Geld am sinnvollsten einsetzen.

Ibrahimi nimmt den Preis von Beobachter-Chefredaktor Dominique Strebel und Jury-Präsidentin Eveline Widmer-Schlumpf entgegen.
Zuerst wird aber gefeiert! Wie lassen Sie den Abend ausklingen?
Ich muss direkt ins Bett und schlafen, weil ich morgen Schule habe.




