Noch vor wenigen Wochen hätte diese «Tages-Anzeiger»-Schlagzeile reichlich absurd geklungen: «Plötzlich wollen alle Plexiglas». Die Pandemie macht das Material, das uns trennen und schützen soll, zum Bestseller. Zu den Abnehmern gehören Firmen, die sich nun auf die gestaffelte Rückkehr der Mitarbeitenden aus dem Homeoffice vorbereiten.

Auf dem Schlachtfeld Grossraumbüro liegen alle Vorteile beim Virus. Ein Nieser reicht, um eine ganze Etage zu verseuchen. Die Tröpfchen legen sich auf Oberflächen und können sich über die Lüftung verbreiten. In Südkorea kam ein Callcenter-Mitarbeiter mit Symptomen Covid-19 Was Sie über das Coronavirus wissen müssen zur Arbeit. Wenige Tage später hatte sich die halbe Belegschaft im elften Stock mit dem Virus angesteckt. Social Distancing gibt es im Grossraumbüro nicht.

Nach der Krise, man hört und liest es oft, werde nichts mehr so sein wie vorher. Das gilt auch für den Job. Zunächst darf sich glücklich schätzen, wer überhaupt noch Arbeit hat. Zudem besteht die leise Hoffnung, dass Menschen in systemrelevanten Berufen nach Corona mehr Wertschätzung und vielleicht sogar eine Lohnerhöhung erhalten.

Dringend nötig ist genauso eine Diskussion über Grossraumbüros. Um es vorwegzunehmen: Sie sind des Teufels und gehören abgeschafft. Denn so klug die Idee einst schien, ist sie längst als Unfug entlarvt. Selbst der Erfinder des Grossraumbüros, der US-Designer Robert Probst, entschuldigte sich vor seinem Tod im Jahr 2000 für die «kahlen Rattenlöcher, in die Menschen hineingestopft werden».

Schlimmer als Powerpoint

Grossraumbüros sollten die Kommunikation fördern, die Wege verkürzen, den Teamgeist wecken. Passiert ist das Gegenteil. Eine Studie nach der anderen gelangt zum selben Schluss: Sie reduzieren die Produktivität und schlagen den Angestellten aufs Gemüt. Forscher an der Harvard Business School in Boston fanden heraus, dass in offenen Büros 70 Prozent weniger Gespräche von Angesicht zu Angesicht geführt werden. Lieber schickt man der Kollegin im Rücken, die einen Gehörschutz aus Armeebeständen trägt, eine E-Mail: «Zeit für einen Kaffee?»

Grossraumbüros sind schlimmer als Powerpoint und Papierstau. In der Vergangenheit hat man mit Lounges zur Erholung und bunt angemalten Sitzungszimmern versucht, die Fehler im System auszubügeln. Mit bescheidenem Erfolg. Die Leute wollen kein Workplace-Environment à la Google Persönliche Daten So löschen Sie Ihre Spuren bei Google , sie wollen in Ruhe arbeiten können und einen Kaktus auf dem Pult.

Die Lösung

Ein Umzug ist auf die Schnelle nicht realisierbar, ein Neubau illusorisch. Intelligentere Architektur wird erst in Zukunft Lösungen bieten. Für die bestehenden Missstände bleibt es notgedrungen bei der Pflästerli-Prävention. 

Und so werden jetzt halt eilig Plexiglaswände und Desinfektionsmittel Covid-19 Wie schütze ich mich vor dem Coronavirus? eingekauft und Schlachtpläne erstellt, wie sich die ursprünglich gewollte Nähe in ihr Gegenteil verkehren lässt. Allein: Es wird nicht gelingen. Das Coronavirus versetzt dem Grossraumbüro, wie wir es kennen, den Todesstoss.

Was tun? Längerfristig müssen andere Büros gebaut werden, bessere. Wenn die einzige Möglichkeit, ein Grossraumbüro einigermassen sicher zu gestalten, darin besteht, mit Plexiglaswänden das Prinzip Grossraumbüro ad absurdum zu führen, war die Idee vielleicht von Anfang an nicht richtig. Ebenso abgeschafft gehören die allein aus Kostengründen mancherorts eingeführten geteilten Arbeitsplätze – eine Verrücktheit schon vor Corona.

Kurzfristig hat die Krise die beste Lösung geliefert. Sie heisst Homeoffice. Wer kann, arbeitet zu Hause. Selbst dem misstrauischsten Chef dämmert, dass das funktioniert. Dass die Leute nicht bloss auf der faulen Haut liegen und oft sogar produktiver sind. Wie die Freundin aus der kantonalen Verwaltung, die sagte, seit sie zu Hause arbeite, erledige sie Dinge, für die sie im Grossraumbüro noch neun Stunden benötigt hatte, in sechs.

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