Die Nachricht kam überraschend. Anfang Mai verkündete Coop die Schliessung seines Online-Marktplatzes Siroop per Ende Jahr. 180 Mitarbeitende seien davon betroffen. Entlassungen werde es aber keine geben, den Betroffenen würden bei Microspot, Coop oder Swisscom andere Jobs angeboten. Doch wie können auf einen Schlag so viele neue Stellen geschaffen werden? Und sind das wirklich valable Ersatzjobs? Oder sind solche Ankündigungen interner Weiterbeschäftigungen vielleicht bloss eine PR-Massnahme?

Marco Geu, Zentralsekretär der Gewerkschaft Syna, spricht von einem ambivalenten Phänomen: «Es gibt Arbeitgeber, die bemüht sind, gute Alternativen zu finden. Aber es gibt eben auch solche, die so den unpopulären Begriff ‹Massenentlassung› umgehen.» Andere Gewerkschaften, wie syndicom, haben «grundsätzlich gute Erfahrungen» gemacht. «In den vergangenen Jahren konnten auf diese Weise hunderte von Mitarbeitenden weiterbeschäftigt werden», sagt Sprecherin Lena Allenspach. Dabei sei entscheidend, dass die angebotenen Ersatzstellen in der Regel gleichwertig seien.

Eine Frage des Gewissens – und des Geldes

Das ist nicht selbstverständlich. Die Firmen wären dazu nämlich nicht verpflichtet. «Bei einer sogenannten Änderungskündigung (Anm. d. Red.: der alte Arbeitsvertrag wird aufgelöst und ein neuer angeboten) gibt es rechtlich keinen Anspruch auf gleichwertigen Ersatz. Die Stelle könnte auch in einem völlig anderen Tätigkeitsgebiet angesiedelt sein», sagt Irmtraud Bräunlich, Expertin für Arbeitsrecht im Beobachter-Beratungszentrum. «Die Unternehmen handeln jeweils im Sinne ihres eigenen sozialen Gewissens.»

Geld dürfte laut syndicom-Sprecherin Allenspach allerdings schon auch eine Rolle spielen. «Firmen wissen, dass es für sie letztlich günstiger kommt, wenn sie bei freiwerdenden Stellen langjährige Mitarbeitende platzieren können, als wenn sie neue rekrutieren müssen.»

Wer von seiner Firma über eine Umstrukturierung informiert wird, sollte dennoch umgehend selber aktiv werden und eine Gewerkschaft ins Boot holen – so die Empfehlung von Arnaud Bouverat von der Unia. «Dann können wir einen Sozialplan Entlassungen Haben wir Anspruch auf einen Sozialplan? oder zumindest bessere Begleitmassnahmen verhandeln.» Das tat die Gewerkschaft vergangenes Jahr mit Erfolg beim Fleischverarbeiter Bell. Dort erwirkte sie einen Sozialplan, dank dem betroffene Mitarbeitende unter anderem aus drei internen Stellenangeboten auswählen konnten.

Erfahrungsgemäss beschweren sich Arbeitnehmer laut Bouverat aber oft zu spät. Zum Teil erst dann, wenn sie bereits in ihrem Ersatzjob tätig sind und feststellen, dass dieser sie nicht zufriedenstellt.

«Mässig attraktive» Ersatzangebote bei Siroop

Wie viele der Siroop-Mitarbeitenden künftig bei Microspot, Coop oder Swisscom arbeiten oder sich eine neue Stelle suchen werden, ist noch offen. «Wir haben mit allen Mitarbeitern inzwischen individuelle Gespräche geführt und sind daran, Stellenangebote zu machen», sagt ein Sprecher von Coop. Die offerierten Ersatzjobs empfänden die Mitarbeiter allerdings nur als «mässig attraktiv», berichtete die «NZZ am Sonntag». 

Was gilt bei einer Umstrukturierung?

Neue Arbeitsbedingungen – zum Beispiel ein anderer Aufgabenbereich in der Firma oder eine Kürzung von Lohn oder Pensum Pensum gekürzt Muss ich jetzt einen Vollzeitjob suchen? – können vom Arbeitgeber nicht von heute auf morgen erzwungen werden. Rechtlich handelt es sich um eine sogenannte Änderungskündigung. Als Arbeitnehmer hat man in solchen Fällen Anspruch darauf, dass der alte Vertrag noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eingehalten wird. Für die Zeit danach muss im Prinzip völlig neu verhandelt werden.

Mehr zu Kündigung des Arbeitsvertrags bei Guider

In der Schweiz können Arbeitsverträge beiderseitig zu jeder Zeit aufgelöst werden. Einen Grund für die Kündigung braucht es nicht, doch es gibt Ausnahmen. Beobachter-Abonnenten erfahren, welche das sind, ob sie rechtlich gesehen unter Kündigungsschutz stehen und wie sie mittels einer Briefvorlage schriftlich gegen eine fristlose Entlassung protestieren können.

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Martin Vetterli, stv. Chefredaktor
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