Auf seiner Website wirbt Bernard Hiller: «Werde der Künstler, zu dem du geboren wurdest». Stars wie Cameron Diaz, Lindsay Lohan oder Vanessa Hudgens würden seinen Methoden vertrauen. Einige hätten dank ihm, dem selbst ernannten Schauspieler, Opernsänger, Filmproduzenten, Lifecoach und Schauspiellehrer aus Los Angeles, gar den grossen Durchbruch geschafft.

Kürzlich hatten auch Normalsterbliche die Möglichkeit, Hillers sogenannte Masterclass zu besuchen. Zum zweiten Mal war er in der Schweiz. Der Preis für den dreitägigen Kurs in Zürich: 780 Franken. Wer teilnimmt, unterschreibt eine Verzichtserklärung. Man kann jederzeit ohne Begründung rausgeworfen werden. Bezahlt wird bar am ersten Kurstag. Zurückerstattet wird nichts.

Jubeln auf Befehl

«Bernard verspricht niemandem den Erfolg in Hollywood. Wir empfehlen, an einer Masterclass in Los Angeles teilzunehmen, nicht aber, dort zu bleiben», richtet sein Assistent via E-Mail aus. «Es ist fast unmöglich, in Hollywood Erfolg zu haben.»

«Als Hiller reinkam, mussten wir ihn wie einen Star bejubeln. Wer nicht genug euphorisch war, wurde angewiesen, lauter zu schreien», erzählt eine Teilnehmerin. «Dann mussten wir Block und Stift nehmen und notieren, was wir in unserem Leben falsch gemacht haben. Was genau, gab er uns vor.»

Schauspielerische Übungen gibt es nur wenige. Der Kurs ist eine Mischung aus Tanz, emotionaler Achterbahn und Psychotherapie. Hiller sucht die wunden Punkte der Teilnehmenden. Dabei geht er nach dem Hellseherprinzip vor: Alle haben Probleme, wurden schon mal verletzt, fühlen sich unsicher.

Durchhalten

«Während einer Übung mussten wir einen Brief an einen geliebten Menschen schreiben, ihn anrufen und ihm das vorlesen. Wenn du nicht geweint hast oder nicht mitmachen wolltest, warst du automatisch eine schlechte Schauspielerin», sagt die Teilnehmerin. «Als jemand nach dem Tanz-Work-out fror und einen Schal anziehen wollte, verbot Hiller das. In Hollywood Casting Das Geschäft mit dem Traum von Hollywood müsse man auch durchhalten können», erzählt eine andere.

«Wir mussten zu zweit eine Szene vortragen. Weil wir 40 Leute waren, gab Hiller nicht einmal richtig Feedback», erzählt die Teilnehmerin. Und die Kritik war immer dieselbe: zu gespielt, zu wenig emotional , zu viel nachgedacht. «Mit Schauspielerei hat das rein gar nichts zu tun», sagt die gelernte Schauspielerin. Sie hoffte, über Hiller neue Kontakte knüpfen zu können. Doch die meisten der 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind noch nie auf einer Bühne gestanden. Hiller arbeite nur mit Leuten, die mit Schauspielerei Geld verdienen wollten, sagt dagegen sein Assistent.

«In den Classes habe ich gelernt, Selbstzweifel Emotionen Zweifeln Sie ruhig! zu überwinden und mich neuen Herausforderungen zu stellen», sagt der Schauspieler Nikolaus Schmid. Er hat an vier Kursen teilgenommen und organisiert Hillers Masterclasses in der Schweiz. «Das Wichtigste für einen Schauspieler ist der Zugang zu seinen Emotionen. Bernard hilft, diesen Zugang freizulegen. Was man dann damit macht, ist jedem selbst überlassen.»

Dozent oder Therapeut

Menschen, die keine Bühnenerfahrung haben, an ihre Grenzen zu treiben – das findet Theaterpädagogin Brigitte Schmidlin höchst problematisch. «Es ist gefährlich, wenn jemand mit seinen tiefsten Ängsten konfrontiert und darauf sich selbst überlassen wird.» Psychische Probleme Psychische Erkrankungen Darf man andere auf ihre Probleme hinweisen? , Depressionen oder Angstzustände könnten die Folge sein. Es brauche ein Auffangnetz, aber das gibt es bei Hiller nicht. «Bernard treibt niemanden an seine Grenzen. Man kann immer aufhören», sagt der Assistent.

«Es wird problematisch, wenn der Dozent zum Therapeuten wird», sagt Schauspiellehrerin Schmidlin. In Hillers Kursen sollen Teilnehmende über Tod und Vergewaltigungen sprechen, es gibt keine Tabus . Die Theaterpädagogin kritisiert: «Schauspielerei ist keine Peepshow. Man weiss nicht, was man so bei Menschen anrichtet.» Organisator Nikolaus Schmid versichert, Hiller sei kein Therapeut. Man solle nur zu ihm kommen, wenn man psychisch gesund sei.

Pinke Elefanten

«Hiller kann Menschen lesen und weiss, wo er draufdrücken muss, damit es weh tut», sagt Regisseurin Susanne Bohlmann. Sie begleitete Hiller fünf Jahre lang, war bei sieben Masterclasses dabei und machte daraus den Dokumentarfilm «Pink Elephants» (Trailer ansehen). «Pinke Elefanten», so nennen sich Hillers Jünger. «Der Erfolg des Kurses hängt von der Gruppendynamik ab. Darum schickt er Leute weg, die sich nicht darauf einlassen», sagt Bohlmann.

«Das Problem ist, dass viele emotional abhängig werden von Hiller. Mit Sätzen wie ‹Ich möchte der Vater sein, den du nie hattest› gibt er einem das Gefühl, er wolle eine persönliche Beziehung aufbauen», erzählt Bohlmann. Das führe dazu, dass die Leute ihm von Masterclass zu Masterclass folgen und natürlich auch Werbung für ihn machen. Wenn man dann Kritik übt oder aussteigt, bricht er ohne weitere Diskussion den Kontakt ab. «Das konnte ich selbst beobachten», so Bohlmann.

«Dein Hirn will, dass du versagst», schreit Hiller die Teilnehmenden an. «Wie bist du nur so geworden?», fragt er einen nach dem anderen, während sie sich 20 Minuten lang in die Augen starren müssen. «Die Nachricht kommt nicht von mir, sie kommt von Gott. Er spricht durch mich. Ich irre mich nie», sagt Hiller in Bohlmanns Dokumentarfilm in die Kamera. «Schreibt das auf!»
 

«Er nennt ein paar berühmte Namen, erzählt, er habe mit ihnen zusammengearbeitet, zeigt ein Selfie, und die Leute fressen ihm aus der Hand.»

Susanne Bohlmann, Regisseurin


Ein Selbsttest zeigt: In einem 45-minütigen Lifecoaching für 150 Euro redet Hiller mit gefühlt 130 Wörtern pro Minute, wiederholt sich ständig, erklärt, warum das eigene Leben miserabel ist und es einem so schlecht gehe, als habe man Krebs. Immer wieder sagt er, man solle nicht blöd grinsen, das hier sei kein Witz – um kurz darauf zu bemerken, was für eine traurige Person man sei, man lache ja nie. Hillers Rat: die sinkende Titanic sofort verlassen. Die Heilung: der Besuch einer seiner Masterclasses. «Ich brauche dein Geld nicht! Du tust es für dich!»

Am Ende eines jeden Kurses verspricht Hiller, Auserwählte an die Masterclass nach Los Angeles mitzunehmen, wo er angeblich einen Film drehe und Kontakte habe. Voller Hoffnung folgen ihm manche quer durch Europa.

Immer wieder tauchen bekannte Schauspieler in Hillers Kursen auf – Bruce Dern, Al Pacino oder Bryan Cranston. «Vieles geht über Namedropping: Er nennt ein paar berühmte Namen, erzählt, er habe mit ihnen zusammengearbeitet, zeigt ein Selfie Schönheitsoperation Teenies legen sich für Selfies unters Messer , und die Leute fressen ihm aus der Hand. Ob er wirklich mit diesen Leuten gearbeitet hat oder sie tatsächlich kennt, spielt dann keine Rolle», sagt Regisseurin Bohlmann.

Til Schweigers Management dementiert

Im Gesellschaftsmagazin «Gala» sagte Hiller, er kenne Til Schweiger, habe ihn gecoacht und nenne ihn nur noch «Tili». Schweigers Management dementiert: «Herr Schweiger ist Herrn Hiller im Rahmen der Show ‹Mission Hollywood› begegnet, wo Herr Hiller als Schauspielcoach engagiert war. Ein Kontakt oder eine weitere Zusammenarbeit darüber hinaus bestand nicht.»

Auf seiner Website schreibt Bernard Hiller, er habe mit Kate Hudson und George Clooney zusammengearbeitet. Fakt ist, dass er in wenigen Filmen verschwindend kleine Nebenrollen hatte. Wie sah diese Zusammenarbeit genau aus? «Er arbeitete in Szenen mit diesen Schauspielern», ist die Antwort aus Los Angeles.

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