Vor eineinhalb Jahren hatte der Bündner Grosse Rat beschlossen, zur Untersuchung der Kartellvorwürfe und den möglicherweise damit zusammenhängenden Polizeieinsätzen gegen Whistleblower Adam Quadroni eine Parlamentarische Untersuchungskommission einzurichten. Jetzt liegen erste Ergebnisse vor. Der Bericht umfasst 273 Seiten, auf denen die PUK deutliche Worte für das Verhalten der beteiligten Amtspersonen von Polizei, Kesb und Sozialamt findet.

Drei Polizeieinsätze wurden bislang untersucht: eine Hausdurchsuchung Ende 2016, die Einweisung von Adam Quadroni in die Psychiatrie mittels fürsorgerischer Unterbringung Fürsorgerische Unterbringung In die Klinik – und dann? (FU) Mitte 2017 sowie ein Einsatz Ende 2017.

Der Polizeikommandant von Graubünden, Walter Schlegel, muss sich herbe Kritik gefallen lassen. Er habe bei der Aufarbeitung der Vorfälle eine «problematische Haltung» an den Tag gelegt und nehme seine Gesamtführungsverantwortung nicht wahr. Kritisch hinterfragt werden auch die Rollen und Führungsqualitäten von Marco Steck, Chef Regionenpolizei, und Markus Eggenberger, dem heutigen Chef der Sicherheitspolizei.

Den Hauptakteur ortet die PUK aber in Tinet Schmidt, dem Kapo-Postenchef von Scuol. Sie zeigt sich irritiert darüber, dass sich der Postenchef trotz Entbindung vom Amtsgeheimnis Berufsgeheimnis Dürfen Anwälte & Co. ihr Schweigen brechen? wiederholt weigerte, Quellen offenzulegen und moniert seine «zweifelhafte Informationsbeschaffung» und mangelnde Dokumentation. Weiter stellt sie bei ihm unter anderem «eigenmächtiges Handeln» und »Pflichtverletzung« fest.

Widerrechtliche Hausdurchsuchung

Der Bericht zeichnet ein Bild davon, wie Adam Quadroni Whistleblower Quadroni Es geht an die Existenz von Schmidt ohne jegliche Beweise zu einem selbstmordgefährdeten und hochgefährlichen Menschen stilisiert wurde. Und wie der Polizist dazu Aussagen verfälschte und zuspitzte und schliesslich eine Risikobeurteilung vornahm, die Quadroni mit 26 Punkten als höchst gewaltbereite Person auswies. Potenzielle Gefährlichkeit wird bereits ab 11 Punkten attestiert. Der Ruf, ein gemeingefährlicher Gewalttäter zu sein, haftet Quadroni bis heute an und beeinflusste sein Eheschutzverfahren massiv.

Diese Risikobeurteilung legitimierte schliesslich den Einsatz einer Sondereinheit, die den Whistleblower am 15. Juni 2017 im Sinne einer fürsorglichen Unterbringung (FU) in die Psychiatrie entführte.

Die Grenadiere der Einsatztruppe hatten sich angesichts der Informationen, die sie zur angeblichen Gewaltbereitschaft Quadronis hatten, weitgehend korrekt verhalten, hält die PUK fest. Grosse Fragezeichen wirft hingegen die Tatsache auf, dass Pläne für eine FU bereits Ende 2016 geschmiedet worden waren. Und zwar von Schmidt, Quadronis Ehefrau und einer Sozialarbeiterin. Das erstaunt. Die FU ist eine Notmassnahme, die naturgemäss nicht geplant werden kann. 

Zur ebenfalls von Schmidt angeordneten Hausdurchsuchung Recht Was darf die Polizei? schreibt die PUK: «Insgesamt war die Hausdurchsuchung...widerrechtlich.» Tatsächlich hatte noch nicht einmal ein Hausdurchsuchungsbefehl vorgelegen. Auch die beschlagnahmten Gegenstände – alte Jagdwaffen aus dem Besitz des verstorbenen Vaters von Quadroni – wurden widerrechtlich von der Polizei mitgenommen.

Widersprüchliche und verweigerte Aussagen

Auch der letzte Vorfall wirft ein schiefes Licht auf die Kantonspolizei. Damals sollten Gegenstände der Kinder und Ehefrau per einstweiliger Verfügung aus dem Wohnhaus der Familie geholt werden. Im Laufe dieser Aktion wurden Adam Quadroni und seine Schwester in Handschellen gelegt. Die beiden wurden danach von der Polizei wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte angezeigt.

Grenadiere der Sicherheitspolizei waren auch bei diesem Einsatz anwesend. Sie sagten gegenüber der Kapo aus, dass weder Beschimpfungen noch Drohungen ausgestossen worden seien. Diese Aussagen finden sich aber lediglich in einer internen Aktennotiz. In den Kriminalreport fanden sie nicht Eingang. Sie seien nicht für die Akten bestimmt, hatte Regionenchef Marco Steck entschieden. «Die strafrechtliche Beurteilung dieses Vorfalls ... bleibt dem Strafgericht vorbehalten» schreibt die PUK dazu.

Die Kesb wird ebenfalls gerüffelt. Sie hätte angesichts der (angeblichen) Gefährdung der Familie Quadroni eine Akte eröffnen müssen und Amtskontakte und Gespräche dokumentieren müssen. Zur Sozialarbeiterin schreibt die PUK, sie sei in der Einschätzung und Einweisung Quadronis wohl als Schlüsselfigur zu sehen. Sowohl Quadronis Ehefrau wie auch die Sozialarbeiterin hatten gegenüber der PUK die Aussage verweigert.

Ob Vorkommnisse mit Adam Quadronis Rolle als Whistleblower gegen das Baukartell Korruptionsverdacht Das Bündner Baukartell und die geheimen Listen zusammenhängen, konnte die PUK nicht bestätigen. Lediglich zwei Personen, die im Fokus der Untersuchungen standen, würden eine direkte Verbindung zur Bauwirtschaft aufweisen: die Sozialarbeiterin und der zuständige Regionenleiter der Kapo, Marco Steck.

Der Mann der Sozialarbeiterin ist freischaffender Architekt, und die Frau des zuständigen Regionenleiters der Kapo, Marco Steck, ist bei einem grossen Ingenieurbüro als Architektin und Bauleiterin angestellt. Nicht erwähnt wird Bezirksgerichtspräsident Orlando Zegg Fall Quadroni Strafverfahren gegen Richter Zegg , Familien- und Konkursrichter von Adam Quadroni. Er ist über seinen Vater, der ein Transportgeschäft betreibt, ebenfalls mit der Baubranche verbandelt.

Es bleibt die Frage nach dem Wieso. Und nach den politischen Konsequenzen.

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Dominique Strebel, Chefredaktor
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