Zunächst lief alles ganz gut mit unserem Küchenlehrling», sagt Bernhard Stark vom Restaurant Vrenelisgärtli in Zürich. Doch im Sommer habe der Stress zugenommen – und die Motivation des Lehrlings ab. Man drohte ihm die Kündigung an. Darauf nahm der Lehrling selbst den Hut.

Kurz darauf erhielt das «Vrenelisgärtli» auffällig schlechte Noten: mehrere Ein-Stern-Negativbewertungen auf Google und Tripadvisor. «Es war offensichtlich, dass die Bewertungen von unserem ehemaligen Lehrling stammten», so Betriebsleiter Stark. 

Er intervenierte bei Google und Tripadvisor. Tripadvisor habe sofort reagiert und die drei Bewertungen gelöscht. Google aber mit Verweis auf die Meinungsäusserungsfreiheit nicht. «Die freie Meinungsäusserung unterstützen wir natürlich. Aber hier geht es um Rufschädigung », empört sich Bernhard Stark. 

«Kontakte verlaufen im Sand»

Solche Fälle kennt Rechtskonsulent Markus Hohl zur Genüge. Der ehemalige leitende Staatsanwalt im Kanton Zürich vertritt heute die Anliegen von KMUs, die bei Google auflaufen. «Kunden orientieren sich stark an den Bewertungen. Da kann eine einzige Ein-Stern-Bewertung dafür sorgen, dass jemand abspringt.» Hohls Erfahrungen mit Google sind allerdings ernüchternd: «Man kommt an die richtigen Leute gar nicht heran. Telefonische Kontakte und der Mailverkehr mit Mitarbeitenden verlaufen stets im Sand.»

Genauso ergeht es dem Beobachter. Auf eine konkrete Bitte um Stellungnahme kommt zwar schon 24 Stunden später eine Antwort. Allerdings nicht von Google, sondern von einer PR-Firma. Das Standardschreiben enthält Links etwa auf Googles Nutzungsrichtlinien oder eine Meldestelle für ungerechtfertigte Bewertungen. Besonders absurd der letzte Satz: «Bitte beachten Sie, dass wir die Medienstelle von Google Schweiz unterstützen und nicht direkt zitierfähig sind.»
 

«Google-Ratings sind seit Jahren ein Thema. Wir erachten sie als sehr problematisch.» 

Yvonne Gilli, Mitglied des Zentralvorstands der FMH


Betroffen vom Problem sind auch Ärzte, zum Beispiel drei Augenkliniken in der Ostschweiz. «Zuerst auf Facebook, dann auf Google erschienen negative, für uns nicht nachvollziehbare Bewertungen. Ich schrieb pro Eintrag wohl an die 20 Mails an Google. Einige wenige Einträge wurden gelöscht, das meiste blieb stehen», sagt Daniel Bruun vom Augenlaser Centrum St. Gallen. Er habe bei der Polizei eine Anzeige Opfer einer Straftat Den Täter anzeigen? gemacht. «Vier Monate später teilte dann die Staatsanwaltschaft mit, das Verfahren werde ergebnislos eingestellt.» Bei der Augenklinik musste man sich selber helfen. «Wir hatten eine Vermutung, wer dahinterstecken könnte», sagt Bruun. Sie hätten mit der Person Kontakt aufgenommen und sie mit dem Verdacht konfrontiert. Da hätten die schlimmen Bewertungen aufgehört. Die Person war – ein Konkurrent.

Ärzte stehen vor einem zusätzlichen Problem. Sie unterstehen dem Arztgeheimnis und können deshalb bei ungerechtfertigter Kritik Bewertungen im Internet Was ist erlaubt? ihre Sicht nicht darlegen und sich nicht wehren. «Google-Ratings sind seit Jahren ein Thema. Aktuell hat die Brisanz zugenommen, weil Ratings allgemein populärer werden. Wir erachten sie als sehr problematisch», sagt Yvonne Gilli, Mitglied des Zentralvorstands der FMH. Es werde nicht sichergestellt, dass das Rating tatsächlich von einem Patienten der bewerteten Ärztin oder des bewerteten Arztes stamme. Zudem biete die Kommentarfunktion nicht ausreichend Gelegenheit zur Differenzierung.

Studien hätten gezeigt, dass die Kritik oft nicht die Qualität der Behandlung abbilde, sagt Gilli. «Das Rating bezieht sich in der Regel auf organisatorische Rahmenbedingungen wie Wartezeiten und Ambiente, aber auch auf die Kommunikationsfähigkeiten.» Diese Faktoren empfänden die Patienten zwar als zunehmend wichtig – sie hätten aber mit dem Erfolg einer medizinischen Therapie nur am Rande zu tun. «Google muss sicherstellen, dass sich nur echte Patienten an den Ratings beteiligen, und dass klar wird, auf welchen Beurteilungskriterien das Rating beruht», sagt Gilli. Die FMH habe mit Google Persönliche Daten So löschen Sie Ihre Spuren bei Google das Gespräch gesucht. Dieses sei aber ohne konkrete Ergebnisse verlaufen.

Bewertungen sollen begründet werden müssen

Der ehemalige Staatsanwalt Markus Hohl fordert noch mehr: Wer eine Bewertung abgeben wolle, solle identifizierbar sein und eine Begründung geben müssen. Das würde auch falsch positive Bewertungen erschweren. Zudem müsse der Nutzer vor dem Absenden darauf aufmerksam gemacht werden, dass unangemessene Bewertungen eine Straftat sein können. «Damit möchte ich erreichen, dass Firmen vor Schaden bewahrt werden und Kunden wieder Vertrauen in das Bewertungssystem gewinnen», sagt Hohl. 

Er hat seine Forderungen im Januar per Mail und zusätzlich per eingeschriebenen Brief an Patrick Warnking gesandt, den Chef von Google Schweiz. Auf Antwort wartet er bislang vergeblich.

Unfaire Bewertung: Wie kann man sich wehren?

Verlangen Sie mit eingeschriebenem Brief die Löschung der Bewertung. Adresse: Google Inc., Brandschenkestrasse 110, 8002 Zürich.

Wenn Sie rechtlich vorgehen, sollten Sie bedenken: «Nicht jede negative Kritik ist auch automatisch widerrechtlich», sagt der spezialisierte Zürcher Rechtsanwalt Tom Frey.

Drei Fragen gelte es zu beantworten:

  • Verstösst die Bewertung inhaltlich gegen eine Rechtsnorm?

In Frage kommen zivil- wie strafrechtliche Bestimmungen, wenn es um persönlichkeits- oder ehrverletzende Bewertungen geht. Solange Bewertungen allerdings wahr und nicht unnötig beleidigend oder herabsetzend sind, kann man sich rechtlich nicht dagegen wehren. Zulässig wäre etwa die Kritik, dass das Essen in einem Restaurant schlecht war, nicht aber, dass der Koch faul und dumm ist.

 

  • Kann die Widerrechtlichkeit belegt werden?

Rechtliche Schritte lohnen sich meist erst, wenn man konkrete Beweise vorlegen kann, dass Unwahrheiten verbreitet werden.

 

  • Lohnt sich der Aufwand? 

Juristisch ist eine Löschung nur mühsam durchzusetzen. Daher muss der Nachteil durch eine Negativbewertung ein gewisses Gewicht haben. Ein Anwalt kostet schnell einige Tausend Franken. Noch teurer wird es, wenn man sein Recht vor Gericht erstreiten will – mit ungewissem Ausgang.

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