Schulden in der Schweiz klettern Jahr für Jahr auf neue Höchststände. 924 Milliarden Franken an Hypotheken waren Ende 2015 gemäss Bankenstatistik ausstehend. Dazu kommen Darlehen von Privatbanken, ausländischen Banken oder Versicherungen. Das Total dürfte damit erstmals die Schwelle von 1000 Milliarden Franken übersteigen.

Diese Schuldenwirtschaft ist nicht weiter problematisch, solange alles wie gehabt weiterläuft. Will heissen: tiefe Zinsen, stabil hohes Lohnniveau und keine Immobilienkrise. Was passiert jedoch, wenn die Zinsen stark steigen? Was blüht dann den verschuldeten Hauseigentümern?

Wenn der Wert einer hoch belehnten Liegenschaft sinkt, kann die Bank den Kredit ausserordentlich kündigen, oder der Kunde muss zusätzlich Kapital einschiessen. Das sehen die Geschäftsbedingungen der Banken vor.

Allerdings: In kaum einem anderen Land sind die Amortisationsstandards so lasch wie in der Schweiz. Sogar die verschärften Mindeststandards der Bankiervereinigung schreiben bloss eine Tilgung bis auf 66 Prozent des Belehnungswerts vor, und das innert 15 Jahren. Die meisten Banken verlangen jährliche Amortisationen von einem Prozent der Hypothek, bis die Schwelle von 66 Prozent erreicht ist. Immerhin: Amortisationspausen oder sonstige Zugeständnisse, wie sie früher üblich waren, gibt es heute nicht mehr.

«Die Banken haben alles Interesse, dass die Kunden in einer maximal möglichen Verschuldungssituation bleiben.»

 

Stefan Heitmann, Experte für Hypothekenvermittlungen, Money Park

In keiner anderen Volkswirtschaft können Schulden auf diese Art quasi «ewig» stehen bleiben. Die hohe Verschuldung gilt bei uns als problemlos, solange die Bank das Darlehen als relativ risikolos betrachtet und die finanzielle Last für den Schuldner tragbar erscheint. Spätestens ab Alter 55 oder bei der Pensionierung bekommen die sorglosen Schuldner aber die Quittung präsentiert: Wenn die Altersrenten tiefer ausfallen als erhofft – und das kommt häufig vor –, droht sogar die Kündigung des Kredits. Dann muss plötzlich unter Zwang die Schuld getilgt oder ein neuer Finanzierungspartner gesucht werden.

Banken fordern hohen Schadenersatz

Unabhängige Experten warnen deshalb vor sozialpolitischem Zündstoff. «Problematisch ist: Viele Haushalte beschäftigen sich entweder gar nicht oder nur unzureichend mit der finanziellen Absicherung und der Altersvorsorge», sagt Stefan Heitmann vom Finanzdienstleister Money Park.

Und die Banken zeigen sich wenig flexibel. Gemäss dem Kleingedruckten in den Verträgen ist die Höhe der Hypothek sakrosankt. Es gibt nur eine Möglichkeit, die Schuldenlast abzubauen: wenn das Vertragsende einer Hypothek erreicht ist. Vorzeitige Ausstiegs- oder Amortisationsmöglichkeiten? Fehlanzeige.

Wer zum Beispiel bei einer Festhypothek während der Laufzeit 50'000 oder 100'000 Franken zurückzahlen will, muss den ganzen Betrag ausserordentlich kündigen. Für solche Vertragsauflösungen fordern die Banken exorbitant hohen Schadenersatz, sogenannte Penalty-Zahlungen.

Selbst bei den heute weit verbreiteten Libor-Hypotheken verweigern die Geldgeber Rückzahlungen. Diese Hypotheken passen sich zwar in kurzen Abständen dem aktuellen Geldmarktzins Libor an, doch der Kunde bleibt dennoch an Verträge über oft drei, fünf oder sieben Jahre gebunden. Wer zwischenzeitlich Amortisationen leisten will, zahlt auch hier sehr hohe Ausstiegszahlungen.

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Wer Wohneigentum erwerben will, ist in der Regel auf fremde Mittel angewiesen. Verschiedene Institute gewähren entsprechende Kredite in Form von Hypotheken. Beobachter-Abonnenten erfahren nicht nur, welche es gibt, sondern worauf man generell bei der Finanzierung von Wohneigentum achten sollte.

Experte Stefan Heitmann kritisiert das offensichtliche Ungleichgewicht zwischen den Anliegen von Banken und Kunden: «Die Banken haben alles Interesse, dass die Kunden in einer maximal möglichen Verschuldungssituation bleiben.» Kunststück, das Hypothekargeschäft ist im heutigen schwierigen Umfeld für die Banken Garant für sichere und sehr risikoarme Erträge. Die Ausfallquote bei Hauskrediten an Private ist praktisch null.

Die Schweizer Praxis ist umso erstaunlicher, als sich in anderen Ländern sehr innovative Amortisationsmodelle etabliert haben. Etwa das in Deutschland gebräuchliche Annuitätenmodell. Dabei wird ein jährlich fixer Betrag vereinbart, zum Beispiel 24'000 Franken. Dieser setzt sich aus Verzinsung und Tilgung zusammen. In Zeiten tiefer Zinsen fällt der Amortisationsteil höher aus, bei hohen Zinsen liegt er tiefer. Das Modell vereint das Ziel der Schuldentilgung ideal mit dem Wunsch nach Budgetsicherheit.

Doch noch ein Geheimtipp

Schweizer Banken entsprechen Wünschen nach höherer Schuldentilgung nur sehr selten. Grosse Anbieter wie Raiffeisen, Clientis, CS und UBS sagen zwar, ausserordentliche Amortisationen seien möglich – aber meist nur, wenn sie im Voraus vertraglich vereinbart sind. Und die Kunden müssen sich selbst danach erkundigen.

Kaum bekannt ist, dass die Berner Kantonalbank mit einem echten Annuitätenmodell arbeitet. Es wird aber weder aktiv beworben noch aktiv angeboten. Eine Sprecherin: «Wir prüfen auf Kundenanfrage im Einzelfall, ob eine Amortisation mit Annuitäten sinnvoll ist.»

Tipps fürs Abzahlen

Wer seine Hypothek amortisieren will, muss von sich aus aktiv werden. Hier einige Möglichkeiten.

  • Verhandeln: Individuelle Amortisationspläne und Sondertilgungen werden von den Banken nicht aktiv angeboten. Also gilt: nachfragen, Offerten vergleichen, verhandeln.
  • Splitting: Kombinieren Sie die Hypothekarbelastung in mehrere Tranchen und unterschiedliche Laufzeiten, damit Sie immer wieder über den Gesamtbetrag und Rückzahlungen entscheiden können. Beispiel: zwei Festhypotheken mit vier und fünf Jahren Laufzeit, zusätzlich eine Libor-Hypothek über sechs Jahre. Vorsicht: Vermeiden Sie Laufzeiten, die mehr als zwei Jahre auseinanderliegen. Denn solange Sie Ihr Wohneigentum mit mehreren, weit gestaffelten Tranchen finanzieren, können Sie die Bank faktisch kaum noch wechseln.
  • Vorsorge: In den meisten Fällen ist eine indirekte Amortisation über ein Säule-3a-Konto oder allenfalls über Lebensversicherungen sinnvoll. Vorteil: Die Einzahlungen sind steuerfrei und können später für grössere Amortisationen verwendet werden.
  • Zweckgebundenes Konto: Was Sie heute dank tiefen Zinsen sparen, sollten Sie auf ein Sonderkonto einzahlen. Darüber können Sie alle laufenden Kosten finanzieren (Zinsen, Amortisationen, wertsteigernde Renovationen et cetera). Und Sie widerstehen so eher der Versuchung, freie Mittel leichtfertig für den Konsum auszugeben.
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