Bundesrat verbietet Telefonterror der Krankenkassen
Ab September 2024 sind Werbeanrufe von Versicherern bei Nichtkunden verboten. Nach jahrelangem Hin und Her setzt die Regierung jetzt verbindliche Regeln durch.
Der Bundesrat setzt den Werbeanrufen der Versicherer ein Ende. Kaltakquisen – Anrufe zur Gewinnung von Neukunden – sind ab dem 1. September 2024 für alle Versicherer strafbar. Neu dürfen sie niemanden mehr anrufen, der über drei Jahre keine Kundin mehr ist oder es gar nie war.
Mit den Anpassungen werden die bisher freiwillig angewandten Regeln der Branchenvereinbarung für verbindlich erklärt. Dazu gehört nach einigem Hin und Her nun eben auch das Verbot von Werbeanrufen. Wer dagegen verstösst, riskiert eine Busse von bis zu 100’000 Franken.
Zuvor überwachte sich die Branche selbst
«Der Bundesrat macht dem jahrelangen Zaudern der Versicherungsbranche endlich ein Ende und bestimmt die Regeln für die Vermittlertätigkeit», schreibt Konsumentenschutz-Präsidentin Nadine Masshardt in einer Medienmitteilung. In den Jahren zuvor waren mehrere Anläufe gescheitert, einheitliche und transparente Regeln zu schaffen.
2012 hatte das Parlament eine gesetzliche Lösung mit Verweis auf die Selbstregulierung versenkt. Die Krankenkassen sollten sich selbst auf eine kundenfreundliche Praxis einigen, entschieden National- und Ständerat. Ein paar Jahre später präsentierten die beiden Krankenkassen-Branchenverbände Santésuisse und Curafutura dann auch tatsächlich eine neue Branchenlösung.
Die Provisionsobergrenze bei Zusatzversicherungen wurde aufgehoben – für Vermittler lohnten sich Werbeanrufe umso mehr.
Diese trat ab Januar 2021 in Kraft und untersagte Werbeanrufe bei Personen, zu denen seit mehr als drei Jahren keine Kundenbeziehung besteht. Bei Missachtung konnte die unabhängige Aufsichtskommission Fair-mittler.ch Geldstrafen verhängen.
Eigentlich eine gute Lösung – doch dann änderten die Verbände im Herbst 2023 einseitig die Spielregeln. Das Aufsichtsgremium wurde von seinen Aufgaben entbunden, stattdessen entstand eine eigene Meldestelle. Diese verhängte aber weder Sanktionen, noch gab sie Infos zu fehlbaren Vermittlern an die Behörden weiter.
Sprich: Die Branche kontrollierte sich selbst eben nicht. Zudem wurde die Provisionsobergrenze bei Zusatzversicherungen aufgehoben – für Vermittler lohnten sich Werbeanrufe umso mehr. Der Konsumentenschutz verurteilte die Aufweichung der Branchenvereinbarung scharf (der Beobachter berichtete).
Mehr Transparenz und begrenze Vermittlerentschädigungen
Die neue Regelung soll für mehr Transparenz sorgen. Sie sieht unter anderem vor, dass Vermittler bei Beratungsgesprächen ein Protokoll erstellen, das die Kundschaft unterschreiben muss.
Daneben sollen die Entschädigungen für einen Abschluss begrenzt werden. Wer eine Grundversicherung an eine Person vermittelt, erhält künftig maximal 70 Franken. Bei der Vermittlung von Zusatzversicherungen liegt die Entschädigung bei 16 Monatsprämien pro Produkt – damit ist sie um vier Monatsprämien höher als in der Branchenvereinbarung aus dem Jahr 2021.
Der Konsumentenschutz kritisiert, dass die Provisionszahlungen noch immer zu freigiebig geregelt sind – vor allem bei den Zusatzversicherungen. «Damit wird der Anreiz verstärkt, dass der Bevölkerung unnötige Zusatzprodukte aufgeschwatzt werden», so Nadine Masshardt.
Auch müsse sich noch zeigen, ob die Kontaktaufnahme-Frist von drei Jahren tatsächlich zu weniger Kaltakquise führe.