Zwei Lampen hatte Gino Hollenstein bestellt, bekommen und bezahlt. Als ihn Home24 für eine dritte mahnte, belegte er dem Versandhaus, dass er nichts schuldete.
Doch zwei Monate später meldete sich die Inkassofirma Arvato Infoscore beim Thurgauer und wollte 90 Franken für die Lampe und 137 Franken für «Verzugsschaden». Einen solchen verrechnen Inkassofirmen standardmässig, obwohl es für pauschale Forderungen keine gesetzliche Grundlage gibt – der Bundesrat verlangt, dass der Schaden konkret beziffert sein muss.
Hollenstein ist kein Einzelfall. Allein dieses Jahr gingen zu diesem Thema bei der Stiftung für Konsumentenschutz 410 Meldungen ein. Die Inkassobüros setzen massiven Druck auf – und drohen mit Betreibungen oder dem Anwalt. Nicht immer funktioniert es. «Ich bin 73 – ein Eintrag im Betreibungsregister ist mir wurst», sagt Oskar Meier. Mediashop verlangte von ihm für einen nie gelieferten Artikel 60 Franken. Daraus wurden 390 Franken Schulden bei Infoscore. Er zahlt nicht. «Denen muss das Handwerk gelegt werden!»
700 Millionen Franken nehmen Inkassofirmen in der Schweiz jährlich ein. Eine Stichprobe des Beobachters zeigt: Die ungerechtfertigten Aufschläge machen zwischen 40 und 70 Prozent der Gesamtforderung aus. Hochgerechnet würde das bedeuten, dass die Branche jährlich mehrere Hundert Millionen Franken ungerechtfertigt eintreibt. Das tut sie mit System: Auf der Website des Inkassoverbands wird behauptet, das Eintreiben unbelegter Verzugsschäden sei korrekt. Die verbandsinternen Richtlinien zur Höhe der Verzugsschäden bestätigen die Stichprobe.
Korrektur gefordert
Die Firmen, die mit Infoscore arbeiten, geben sich bedeckt. «Wir arbeiten mit anerkannten Unternehmen zusammen», erklärt Home24. Die Buchhandelskette Weltbild gibt an, die Zusammenarbeit sei wegen des «problematischen Zahlungsverhaltens gewisser Kunden» nötig. Bei Orell Füssli heisst es: «Die Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, müssen sich an die Gebührentabelle des Inkassoverbands halten.»
Die Stiftung für Konsumentenschutz fordert eine grundlegende Korrektur: Betreibungen sollen nur noch möglich sein, wenn die Forderungen belegt sind. «Die Inkassobranche wird nie aus eigenen Stücken von ihrer ‹erfolgreichen› Praxis ablassen. Das kann nur über gesetzliche Vorgaben funktionieren.»
Fordert das Inkassobüro einen Verzugsschaden? Beobachter-Abonnenten wehren sich gegen unberechtigte Forderungen mit dem Musterbrief «Bestreitung des Verzugsschadens», der praktisch heruntergeladen und ausgedruckt werden kann.
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6 Kommentare
Momentan darf ich auch viel mit Arvato zutun haben. Ich habe im März bei Zalando was bestellt, ein teil wurde retourniert, der andere behalten. Obwohl ich die behaltenen Sachen bezahlt habe, krieg ich immer wieder Mahnungen von Arvato. Die meinten dann das ich die Sachen nicht retourniert habe, das lustige ist aber das ich von Zalando mehrere Bestätigung Mails erhalten habe über den Eingang der retournierten Sachen. Ich habe ihnen dann alles geschickt, die Beläge meiner Zahlungen wie auch die Bestätigungen von Zalando. Doch brachte alles nichts, mehrmals musste ich ihnen das zusenden da sie immer wieder das gleiche behaupteten. Neu habe ich nun zwei Betreibungen, da erhob ich Rechtsvorschlag. Einerseits erhielt ich keinen Brief das ich vor zwei Betreibungen stehe, anderseits weil ich denen nichts schulde.
Man kann ihnen soviel sagen wie man will, doch die ignorieren das. Da sehe ich mich gezwungen einen Anwalt einzuschalten.
Ich hatte auch eine Rechnung vergessen einzuzahlen, habe es aber dann rechtzeitig gemacht. Leider hat der Gläubiger den Betrag aus irgendeinem Grund nicht erhalten, Beleg lag ihm aber vor. Er hat den Fall diesem Inkasso Büro gemeldet und ich bekam auch eine viel zu hohe Rechnung für Verzugsschaden OR 106 etc. etc.. Ich war schokiert und versuchte das Inkasso Büro anzuschreiben. Die meinten nur Sie können meine Zahlung nicht finden. Ich rief beim Gläubiger (Douglas) an, die konnten auch nichts finden und meinten nur ich soll dies mit dem Inkasso Büro direkt anschauen. Irgendwann habe ich dann die Forderung zum zweiten mal eingezahlt, allerdings nur die Hauptforderung + Verzugszins. ich habe mich im Vorfeld ja hier informiert und auch die Google Rezessionen gelesen, die einfach nur unfassbar sind...! Bis jetzt kann Douglas keine Zahlung finden, das Inkasso Büro hat dies bestimmt für sich behalten und mir noch eine neue Rechnung zugeschickt, ich solle die Restforderung noch einzahlen, damit die Angelegenheit zu einem "gütlichen" Ende kommt..
Meine Erfahrung mit Arvato ist auch lustig:
Bei Weltbild hatte ich etwas bestellt und zu spät bezahlt- klar - mein Fehler. Kurze Zeit später erhielt ich die Forderung von Arvato 89.05 für 80 Franken Verzugsschaden plus Zins oder sonstige Gebühr. Im Wissen, dass die das nicht betreiben werden habe ich nicht bezahlt und auch kommuniziert.
Sie haben mich nun bei der CRIF gemeldet und folge dessen kriege ich aktuell bei der Migrosbank keinen Kredit mehr. Trotz sauberem Betreibungsregister. Zum Glück bin ich nicht auf den angewiesen und nehme mir jetzt Zeit juristisch abzuklären, was meine Möglichkeiten sind. Leider ist das Bonitätshaus CRIF auch nicht gerade berühmt für seine Geschwindigkeit...
Für mich ist das Nötigung und Erpressung. Sehr schade, dass so ein Geschäftssystem Erfolg hat.
Lieber MatterSuizo, darf ich Sie fragen, ob Sie von Arvato schriftlich darauf hingewiesen wurden, dass ihre Daten dem CRIF übermittelt werden?
Ich hatte ein ähnliches Problem mit Arvato. Leider bis heute noch nicht befriedigend abgeschlossen. Ich hatte mir im Jahr 2016 bei Siroop etwas bestellt, welches verspätet geliefert wurde und ich anschliessend auf der Post die Annahme verweigert hatte. Darauf hin fing diese Sache irrsinnige Fäden zu ziehen.
Zu aller erst wurde ich von Powerpay immer wieder gemahnt meine offene Rechnung zu begleichen obschon ich keine offene Rechnungen hatte. Trotz telefonischem Kontakt erhielt ich immer wieder Rechnungen von Powerpay.
Ich landete dann schliesslich im Inkasso der Arvato Infoscore. Natürlich durften auf der angemahnten Rechnungen die horrenden Inkasso-Aufschläge nicht fehlen. Aus einem Produktpreis von ca. 114 Franken erwuchs eine stattliche Summe von über 500 Franken.
Am Ende lag der ganze Fehler darin, dass der Lieferant von Siroop den Artikel nicht ordentlich in sein System zurück verbucht hatte und somit einen ordentlichen Stein ins Rollen gebracht hat.
Fazit:
Nun bin ich unrechtmässig für einen Fehler eines Zulieferers, auf Bonitätsportalen für Online-Shopping gelistet aber dem HERRN sei dank, ist der Online-Shop Siroop eingestellt.