Eine Rechnung über 96'179 Franken, zahlbar innert 30 Tagen? Erst dachte Maria F. (Name der Redaktion bekannt) an einen schlechten Scherz. Doch die AHV-Ausgleichskasse des Kantons Zürich meinte es bitterernst.

Was war geschehen? – Die 48-jährige berufstätige Mutter amtierte zweieinhalb Jahre lang als Vizepräsidentin eines ehrenamtlichen Vereins, der eine Kinderkrippe führte. Weil der Vereinspräsident Gelder unterschlug, wurden die Sozialversicherungsbeiträge der Krippenangestellten nicht bezahlt – und dieses Geld verlangte die Ausgleichskasse plötzlich von Maria F. und anderen Vorstandsmitgliedern.

Von den Vereinsschulden fast ruiniert

«Als Vizepräsidentin hatte ich nie etwas mit Geldangelegenheiten zu tun», sagt Maria F. Dennoch hafte sie als Vorstandsmitglied solidarisch für die Vereinsschulden, unabhängig von ihrer persönlichen Verantwortlichkeit, argumentierte die AHV-Ausgleichskasse.

Die hohe Rechnung ruinierte ihr fast die Gesundheit, und so bestritt sie die Forderung durch alle Instanzen. Zwar erhielt sie vom Bundesgericht schliesslich Recht – aber nur aufgrund besonderer Umstände.

Weil die vom Vereinspräsidenten vorgelegten Jahresrechnungen ausgeglichen, von Revisoren geprüft Revisionspflicht Aufpasser für jeden Verein? und «in bilanztechnischer Hinsicht plausibel» waren, habe Maria F. keinen Verdacht schöpfen müssen, befand das Gericht. Es habe «keine konkreten Hinweise» auf Unregelmässigkeiten gegeben. Solche seien erst nach Maria F.s Rücktritt aufgetaucht.

«Das Urteil ist eine unglaubliche Erleichterung für mich, nachdem ich vier Jahre mit der drohenden Geldforderung leben musste, die mich ruiniert hätte», sagt Maria F. heute. Ihr Anwalt bedauert, das Urteil sei nur «ein halber Sieg».

Denn Maria F. ist nur aus dem Schneider, weil der Kinderkrippen-Vereinspräsident ausgesprochen arglistig handelte und rechtskräftig verurteilt ist.

In allen anderen Fällen haften Vorstandsmitglieder weiterhin für Sozialversicherungsschulden ihres Vereins – selbst wenn sie für ihr Engagement kein Geld erhalten.

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Die Gerichte urteilen sehr streng

Ehrenamtliche Vorstandsmitglieder seien «nicht weniger streng» haftbar als hochbezahlte Verwaltungsräte, hält das Bundesgericht fest: «Die Ehrenamtlichkeit führt nicht dazu, dass Pflichten weniger sorgfältig wahrgenommen werden dürfen, und ändert nichts daran, dass auf ausbezahlten Löhnen Sozialversicherungsbeiträge bezahlt werden müssen und die Verantwortlichen für eine allfällige Nichtablieferung dieser Beiträge einzustehen haben.»

Dieses Damoklesschwert der Haftung sei «eine unglaubliche Belastung für all jene, die sich ehrenamtlich zum Wohle der Gesellschaft einsetzen», kommentiert der Anwalt von Maria F.

Zwar gelte das Prinzip, dass den Verantwortlichen ein Verschulden nachgewiesen werden müsse, die Gerichte urteilen aber in diesem Bereich sehr streng, wie die Erfahrung der Rechtsexperten im Beobachter-Beratungszentrum zeigt.

Fast immer werde den Vorstandsmitgliedern eine Mitschuld angekreidet, und folglich werden sie zur Kasse gebeten. Darum sollte dieses Bewusstsein um die Haftungsverantwortung immer mitschwingen. Neben Kinderkrippen sind etwa auch Sportklubs (Trainer) oder Musikvereine (Gesangslehrer) betroffen.

«Ich habe meine Lehren aus dem Fall gezogen», sagt Maria F. darum. «Ich werde mich sicher nie mehr in einem Vereinsvorstand engagieren.»

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Christian Gmür, Content-Manager Ratgeber
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