Notlage
Betteln muss in der Schweiz niemand. Wenn alle anderen Stricke gerissen sind, sorgt die Sozialhilfe als letztes Auffangnetz dafür, dass niemand in die absolute Armut fällt. «Wer sich in einer Notlage befindet und sich selbst nicht helfen kann, hat Anspruch auf staatliche Hilfe» – so steht es in Artikel 12 der Bundesverfassung. Im Jahr 2021 haben in der Schweiz 265'100 Personen Sozialhilfe bezogen.
Wer sich aber selber helfen kann, muss dies auch tun und seinen Lebensunterhalt mit dem vorhandenen Vermögen bestreiten: Erst wenn dieses aufgebraucht ist oder zur Neige geht, hat man Anspruch auf Sozialhilfe. In vielen Kantonen liegt diese Schwelle bei 4000 Franken, in einigen ist sie tiefer. Zudem ist die Sozialhilfe eine subsidiäre Hilfe, sprich: das letzte Auffangnetz. Wer noch Anspruch auf Lohn oder Arbeitslosengeld, eine AHV - oder IV-Rente, Alimente oder Stipendien hat, muss zuerst die nötigen Schritte unternehmen, um diese Gelder zu erhalten.
Doch nicht alle Menschen, die sich in der Schweiz aufhalten und in Not geraten, haben Anspruch auf finanzielle Unterstützung. Touristen, abgewiesene Asylsuchende sowie Ausländer ohne Wohnsitz in der Schweiz erhalten keine Sozialhilfe. Wenn sie in Not geraten, bekommen sie lediglich Nothilfe. Diese fällt viel tiefer aus als die Sozialhilfe und wird oft in Form von Naturalleistungen erbracht.
Grundbedarf
Mit diesem Geld wird der Lebensunterhalt bezahlt. Die Höhe des Betrags ist kantonal unterschiedlich. Der Grundbedarf umfasst Ausgaben für Lebensmittel und Getränke, Kleider und Schuhe, kleinere Haushaltgegenstände, Zeitungen und Bücher. Ausserdem werden mit diesem Geld die Telefon- und Handykosten, die Radio- und TV-Gebühren , Coiffeurbesuche und die Benutzung des öffentlichen Verkehrs finanziert. Hausrat- und Privathaftpflichtversicherungen müssen lediglich in den Kantonen Aargau und Solothurn aus dem Grundbedarf bezahlt werden, in den anderen Kantonen bezahlt die Sozialhilfe diese Aufwendungen separat.
Die Höhe des Grundbedarfs ist kantonal unterschiedlich. Viele Kantone halten sich an die Berechnungen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos). Diese empfiehlt per 1. Januar 2023 folgende monatliche Beträge:
- Einzelperson: 1031 Franken
- Zwei-Personen-Haushalt: 1577 Franken
- Drei-Personen-Haushalt: 1918 Franken
- Vier-Personen-Haushalt: 2206 Franken
- Fünf-Personen-Haushalt: 2495 Franken
- Für jede weitere Person: +209 Franken
Wohnkosten
Die Sozialhilfe übernimmt Miete und Nebenkosten zum ortsüblichen Preis. Wie hoch die entsprechende Grenze liegt, legen die Gemeinden in der Regel selber fest. Wenn jemand in einer zu teuren Wohnung lebt, kann die Behörde verlangen, dass die Person in eine günstigere Wohnung zieht.
Wer Sozialhilfe bezieht, hat keinen Anspruch, seine Eigentumswohnung oder sein Haus behalten zu dürfen. Wenn jemand im Eigenheim aber sehr günstig wohnen kann, ist ein Verkauf oft nicht sinnvoll. Das Sozialamt kann dann entscheiden, dass man das Wohneigentum behalten darf. Die Behörde lässt in der Regel ein Grundpfand auf dem Wohneigentum errichten. So stellt sie sicher, dass bei einem späteren Verkauf die bezogenen Sozialhilfegelder zurückbezahlt werden.
Medizinische Grundversorgung
Die Sozialdienste bezahlen die Krankenkassenprämien für die Grundversicherung und Selbstbehalte sowie notwendige Zahnarztbesuche . Als notwendig gelten jährliche Zahnkontrollen, einfache, zweckmässige Zahnsanierungen und Dentalhygienebehandlungen. Kronen oder Brücken muss man meist selbst bezahlen.
Generell gilt: Wer Sozialhilfe bezieht, muss sich grundsätzlich nicht an medizinischen Kosten beteiligen.
Wer Sozialhilfe beantragt, hat sowohl Rechte als auch Pflichten. Guider klärt Beobachter-Abonnenten darüber auf und gibt Auskunft darüber, ob Sozialhilfe später zurückerstattet werden muss. Musterbriefe liefern zudem Unterstützung, wenn Beschwerde gegen einen Entscheid einlegt wird.
Situationsbedingte Leistungen
Der Grundbedarf muss für den allgemeinen Lebensunterhalt ausreichen. Wenn ausserordentliche Ausgaben anfallen, die zwingend notwendig sind, übernimmt die Sozialhilfe die Kosten. Einige Beispiele für solche situationsbedingte Leistungen:
- Kosten im Zusammenhang mit einer Krankheit oder einer Behinderung, etwa für Hilfsmittel wie Hörgeräte oder für Transportkosten
- Kosten im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit, etwa für den Arbeitsweg, für Arbeitskleider oder die auswärtige Verpflegung
- Kosten für die Integration und die Betreuung von Kindern und Jugendlichen, zum Beispiel für eine Krippe oder eine Spielgruppe
- Kosten, die durch einen Wegzug aus der Gemeinde entstehen
Einkommensfreibetrag
Weil sich Arbeit lohnen soll, gewähren alle Kantone einen sogenannten Einkommensfreibetrag. Das ist ein Betrag, den erwerbstätige Sozialhilfebezüger zusätzlich aus ihrem Erwerbseinkommen erhalten. Wer neben der Sozialhilfe arbeitet, hat somit mehr Geld zur Verfügung.
Die Höhe des Betrags ist kantonal unterschiedlich geregelt und hängt primär von den Arbeitsprozenten ab. Eine zu hundert Prozent erwerbstätige Person, die Sozialhilfe bekommt, erhält monatlich 100 bis 600 Franken.
Rückerstattungspflicht: Rechtmässig bezogene Sozialhilfegelder muss man grundsätzlich zurückerstatten – im Gegensatz zu den Leistungen der Sozialversicherungen (AHV, IV, EL). Dabei gibt es grosse kantonale Unterschiede. In Basel-Stadt, Genf, Jura, Neuenburg, Schaffhausen und Waadt muss man Sozialhilfegelder nur im Fall eines ausserordentlichen Vermögensanfalls – etwa eine Erbschaft oder ein Lottogewinn – zurückzahlen. In den anderen Kantonen ist eine Rückerstattung auch aus einem späteren Erwerbseinkommen möglich beziehungsweise klar vorgesehen. Unrechtmässig bezogene Sozialhilfegelder muss man in allen Kantonen zurückzahlen.
Verjährung: Die Pflicht, Sozialhilfegelder zurückzuzahlen, bleibt nicht in alle Ewigkeit bestehen, sie verjährt früher oder später. Graubünden kennt eine Verjährung allerdings erst seit Anfang 2016, vorher war die Rückerstattungspflicht unverjährbar. In anderen Kantonen verjährt sie nach 10, 15 oder gar erst nach 20 Jahren – je nach Situation also eine lange Zeit, in der man diese Schulden mit sich schleppen muss.
In der Schweiz liegt die Umsetzung der Sozialhilfe in der Kompetenz der Kantone. Es gibt also kein übergreifendes Bundesgesetz, sondern 26 verschiedene kantonale Sozialhilfegesetze.
Viele Kantone wiederum delegieren die Berechnung der Sozialhilfe an die Gemeinden. Natürlich sind in allen Kantonen die jeweiligen Gesetze verbindlich. Die Details der Sozialhilfe sind aber oft in Handbüchern festgehalten, die in einigen Kantonen nicht verbindlich sind. In der Praxis kommt es daher, je nach Wohnort, zu unterschiedlichen Auslegungen.
Mehr Einzelheiten zu den Richtlinien und den kantonalen Sozialhilfegesetzen finden Sie auf www.skos.ch, der Website des Fachverbands Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe.
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