Wenn es um das Thema Whistleblowing geht, gerät die Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern ins Hintertreffen. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie der Fachhochschule Graubünden und der EQS Group. Studienleiter Christian Hauser von der FHGR sagt gegenüber dem Beobachter: «Schweizer Firmen haben ihren Vorsprung inzwischen teilweise eingebüsst.»

Die Studie erscheint bereits in der vierten Ausgabe und beleuchtet die Entwicklung von Whistleblower-Kanälen verschiedener Unternehmen im internationalen Vergleich. Dafür wurden 2200 Firmen in sieben Ländern befragt.

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Bei Schweizer Firmen: Hohe Schäden trotz seltenerer Fälle

Im Jahr 2024 war über ein Drittel der Unternehmen in der Schweiz von Missständen betroffen. Obwohl die Fallzahlen hierzulande tiefer liegen als im internationalen Vergleich, sind die finanziellen Schäden meist höher: Jedes fünfte Schweizer Unternehmen verzeichnete Kosten von mindestens 95’000 Franken. 

Studien-Co-Autor Hauser vermutet, dass dies daran liegt, dass viele Fälle erst spät aufgedeckt werden. «Andere Länder haben Gesetze eingeführt, die Unternehmen zur Einrichtung von Meldestellen verpflichten. Gleichzeitig erhalten diese Firmen dadurch mehr substantiierte Meldungen als Schweizer Unternehmen», erklärt Hauser dem Beobachter. 

«KMU unterliegen der Illusion, dass man Probleme informell anspricht.»

Christian Hauser, Studienautor

Gesetzliche Verpflichtungen seien aber nicht das Wichtigste: «Vielmehr sollten Unternehmen erkennen, dass es in ihrem eigenen Interesse ist, eine Whistleblowing-Meldestelle zu haben.»

Besonders KMU unterschätzen laut dem Studienautor die Risiken, wenn ein Missstand unentdeckt bleibt. «Viele KMU unterliegen der Illusion, dass man sich ohnehin kennt und Probleme informell anspricht. In der Realität kommt es aber auch dort häufig zu Missständen.» Hauser sagt, er begegne immer wieder Unternehmen, in denen Missstände seit Jahren bekannt seien, ohne dass die Leitung davon wisse. «So können Probleme ungestört wachsen, bis sie enorme Schäden verursachen und im schlimmsten Fall die gesamte Firma in die Insolvenz treiben.»

Zudem bestätigt sich gemäss der Studie die Sorge nicht, dass anonyme Meldungen zu mehr missbräuchlichen Meldungen führen können. Zwar sind 11 Prozent der Hinweise bei Schweizer Unternehmen missbräuchlich – etwas mehr als im internationalen Vergleich –, doch die Anonymität spielt dabei keine Rolle.

Whistleblower-Plattform des Beobachters: sichermelden.ch

Aktuell verfügen rund 79 Prozent der Schweizer Unternehmen über Melde- oder Beschwerdestellen. Braucht es daneben noch Whistleblower-Stellen von Medien, wie beispielsweise die des Beobachters? Hauser sagt: «Medien sollten eigentlich als letzte Instanz eine Rolle spielen.» Und fügt hinzu: «Daher würde ich nicht sagen, es braucht sie nicht, aber es sollte sie nicht brauchen.»

Ein professionelles und vertrauliches System ist für Whistleblowing unerlässlich. Der Beobachter bietet in Zusammenarbeit mit der Softwarefirma EQS Group die Plattform sichermelden.ch an. Dort können Whistleblower anonym auf Missstände in Unternehmen, Behörden oder Institutionen hinweisen.

Quelle

Studie der FH Graubünden und EQS Group: Whistleblowing Report 2025